
NOVEMBRE übertreiben es, und zwar so richtig! Neun Jahre liegen zwischen dem neuen Album „Words Of Indigo“ und seinem Vorgänger „Ursa“ (2016). Und zwischen diesem und dem vorherigen Album „The Blue“ (2007) liegen ebenfalls neun Jahre. Die Veröffentlichungsfrequenz ist ja noch schleppender als Doom. Die spinnen, die Römer!
Die spinnen, die Römer!
Gut, das war übertrieben, aber so lange die eigenen Fans warten zu lassen grenzt schon irgendwie an Folter. Denn auch wenn NOVEMBRE in der breiteren Wahrnehmung bisher eher unterbewertet blieben, schätzen die Anhänger die 1990 als CATACOMB gegründeten Italiener für ihren atmosphärischen, melodischen wie melancholischen Doom, Dark, Gothic und Progressive Metal. Zumindest qualitativ liefert die 1993 in NOVEMBRE umbenannte Band immer ab. Und auch sonst gibt es einige Konstanten.
NOVEMBRE – einige Konstanten
Erneut hat sich Dan Swanö (OPETH, KATATONIA, BLOODBATH) um Mix und Mastering von „Words Of Indigo“ gekümmert. Auch beim Cover Artwork gingen NOVEMBRE keine Experimente ein, Travis Smith (OPETH, KATATONIA) hat damit schon das insgesamt fünfte Album der Band visuell veredelt.
Frontmann Carmelo Orlando (Gesang, Gitarre und Keyboard) ist beständig der Fels in der Brandung. Aber, auch das kennen wir schon von der Gruppe, der Rest hat sich seit „Ursa“ geändert. Die neuen Mitglieder sind Alessio Erriu und Federico Albanese an den Gitarren, Fabio Fraschini am Bass und Yuri Croscenko am Schlagzeug. Die personellen Veränderungen haben an der stilistischen Ausrichtung des neunten Albums „Words Of Indigo“, mit dieser charakteristischen Mischung aus teils progressiv angehauchtem, atmosphärischer, völlig unkitschigem Dark-, Doom- und Gothic Metal, aber keine großartigen Auswirkungen. Sie bleiben sich treu – typisch NOVEMBRE.
Typisch NOVEMBRE
Lange Stücke, in welchen dynamisch zwischen rockig progressiv, wehmütig getragen, akustisch balladesk und wütenden Ausbrüchen abgewechselt wird und alles zu einer von Melancholie getragenen Einheit verschmelzt. Sehnsuchtsvoller, emotionaler Klargesang von Carmelo, akzentuierende Growls, die leider manchmal etwas dünn wirken, schwelgerische Moll-Riffs und gotische Leads, warme Synthetikflächen und progressive Bassläufe. Die warme Produktion unterstützt die vielfältigen, facettenreichen Klangwelten von NOVEMBRE.
Die starten leidenschaftlich mit dem siebeneinhalbminütigen „Sun Magenta“. Zunächst ruhig, nimmt der hymnische Song Tempo und Intensität auf, Melodien- und Dynamik-Wechsel, kurze Raserei, treibende Wehmut bis doomig infernalisch, elegante, samtweiche Harmonien kontrastiert von wuchtigen Riffs. Melancholisch atmosphärischer, epischer wie druckvoller Breitwandsound. Ein Wechselbad der Gefühle geben uns NOVEMBRE mit „Statua“. Zwischen herrlich dunkler Brachialität mit harschen Growls und sanfter Stimme, kurze Piano-Intermezzi treffen auf Siebziger OPETH Akustik-Parts, wunderbar ineinander verschachtelt und verwoben. Gänsehaut, ohne großen Refrain. Auch bei „Neptunian Hearts“ dürfen Vergleiche herhalten: hier treffen die Verspieltheit älterer KATATONIA auf die Romantik von ALCEST, ohne dass NOVEMBRE bei den einen oder anderen kopieren. Zwischen gefühlvoll zart bis kraftvoll mit mächtigen Growls, dazu dramatische Streicher.
Eine weitere Facette erleben wir mit „House Of Rain“. Hier gibt sich Orlando ein Duett mit Gastsängerin Ann-Mari Edvardsen (THE 3RD & THE MORTAL). Halbballadesk, gefühlvoll traumhafter Soprangesang, orchestraler Bombast, Dramaturgie und elegische Melodien entführen zum nostalgischen Gothic Metal der Neunziger.
Weitere Höhepunkte auf „Words Of Indigo“ sind das dynamische, progressive „Brontide“ und das klangvoll mitreißende „Post Poetic“, dass den melodischen wie melancholischen NOVEMBRE-Sound prima zusammenfasst. Beide werden noch von „Your Holocene“ übertroffen. Der einprägsame Song lebt von tollen, eingängigen Achtziger-Riffs und Mega-Hooks, ein echter Ohrwurm. Und bedrückend schön.
Bedrückend schön
NOVEMBRE haben neun Jahre nach dem starken „Ursa“ nichts an Qualität eingebüßt. Das vielseitige „Words Of Indigo“ ist atmosphärisch dicht, in sich stimmig, lebt von vielen Melodien, feinen Details, verspielt-progressiven Momenten. Im direkten Vergleich hat die neue GREEN CARNATION die Nase vorn, aber das ist schon richtig stark, was die Italiener da abliefern. Da kann man nur hoffen, dass es nicht wieder neun Jahre dauert, ehe NOVEMBRE das nächste Kapitel aufschlagen.

Novembre - Words of Indigo
Markus Endres



















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