Braincrusher Nuclear Winter Festival 2025
Der große Festivalbericht

Konzertbericht

Billing: Claw, Motörcult, Diabolic Night, Trivax, Whipstriker, Zerre, Total Hate, Apocalyptic Raids, Witchburner, Hellbutcher, Deathhammer, Ancient, Destroyer 666, Absu, Exhorder und Tabula Rasa
Konzert vom 28./29.11.2025 | Jahnhalle, Hirschaid

Der Opener zum Samstag hat beim Braincrusher häufig etwas von Lokalpatriotismus. MOTÖRCULT aus Memmingen sind als letzte Band ins Line-Up gerückt und implizieren schon mit der Schreibweise des eigenen Namens, in welche Richtung es hier gehen könnte. Tatsächlich ist Lemmy Kilmister nicht die verkehrteste Referenz, auch wenn der süddeutsche Fünfer deutlich rotziger klingt. Noch ein wenig VENOM-Schlamm dazu, sowie etwas aus dem Black-/Thrash-Giftschrank und der Auftakt ist perfekt. Wenig virtuos, dafür ohne Umschweife voll auf die Zwölf wird das Ganze auch vom Publikum goutiert.

Diesen Knoten lösen DIABOLIC NIGHT schließlich mit einer ganz anderen Herangehensweise auf. Schon um die frühe Mittagszeit ist die Jahnhalle gut gefüllt und man möchte offenbar kollektiv einer traditioneller orientierten Herangehensweise des Black-/Speed-/Thrash-Metal lauschen. Das Projekt um Bandkopf Heavy Steeler braucht nur wenige Songs, um etwa bei „Pandemonium“ oder „Vicious Assault“ klare Einflüsse von Heavy Metal und NWOBHM spürbar zu machen und damit dem eigenen Sound Druck, aber auch eine gewisse filigrane Ader zu verleihen. Unterm Strich machen die Nordrhein-Westfalen richtig Spaß und sind im Mittagsprogramm ein starkes Ausrufezeichen.

Sind die letzten Riffs gerade verklungen, schickt sich eine brasilianische Planierraupe an, die Jahnhalle und seine Insassen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuschmettern. WHIPSTRIKER verfügen nicht nur über diese südamerikanische From-Dusk-Till-Dawn-Coolness zwischen Sonnenbrillen und Nihilismus, sondern machen auch mit ihrem schnörkellosen Thrash-Metal zunächst richtig Laune. Die Hauptstädter liefern wenig Abwechslung, dafür viel Attitüde. Durch den verstärkten Groove-Charakter des Ganzen baut sich der Sound breitbrüstig auf, wird aber auf Dauer auch eintönig bis zäh. Nach 40 Minuten sind der Peitschenhiebe endgültig genug verteilt.

Den vielleicht besten Sound des Tages erwischen ZERRE, und das spielt den Würzburger Thrash-Metallern bemerkenswert in die Karten. Mit ihrem aktuellen Album „Scorched Souls“ fahren die Franken eine noch eindeutigere Metal-Kante und reißen dieses in einer dynamischen Vollständigkeit ab, dass jedem Rifffetischisten die Spucke fernbleibt. Man merkt der jungen Band gleichzeitig ihre noch vorhandene Wildheit an und kann sich gleichsam darauf verlassen, dass hier jeder Ton sitzt – auch weil ZERRE überall ein gern gesehener Live-Gast sind und folglich genug Spielerfahrung vorhanden ist. Das Publikum kann sich der überschäumenden Aggression jedenfalls nicht erwehren und entlädt sich spätestens beim abschließenden METALLICA-Cover „Whiplash“ völlig.

Im Anschluss frönen APOCALYPTIC RAIDS ihren Helden von HELLHAMMER/CELTIC FROST in gewohnter Lo-Fi-Montage und lassen die Entfernung zwischen Brasilien und der Schweiz auf 666 Kilometer schrumpfen. Die bissigen Songs erinnern uns natürlich an die Landsleute von SARCOFAGO oder die ganz frühen SEPULTURA, was natürlich unheimlich Laune macht. Gleichzeitig benötigt man für diese Art von Musik eigentlich einen anderen Aggregatzustand (flüssig) oder echte Leidenschaft um so richtig in Partystimmung zu kommen. Beides ist heute nicht flächendeckend in der Jahnhalle vorhanden. Vielleicht muss ein Großteil des Publikums aber einfach vom vorangegangenen ZERRE-Gig verschnaufen.

WITCHBURNER versuchen anschließend, ihr mittlerweile über 30 Jahre bestehendes Vermächtnis auf der Bühne erstrahlen zu lassen. Beziehungsweise verlegt ein Gitarrist die Show kurzerhand in den Fotograben und dann direkt in den Zuschauerbereich. Anfangs kommt das schon ganz cool, später ändert sich unsere Wahrnehmung von „geiler Typ“ langsam in Richtung „schon wieder?“ bis zur dezenten Fremdscham. Warum? Weil der Funke bei aller Mühe leider nicht aufs Publikum überspringt und die Halle in diesem Augenblicken auch nicht so gut gefüllt ist, wie sie heute schon einmal war. Das diffuse Licht sorgt auch nicht für das Arena-Feeling, womit der Auftritt zu einem schizophrenen Gesamterlebnis aus guten Songs, ambitionierter Performance und niederträchtiger Präsentation wird.

Im Anschluss liefern DEATHHAMMER einen memorablen Gig, den man wohl auch über das Jahr 2025 so schnell nicht vergessen wird. Dabei beginnt eigentlich alles erst einmal recht unauffällig, sofern man dieses Prädikat bei den irren Norwegern überhaupt hinterlassen kann. In jedem Fall eröffnen sie mit „Abyssic Thunder“, dem Opener des hervorragenden aktuellen Albums „Crimson Dawn“, den infernalischen Reigen und sensen sich in Hochgeschwindigkeit durch hektische Speed-Riffs, Araya-Screams und den richtigen Riecher für gutes Songwriting in völligem Chaos. Immer häufiger fordert Frontmann Sergeant Salsten die Menge dazu auf, mehr zu eskalieren und sich gegenseitig die Köppe einzuhauen. Das geht solange gut, bis sich die bis zum Siedepunkt gekochte Suppe gegen ihn selbst entlädt und ein Langfinger diesem die Setlist stibitzt. Als Salsten dann bemerkt, dass dieser Diebstahl der Entmannung eines Pornostars gleichkommt, rastet er ziemlich aus und belegt das gesamte Publikum mit Fluchtiraden. Von der Gegenseite ertönt ein chorales „Fuck You!“. Am Ende vertragen sich doch irgendwie alle wieder, auch wenn DEATHHAMMER ob des schweren Verlustes nur noch einen Demo-Song zusammengeschustert bekommen. Am Abend herzt der Fronter noch viele seiner ehemaligen Feindbilder – es wird eben doch meistens alles gut.

Veranstalter Norbert Gareis beweist immer wieder guten Geschmack beim Booking und erfüllt sich laut eigener Aussage auch immer wieder kleine Träumchen dabei. EXHORDER müssen auch eine Herzensangelegenheit von ihm sein, denn aus dem Billing fallen die US-Groove-Thrasher definitiv raus. All die Jahrzehnte merkt man der Band im positiven Sinne auch an, denn immerhin lassen sich die Musiker vom mehr und mehr schwindenden Publikum nicht aus der Reserve locken und zocken ihr Set super souverän herunter. Selbst „Slaughter In The Vatican“ lässt kaum Stimmung aufkommen und während uns das Herz blutet, sorgt die Ankündigung von Kyle Thomas, dass nun „Into The Void“ von BLACK SABBATH folgt dafür, dass ein Raunen durch die Reihen geht. Die Zauberworte „BLACK SABBATH“ lässt also noch einmal alle Anwesenden die Köpfe wippen, was natürlich schade ist, weil EXHORDER eigentlich mehr verdient haben.

Den Abschluss bilden die Österreicher von TABULA RASA. Insider:innen wissen natürlich, dass es sich hierbei um ein Konglomerat aus dem Schmelztiegel der Abtenauer Szene („House Of The Holy Festival“ oder einfach „Die Alm“) handelt. Alleine diese Prädikat scheint die Band bei vielen unantastbar zu machen, wobei ein Vergleich zu einer Band wie ARSGOATIA (gleiches Lager) lächerlich ist. Wir fühlen uns teilweise unwohl, wenn wir den lyrischen Ergüssen und der schlechten Intonation des Sängers lauschen, den viele für ein anderes Szene-Mitglied halten mögen. Und so stellt auch die Darbietung einen – wesentlich schlechteren – Abklatsch anderer Acts dar und wir verabschieden uns frühzeitig in Richtung Aftershowparty, die heute spärlich besucht ist.

Wieder geht ein Wochenende mit viel Gastfreundlichkeit, tollen Bands, einer familiären Atmosphäre zu Ende. Sergeant Salsten besteht zwar auch Stunden nach dem „Setlist-Eklat“ noch immer darauf, dass in der Halle ausschließlich „Motherfu**er“ sind, was wir aber nur als Randnotiz und der Vollständigkeit halber aufnehmen.

Text: Patrick Olbrich, Oliver Di Iorio

Fotos: Natalia Sokolowska

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09.12.2025

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