Pharaoh
Die Mächte hinter dem Spiegel – Im Interview mit Matt Johnsen zu “The Powers That Be”

Interview

Der ewige Geheimtipp PHARAOH hat nach langer Wartezeit seit dem Vorgänger “Bury The Light” soeben sein nunmehr fünftes Album “The Powers That Be” veröffentlicht und damit nach WITHERFALL die zweite große Bombe im US Metal für dieses Jahr gezündet. Progressive, niemals selbstverliebte Songstrukturen, innovative Gitarrenarbeit und hochmelodische, zu keiner Zeit kitschige Vocals setzen eigentlich internationale Standards. Warum PHARAOH sich trotzdem eher als Studioband sehen, was es über Jon Schaffer zu sagen gibt und welche klassische deutsche Heavy-Metal-Band beim Songwriting eine Rolle spielte (und natürlich noch viel mehr) erzählt uns der sympathische Gitarrist der Band, Matt Johnsen, in einem tiefgründigen Interview, dass wir aus Gründen der Authentizität nicht kürzen wollten.

Pharaoh - The Powers That Be Cover Artwork

Pharaoh – The Powers That Be

Hey Matt! Zunächst mal tonnenweise Gratulation dafür, dass das Album endlich draußen ist. Die neun Jahre Wartezeit haben sich definitiv gelohnt.

Vielen Dank! Wir sind auch sehr aufgeregt darüber, dass die Leute es nun endlich hören können. Sorry, dass es so lange dauerte.

Warum hat es eigentlich neun Jahre gedauert, bis das Album erscheinen konnte?

Wie du dir vorstellen kannst, ist das die Frage, die gerade jeder hat, aber die Antwort ist ziemlich steigerungsfrei: Es gibt keinen besonderen Grund dafür, dass es so lange dauerte und die Zeit dazwischen fühlt sich, zumindest für mich, nicht groß anders an als die Zeit zwischen zwei unserer anderen Alben. Ich weiß natürlich, dass die Zeitspanne größer ist, aber ich schätze mal, das ist so, weil ich die ganze Zeit an dem Album gearbeitet habe. Oder zumindest daran gedacht habe, daran zu arbeiten.

Seien wir ehrlich. Bei uns gibt’s keine Kohle zu machen. Den Anreiz, schnell zu arbeiten, haben wir daher nicht. Wir haben Familien, Jobs, Leben und so weiter und die nehmen eben Vorrang ein. Durch unsere asynchronen Arbeitsweisen kam es dann dazu, dass sich die Verzögerung eines Bandmitglieds zu der eines anderen hinzuaddierte. Ehe wir uns versahen, war es überfällig, ein Album zu veröffentlichen. Entweder kommt das nächste Album viel, viel schneller oder überhaupt nicht raus.

Ich bin natürlich für schneller, aber momentan weiß ich genauso wenig wie du, wann wir das nächste Album machen, ha ha.

Alles in allem ist “The Powers That Be” ein relativ komplexes Album. Ihr habt es geschafft, die Progressivität von “Be Gone” und “Bury The Light” mit der epischen Eingängigkeit von “The Longest Night” zu verbinden, was es wie eine Essenz des PHARAOH-Sounds wirken lässt. Wie siehst du das?

Ich denke, wir sind bisher von Album zu Album komplexer geworden, was teilweise dadurch erreicht wurde, dass wir immer mehr Parts aufeinander geschichtet haben. Als wir dann “Bury The Light” mixten, war klar, dass da einfach zu viel los ist. Es gab so viele Gitarren-Overdubs, dass es fast unmöglich wurde, alles klar abzumischen.

Dieses Mal also versuchten wir das Feeling von Komplexität zu bewahren, ohne gleichzeitig so viele extra Parts zu benötigen. Das wiederum ließ den beiden ‘Chrisen’ [er meint Drummer Chris Black und Bassist Chris Kerns – Anm. d. Red.] mehr Raum sich zu entfalten. Wir haben etwas von der harmonischen Dichte durch rhythmische Komplexität ersetzt und wie immer wollen wir den Leuten auf den Schlips treten mit unseren Arrangements.

Das ist insgesamt eine schwierige Balance, denn wir machen im Grunde keine originelle Musik. Wir sind eine US-Power-Metal-Band, aber ich persönlich finde, der Knochen ist noch nicht so abgenagt, wie einige Leute gern behaupten. In den Achtzigern gab es haufenweise Bands, die sich selbst in diesem nischigen Subgenre immer weiter steigern konnten und ich denke, das ist nur vorbei, weil die Leute aufgehört haben, es zu versuchen.

Diese Musikrichtung ist aus der Mode gekommen, Metal-Musiker generell haben bestimmte Lektionen vergessen und so wie die Trends kamen und gingen, sind die Leute einfach weitergezogen. Wenn irgendjemand versucht hat, diesen Stil wieder zu bedienen, waren es meistens neu-inszenierte LARP-Versionen von Achtziger-Bands. Wir haben immer versucht, die Grundsätze weiterzuentwickeln, ohne ihnen den Rücken zuzudrehen.

Wann habt ihr mit dem Songwriting angefangen? Die Scheibe klingt ziemlich frisch, aber auch so, als würde sie direkt an “Bury The Light” anschließen.

Die Songs wurden wirklich direkt aneinander währen der vergangenen Jahre komponiert. Chris Black und ich haben 2013 angefangen, an neuem Material zu arbeiten. Mit einer Gitarre und einer Festplatte voller unsortierter Riffs bewaffnet bin ich für ein langes Wochenende zu ihm nach Chicago geflogen und wir ballerten in seinem Proberaum einfach so unseren Kram raus. Wie eine richtige Band von früher. Bei dieser Session entstanden “The Powers That Be”, “Ride Us To Hell”, “Dying Sun” und “Lost In The Waves” sowie ein paar andere Songs, die wir nicht beendet haben.

Die später beendeten waren auch noch längst nicht in ihrer finalen Version, aber immerhin schon ausgereift genug, um für mich zu Hause daran weiterzuarbeiten. Während der folgenden Jahre habe ich Riffs hinzugefügt, Parts umarrangiert und so weiter, bis ich zur endgültigen Version der Songs fand. Chris Kerns hat seine Stücke auch frühzeitig geschrieben, aber ich kam ewig nicht dazu, von ihnen Demos zu machen und sie zu beenden.

Chris Black hat vor allem Anderen “Freedom” geschrieben und das ist mehr oder weniger so geblieben, wie es war. Jeder andere Song hingegen hat sich entwickelt, während wie die Demos machten und Texte und Melodien dazu schrieben. Als wir schlussendlich aufnahmen, veränderten sich die Songs noch mal. Als Chris seine Drumparts fertig hatte, entschloss ich mich, die Gitarrenparts noch weiter zu entschlacken, als das auf den Demos bereits geplant war. Statt wie seit “The Longest Night” immer drei Rhythmusgitarren aufzunehmen, hab ich dieses Mal nur zwei, je hart links und rechts gepannt, recordet.

Ich musste ein paar Harmonien neu setzen und andere Veränderungen an den Gitarrenarrangements vornehmen, aber als das einmal erledigt war, fühlten sich die Songs völlig neu für mich an. Diese Veränderung hat sich drastisch auf die Art, wie wir den Gesang für dieses Album schrieben, ausgewirkt. Also ja, wir haben angefangen, Sachen zu machen, die nicht weit von “Bury The Light” entfernt waren, sind aber im Studio auf völlig neue Ideen gekommen.

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Quelle: Matt Johnsen / Fotos: Scott Kinkade
18.06.2021

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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