Wehmut, Wucht und Wiegedood
De Doden Hebben Het Goed III - Tour 2018

Konzertbericht

Billing: Wiegedood
Konzert vom 06.06.2018 | Beatpol, Dresden

Fanboy-Feeling im Freistaat: Die Kollegin ist hochvorerfreut, das Gastspiel von WIEGEDOOD in Dresden zu verfolgen. Die flüssige Anreise und der mühelose Parkplatzfund am Beatpol lassen jedoch vermuten, dass die Belgier hier eher mäßigen Andrang lostreten. Zehn Minuten vor geplantem Konzertbeginn kauen schwarzgekleidete Gestalten noch müde am Dönerprodukt von gegenüber. Im Club selbst genießt die Bühne die beinahe stecknadelfalltaugliche Ruhe vor dem Sturm. Eine meditative Stimmung macht sich breit, befeuert vom rot leuchtenden WIEGEDOOD-Logo am Backdrop.

WIEGEDOOD – who’s in?

Kaum überraschend, dass es noch eine halbe Stunde dauert, bis die Nebelmaschine angeworfen wird. Das sich anhaltend nach und nach einfindende Publikum füllt das Haus immerhin halb. Etwas mehr Zulauf gönnt die Kollegin dem Black-Metal-Trio dann doch. Allerdings bedienen sie nun nicht zwingend den Geschmack der Mehrheit. Bleibt zu hoffen, dass die nahende Gentsche Saat auf dankbaren Boden fällt.

Die Bühne des Beatpols Dresden

Der Beatpol ruht. Noch.

Nachdem nun die Sicht im Raum bis auf fünf Meter vernebelt ist, gehen WIEGEDOOD nach kurzem Stimmen kommentarlos zu Werke. Die Kollegin, sich dienstbeflissen mit der fotografischen Dokumentation befassend, durchlebt eine Schrecksekunde. Gut klingt das nicht. Hohl, dünn und der Gesang ist kaum auszumachen. Seit dem Roadburn im Frühjahr wurde ihr ein Abriss vorhergesagt – und nun?! Geduld. Denn mit Abschluss der Knipsarbeiten und des Openers begibt sie sich zum Schallwellenschnittpunkt kurz vor der Raummitte. Und wird dort vom sich findenden Sound des nächsten Tracks beruhigt. Die Kamera versinkt im Beutel, die Kollegin in der Musik.

Auf der Suche nach Anstand

Sofern das laut quarkende Konzertbesucherinnen zulassen. Die Atmosphäre des Gitarrenintros von „De Doden Hebben Het Goed III“ muss sich leider gegen ungedämpfte Unterhaltungen behaupten. Auf Einsicht und Besserung hofft man vergeblich, wie eine unschöne Wiederholung später zeigt. Doch der Großteil des übrigen Publikums ist aus erfreulich anderem Holz geschnitzt und wertschätzt das Dargebotene.

Gitarrist und Sänger Levy Seynaeve beim Konzert von Wiegedood in Dresden

Levy Seynaeve berserkt im faden Licht

Etwas anderes fällt auch schwer. Wer auf klassische Bühnenshow, Publikumsinteraktion und aufwändige Lichttechnik erpicht ist, wird hier wohl enttäuscht. Wer WIEGEDOOD beim ernsthaften Malträtieren ihrer Instrumente beiwohnen möchte, nicht. Schlagzeuger Wim Coppers scheint bei Einsätzen wie zu „De Doden Hebben Het Goed III“ die Toms zu spalten. Mit Hören hat das mittlerweile nur noch am Rande zu tun, eher wird man körperlich von der Druckwelle erfasst. Unfassbar. Unfassbar laut und unfassbar gut ist zumindest das Schlagzeug abgestimmt.

Zwischen Wahnsinn und Wehmut

Allerdings dürfte es die Lautstärke für Laufkundschaft erschweren, die Melodien zu verfolgen. Stellenweise geht auch Levy Seynaeves wütendes Gekeife im Geknüppel unter. Wer die Platte aber gut im Ohr hat, genießt deren unmittelbaren, brachialen Vollzug auf der Bühne. Als die ersten Takte von „Doodskalm“ den Saal durchfegen, gibt es für das fiese Ziehen in der Magengrube der Kollegin kein Halten mehr. Der absolute Hingabemodus ist aktiviert: alle Kanäle auf Empfang, maximaler Lidschluss, die Melancho-Transmitterfreisetzung läuft hochtourig.

Wiegedood während ihres Konzerts in Dresden

WIEGEDOOD – wenig Aufriss, viel Abriss.

Wissend, dass die wohl acht intensivstmöglichen Minuten bevorstehen, macht sich in ihr ein Gefühl breit, das abgedroschen, aber treffend als bittersüß zu beschreiben ist. Quälend langsam bauen WIEGEDOOD die bestens bekannte Spannung auf, die in dem Leitmotivsolo ihren Höhepunkt findet. Einen derartigen emotionalen Pegel riefen bisher nur KLONE und AMENRA hervor.

Veni, vidi, WIEGEDOOD

Der umstehenden Hörerschaft geht es scheinbar ähnlich. Die Raserei aus den Boxen spiegelt sich kaum im Publikum wider, viele verfolgen sie gebannt und eher statisch. Der Genuss jeder Minute ist auch nachdrücklich angeraten: Nach einer Stunde beenden die Belgier ihr Set, das – oh Wunder – vor allem von Tracks der „De Doden Hebben Het Goed III“ geprägt ist. Kurz und gut. Der Nachhall währt um einiges länger.

Eine Woche sind WIEGEDOOD noch auf Europa-Tour unterwegs – wer irgend die Möglichkeit hat, einem dieser Termine beizuwohnen, dem sei es sehr dringend empfohlen.

 

 

09.06.2018

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