Eisregen, Schirenc Plays Pungent Stench und Maahes
Konzertbericht
Text: Sabine Langner & Oliver Schreyer
EISREGEN feiern 30 Jahre „Tod aus Thüringen“ – mit im Gepäck die kürzlich von der Indizierung freigegebene Scheibe „Krebskolonie“ und zwei Supportbands, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Name der Tour – „Krebskolonie Live 2025“ – soll sich im Laufe des Abends jedoch als etwas irreführend herausstellen.
Mumie oder nicht Mumie?
Den Anfang im noch locker gefüllten ORWOhaus machen die Bajuwaren von MAAHES, die mit ihrem selbsternannten „Ancient Black Metal“ direkt Atmosphäre auf die Bühne bringen. Das süddeutsche Trio (oder doch Quartett? Einer ging direkt zu Beginn verloren.) erinnert mit den „Fetzengewändern“ und den Bandagen unter den Kapuzen entfernt an Mumien. Das scheint aber auch das einzige zu sein, was sie musikalisch und/oder thematisch in irgendeiner Form mit den kommenden Acts verbindet. Denn die stark Keyboard-dominierte Mucke mit ägyptischem Bezug sorgt für einen durchaus geschmackvollen Einstieg in diesen Abend.
Österreichische Bad-Taste-Party
Aber der „gute Geschmack“ löst sich gleich im Anschluss restlos in Wohlgefallen auf, wenn Martin Schirenc, ehemaliger Gitarrist und Sänger von PUNGENT STENCH, seine eigene Ex-Band unter dem Deckmantel von SCHIRENC PLAYS PUNGENT STENCH covert. Aufgrund rechtlicher Streitigkeiten darf er den früheren Bandnamen nicht ohne Abschwächung verwenden.
Heute zeigt sich die Band bis auf den Drummer in Originalbesetzung, denn Jacek Perkowski, auch bekannt als Pitbull Jack, kehrt nach fast 30-jähriger Abstinenz ins Bandlager zurück. Die Band macht auch ihrem Alias alle Ehre und startet direkt mit „Pungent Stench“ in eine bunte Old-School-Setlist. Und die reicht von den gerade wiederveröffentlichten Demo-Tracks bis hin zum Album „Masters Of Moral, Servants Of Sin“. „For God Your Soul, For Me Your Flesh“, „Shrunken And Mummified Bitch“ oder auch das groovige „True Life“ aus der Spätphase der Band funktionieren an diesem Abend ausgezeichnet und bescheren den Anwesenden eine nostalgische Zeitreise voller ausgefeilter Geschmacklosigkeiten. Als das berüchtigte „Viva La Muerte“ das Set beschließt, wird eines klar: Die Welt braucht auch 2025 immer noch ein wenig PUNGENT-STENCH.
Mit feinstem Wiener Schmäh überspielt Schirenc bei seinen Ansagen immer wieder den Umstand, dass die heute nur die zweite Geige spielen und bedankt sich für den freundlichen Beifall. Zwar feiern einige Enthusiasten die Österreicher verdient ab, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gros heute Tambach-Dietharz zu seiner Herzenshauptstadt erkoren hat.
Der Tod ist ein Meister aus Thüringen
EISREGEN, die als Headliner „aufgeigen“ (Zitat: Martin Schirenc), sind seit Anbeginn ihrer Karriere für obskuren Humor sowie lyrischen FSK18-Content bekannt und leben ihren künstlerischen Ausdruck schon immer mehr oder minder frei aus. Love it or hate it.
Auch heute sind wieder zahlreiche Liebhaber des perfiden Todeshumors ins Berliner ORWOhaus gepilgert, um der Tonkunst der Thüringer um Sänger Michael „Blutkehle“ Roth zu lauschen. Insbesondere, wenn die Show unter dem Banner der berüchtigten „Krebskolonie“-Scheibe steht, die jüngst bis auf einen Track von ihrer Indizierung entbunden wurde. Endlich können wir die Songs unzensiert hören. Aber hat sich das Bohei um die Texte, die sowieso jeder Fan kannte, über die Jahre nicht längst relativiert?
Der Opener „Eisenkreuzkrieger“ stammt jedenfalls nicht von besagter Scheibe. Und auch nicht die folgenden Stücke. Die Stimmung ist trotzdem ausgelassen, steigt aber noch, als Roth endlich die Indexfreigabe von „Krebskolonie“ thematisiert. Nun sei ja „Wundwasser“ das böse Album, von dem sie uns bereits „Blutgeil“ kredenzt haben. Aber es folgen mit dem Titeltrack, „Nachtgeburt“ und „Scharlachrotes Kleid“ immerhin schon mal drei Titel, die dem Tournamen zu Ehre gereichen.
Dass EISREGEN unter dem Banner „Krebskolonie 2025“ zum 30-jährigen Bandjubiläum durch deutsche Städte touren, ließ zumindest vermuten, dass sie die Platte nach Indexlöschung und Wiederveröffentlichung in Gänze darbieten würden. Dem ist nicht so, denn in der ausgedehnten Setlist von siebzehn Tracks finden sich insgesamt lediglich vier Songs von „Krebskolonie“ wieder.
Die Setlist bietet vielmehr einen Querschnitt durch die Diskografie der Band, bei dem Klassiker wie „Herzblut“, „13“ und „1000 Tote Nutten“ nicht fehlen. Das Berliner Publikum kann selbstverständlich jeden „politisch inkorrekten“ Text mitgrölen. Zuweilen durchaus befremdlich, insbesondere für Menschen, die mit dem Schaffen von EISREGEN nicht so vertraut sind.
Und während vor der Bühne der Fan-Mob tobt, bestätigen spontane Gespräche mit ungläubig Dreinschauenden, dass der „Nostalgiekick“, längst nicht bei jedem einsetzt. Das anrüchig-aufsässige EISREGEN-Feeling von damals ist nach so vielen Jahren nicht mehr bedingungslos reproduzierbar und so lassen auch olle Kamellen heute den einen oder anderen kalt. Befindlichkeiten einer anderen Generation.
Ungeachtet dessen lässt sich der Rest willig von Roth und Co. dirigieren. Die Ansagen sind wie immer bissig-sarrrrkastisch und zeigen EISREGEN, wie wir sie kennen. Das Publikum feiert gebührend 30 Jahre Tod aus Thüringen. Den Abschluss bildet ein eigenwilliges Song-Triumvirat aus „Panzerschokolade“, „Elektrohexe“ und dem obligatorischen „T.H.Ü.R.I.N.G.E.N.“, mit dem sich die Herrschaften standesgemäß, obgleich ohne Fahnenträger:innen, verabschieden. Zurück bleiben gemischte Gefühle.
Um das Ganze noch einmal kurz zusammenzufassen – für uns zum Tanze geigten auf:
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Oliver Schreyer































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