Unexpect - Fables Of The Sleepless Empire

Review

Aaarrrgh! Die Sickos aus Montréal sind zurück! Es passiert mir nicht oft, dass ich auf ein Album so gespannt bin wie auf „Fables Of The Sleepless Empire“ aus dem Hause UNEXPECT – der Vorgänger „In A Flesh Aquarium“ zeigte bereits die progressiven Abgründe auf, in denen Syriak, Leilindel & Co. wandeln, konnte mich jedoch nicht auf allen Ebenen überzeugen. Wovon mich „In A Flesh Aquarium“ aber ohne jeden Zweifel überzeugte, ist das künstlerische Feuer, das in den sechs Jungs und dem Mädel lodert – und das es nun in greifbarere Formen zu gießen galt. Aber wie gießt man Feuer in eine Form?

Bevor ich mich an einer Antwort auf diese Frage versuche, muss ich anmerken, dass UNEXPECT dieser Tage nur noch zu sechst arbeiten: Elektronik-Fachmann Exod hat seinem Name alle Ehre gemacht und die Band nach den Aufnahmen zu „Fables Of The Sleepless Empire“ verlassen, um sich auf sein Solo-Projekt I FURY zu konzentrieren. Glücklicherweise sind seine Künste der elektronischen Klangerzeugung in den elf Songs noch zu bewundern, denn diese waren und sind integraler Bestandteil des progressiven Gebräus, das UNEXPECT dem geneigten Hörer servieren. Ob die Québécoises würdigen Ersatz für Exod finden, ist meines Erachtens ernsthaft zu bezweifeln…

Nun aber zur Musik des schlaflosen Imperiums: Der Opener „Unsolved Ideas Of A Distorted Guest“ wiegt mich ganze fünfzig Sekunden in der vermeintlichen Sicherheit, dass UNEXPECT möglicherweise in etwas geordneteren Bahnen vorgehen – dann bricht die Prog-Hölle los. Und findet erst gute 55 Minuten später ihr Ende. Man muss zugeben, dass UNEXPECT – im Kontext ihrer bisherigen Veröffentlichungen jedenfalls – nicht ganz so unerwartet agieren wie ihr Name es nahelegt. Dennoch ist ihre Musik – diese Mixtur aus Polyrhythmik (toll: „The Quantum Symphony„, dessen Anfang auch von THE DILLINGER ESCAPE PLAN stammen könnte…), wunderbar abwechslungsreichen Gitarren, neunsaitigem (!) Bass, immer wieder aufblitzenden klassischen Versatzstücken von Geige und Bratsche, abgefahrener Elektronik (wieder „The Quantum Symphony“ – Drum’n’Bass galore…), facettenreichen Vocals und und und … – Unbeteiligten extrem schwer zu beschreiben. Es ist, als hätten UNEXPECT alle ihre Ideen in einen Topf geworfen, mehrere Male kräftig umgerührt und daraus ein schillerndes Juwel geformt.

So weit die Ähnlichkeit zu „In A Flesh Aquarium“. Doch tatsächlich haben UNEXPECT auf „Fables Of The Sleepless Empire“ (ich würde ja zu einer Abkürzung greifen, aber…) zwei scheinbar unlösbare Aufgaben gemeistert: Einerseits ist der Sound des Albums deutlich differenzierter und trockener, aber dennoch druckvoller ausgefallen als der der 2006er Veröffentlichung. Es ist zweifellos eine Kunst, diesen Wust aus Motiven, die von allen Seiten hereinbrechenden Spielereien, so zu beleuchten, dass dem Hörer nichts entgeht – zumindest nicht aufgrund der Produktion (ich wünschte mir echt, ich hätte die Kapazitäten, das alles aufzunehmen…). Die zweite Hürde, die UNEXPECT nehmen, ist die… ich nenne es mal „Hörbarkeit“, von Eingängigkeit kann nämlich keine Rede sein. Wie selbstverständlich bügeln mir die Songs ohne mit der Wimper zu zucken die Gehirnwindungen gerade – aber das Ganze hat nun eine stärker spürbare Richtung, wenn das irgendwie verständlich ist. Das um sich greifende kreative Feuer UNEXPECTs wurde also tatsächlich in Bahnen gezwängt(?), die es deutlich besser ermöglichen, das Resultat als kohärentes, in sich geschlossenes Kunstwerk anzuerkennen.

Also: Wer „normalen“ Prog Metal langweilig findet, (frühe) THE DILLINGER ESCAPE PLAN zum Einschlafen hört und zu den Norwegern von SHINING seine Yoga-Übungen macht, wird an UNEXPECT seine wahre Freude finden. Wer gern mal die Kinnlade fallen lässt, natürlich auch…

28.09.2011

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1 Kommentar zu Unexpect - Fables Of The Sleepless Empire

  1. Stefan sagt:

    Das mit der FOTSE hat lange gebraucht bis es ankam. Definitiver Pflichtkauf, nachdem der Vorgänger schon so herrlich wahnsinnig war.