
Kamelot
"Lasst diese Musik einfach in ihrer eigenen kleinen Welt existieren und genießt es!"
Interview
In einer alten Enzyklopädie vom Rock Hard hatte Johannes mal gelesen, dass Glenn Barry in die Band kam, als er sich spontan den Bass umschnallte, weil sich Sean Tibbets bei einem Gig verletzt hatte, oder so ähnlich. Stimmt das eigentlich oder ist das eine urbane Legende?
Nein, das ist später passiert, nachdem wir den Plattenvertrag bekamen. Sean hat auf den Demos gespielt, aber er wurde ungeduldig und hat uns verlassen. Also kam Glenn in die Band. Wir sind aber Freunde geblieben und als Glenn mal bei einem Gig in Florida tatsächlich nicht spielen konnte, hatte ich Sean angerufen, weil er das Material ja kannte. Das passierte sogar mal bei einer vollen Tour für ein Album … ich glaube, es war “Karma”.
Schön, dass wir das klären konnten. Könntest du dir eigentlich vorstellen, ein oder zwei der ganz alten Songs wieder in die Setlist zu packen, nun, da die Alben wiederveröffentlicht werden? Falls ja – welche würdest du aussuchen?
Das ist eine gute Frage. Es gibt eine Reihe starker Songs auf den Alben, die auch zu unserem aktuellen Stil passen würden. Ich müsste das mit der Band und vor allem unserem Sänger Tommy Karevik besprechen. Es kommt darauf an, mit was er sich wohlfühlt. Aber ich habe auch schon daran gedacht, beispielsweise “Call Of The Sea” oder “Sin” zu spielen … aber das ist noch nicht zu Ende gedacht. Interessant wäre es auf alle Fälle. Es hängt auch ein wenig davon ab, wie viele Leute das interessieren würde. Unser Publikum hat sich entwickelt. Viele kennen die alten Stücke gar nicht. Welche würdest du denn nehmen?
Puh, mein Favorit ist die “Siége Perilous” und ich mag “Where I Reign” sehr. Vom Debüt vielleicht “Black Tower”? [An dieser Stelle muss ich mich nachträglich noch einmischen: Ich würde neben den genannten sowohl den Song “Eternity” als auch “The Gleeman” und “King’s Eyes” für passend erachten! – Anm. JW]
Wie waren denn die Reaktionen von Presse und Fans auf “Eternity” damals?
Ehrlich gesagt hat es mich damals völlig umgehauen. Wir haben natürlich hart gearbeitet und waren überzeugt von dem Material, aber dann wurden wir “Bestes Metal-Debüt seit Jahren” im Rock Hard genannt. Wir gewannen Soundchecks und bekamen viel Presse. Wir hatten auch einige Tour-Angebote, was in gewisser Weise zu Problemen in der Band führte, aber die grundsätzliche Resonanz war einfach großartig.
Also seit ihr mit dem Debüt auch auf Tour gegangen?
Nein, aber uns wurde ein Paket mit VIRGIN STEELE angeboten. Einige in der Band sagten dann “Ich kann nicht für zwei Wochen weg sein”, und ich antwortete: “Zwei Wochen sind gar nichts!” Daraus konnte ich schon erkennen, dass das noch ein schwieriges Thema werden würde. Wir haben dann einvernehmlich erkannt, dass das langfristig zu nichts führen wird, weil mein Ziel von Anfang an war, KAMELOT fulltime zu betreiben.

Was hattet ihr euch für euer zweites Album “Dominion” vorgenommen?
“Dominion” war sinfonischer, würde ich sagen. Außerdem war es moderner und bewegte sich vom traditionellen Power Metal auf “Eternity” weg. Das waren unsere Ziele und wir haben sie erreicht. Es sind einige wirklich coole Songs auf dem Album. Man kann Wachstum und Entwicklung im Songwriting hören.
Die Produktion ist relativ ähnlich wie beim Debüt. Ich hatte gehofft, dass wir mit diesem Album auf Tour gehen könnten. Aber die eben angesprochenen Probleme tauchten wieder auf und das führte zur Trennung dieser Besetzung.
Das ist nachvollziehbar, wenn derartig unterschiedliche Interessen bestehen.
Ja, an dieser Stelle vielleicht ein kleiner Ratschlag für alle, die ähnliche Ziele haben: Man muss sich der Sache völlig hingeben. Wenn du es nur zum Spaß nebenbei machen willst, ist das in Ordnung, aber verschwende damit nicht die Zeit derer, die Energie darin investieren, es in Vollzeit machen zu wollen. Pack’ dein Herz und deine Seele da rein und schaue nicht zurück!
Ein sinnvoller Ratschlag. Du hast außerdem indirekt unsere nächste Frage beantwortet: Wir waren auch der Meinung, dass “Dominion” sinfonischer, progressiver und rauer ist. Das war also auch bewusste Absicht.
Absolut. Anfangs war ich einfach noch sehr von MAIDEN und PRIEST beeinflusst, dann kamen QUEENSRYCHE und New-Age-Musik dazu. Ich wollte all diese Einflüsse nutzen, um KAMELOT einzigartiger zu machen. Wir wollten uns von anderen Power-Metal-Bands abheben. Es war mir sehr wichtig, dass wir einen eigenen Sound haben.
Welches der beiden Alben magst du persönlich lieber?
Das ist sehr schwer zu sagen, weil “Eternity” natürlich der Anfang von allem war. Es bringt Erinnerungen an die Zeit im Studio zurück. Ich persönlich finde beide gleich gut. Auf “Eternity” gibt es beispielsweise in “The Gleeman” Stellen, die du nicht auf “Dominion” finden würdest. “Dominion” ist aber moderner. Für mich sind sie gleichwertig.

Wenn wir jetzt noch über “Siége Perilous” sprechen: Würdest du zustimmen, dass es eine Art Übergangsalbum ist, weil es größtenteils noch im alten Stil, aber mit neuem Sänger gehalten ist?
Ja. Ich hatte die sinfonischen Elemente weiter ausgebaut und das leitete in den Sound von Alben wie “The Fourth Legacy” und “Karma” über. Es ist die perfekte Brücke vom Sound unserer Anfangstage zu dem, was wir jetzt machen.
Hat sich die Entwicklung nach “Siége Perilous” dann organisch ergeben oder war das erneut eine bewusste Entscheidung?
Das war eine bewusste Entscheidung, mit mehr Keyboards und mehr Double Bass zu arbeiten. Außerdem haben wir bewusst ‘europäischer’ produziert. [KAMELOT wechselten ab da zu den Gate-Studios in Wolfsburg und arbeiteten mit Sascha Paeth zusammen – Anm. d. Red.] Die US-amerikanischen Produktionen zu der Zeit waren meist sehr rau und “in your face”. Ich bin aber mit ACCEPT und HELLOWEEN aufgewachsen und die hatten kristallklare und verdichtete Produktionen. Ich wollte die Produktion auf ein neues Level heben.
Man erzählte unserer Generation immer gern, dass in den Neunzigern vor allem Grunge, Extreme Metal und Industrial das Feld regierten. Hat das für euch und eure Musik jemals Schwierigkeiten bedeutet?
Damals habe ich ehrlich gesagt überhaupt nicht darüber nachgedacht. Ich denke diese Bewegungen waren eher für die L.A.-Glam-Metal-Szene ein Problem. Deswegen konzentrierte ich mich auch auf Europa, weil ich dachte, dass Grunge und Co. dort nicht so viel Einfluss hatten. Aber ich habe nie viel darüber nachgedacht, weil ich generell versuche, nicht über Dinge nachzudenken, die meinen Zielen im Weg sind.
Es ist wie mit der Veränderung von CDs zu MP3s zum Streaming und jetzt wieder CDs und Vinyl, zumindest bei unseren Fans. Ich versuche mir um solche Veränderungen keine Sorgen zu machen. Das betrifft auch alle anderen Musikrichtungen die irgendwann mal einen Trend hatten. Wir haben eine Fanbase mit unserem Nischen-Sound. Ich mache das seit 30 Jahren uns sehe Fans der ersten Stunde ebenso wie zwölfjährige Kids, die neu dabei sind.
Ich bin ein großer CD-Fan und kaufe immer noch welche.
Awesome. Es macht mich stutzig, wenn Künstler:innen sagen, dass die Leute keine CDs mehr kaufen. Ich frage mich, was sie meinen? Natürlich sind die Zahlen eingebrochen, aber die Menschen kaufen eindeutig noch CDs.
Ihr habt auch schon schicke Earbooks gemacht. Solange die noch produziert werden, werde ich sie auch immer kaufen. Ich mag dieses Format sehr.
Wunderbar! Ich stecke auch sehr viel Zeit und Energie in unsere Designs und die Verpackungen. Das war vom Anfang an meine Philosophie. Schon in die Demos haben wir die gleiche Energie investiert.
Also hast du dich auch selbst um die Aufmachung und Zusammenstellung der “Ascension”-Box gekümmert?
Ja, ich habe sehr eng mit BMG gearbeitet. Ich muss sagen, sie haben klasse Arbeit geleistet. Sie haben die Ideen schnell umgesetzt die Testpressungen pünktlich aus Europa geliefert. Ich habe vorher noch nicht mit ihnen gearbeitet, weil sie ja den Noise-Katalog aufgekauft haben, aber ich bin froh, mit ihnen zusammengearbeitet zu haben.
Habt ihr jemals darüber nachgedacht, einige der älteren Sachen neu aufzunehmen?
Nein, denn das kostet viel Zeit und das meiste Zeug ist so einzigartig, dass ich denke, dass es keinen Sinn hätte, es mit einem anderen Sänger und so weiter neu aufzunehmen. Lasst diese Musik einfach in ihrer eigenen kleinen Welt existieren und genießt es!
Das ist doch ein schönes Schlusswort!
Danke für das Interview! Hoffentlich treffen wir uns auf Tour noch persönlich!
Galerie mit 21 Bildern: Kamelot - Awaken The World Tour 2023

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| Band | |
|---|---|
| Stile | Epic Metal, Power Metal, Symphonic Metal |
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