A Land Beyond The Sea - Weltenwanderer

Review

Das Königreich Armenien ist vor ziemlich exakt 1700 das erste Opfer ihrer Raffgier gewesen. Ihr erster Gatte, Konstantin, hat sie groß werden lassen, aber auch ihre späteren Liebhaber – Kilian, Bonifatius, Karl der Große und viele andere – sind mit ihr ins Bett gegangen haben sich anschließend von ihr instrumentalisieren lassen. Sie hat viele Erscheinungsformen und Decknamen – unter dem Vorwand des Verbots gefährlicher Kulte, als Kolonialisierung, Rückerkämpfung heiliger Gebiete, als Eroberung und Bedrohung hat sie sich ausgegeben und Milliarden von Menschen terrorisiert.

Ich darf vorstellen: Die Christianierung.

Und gleichzeitig darf ich euch bekannt machen mit einem ihrer erbitterten Gegner: Das multiskandinavische Bandprojekt A LAND BEYOND THE SEA unter Führung von Finnlandemigrant, Gitarrist und Sänger Nikolas Sellheim hat offenbar nicht vergessen, zu welchen Gräueltaten sie fähig war (ist?) und welche unübersehbaren Spätfolgen für die Vernichtung von Traditionen und Kultur der Dämon Christianisierung zu verantworten hat. Dabei ist „Weltenwanderer“ zum Glück kein stumpfes Anti-Christentum-Black Metal-Werk im Stil der schlimmsten Exempel der Neunziger Jahre, sondern ein sowohl textlich-konzeptionell als auch musikalisch wohl ausgearbeitetes Mini-Album mit Anspruch (das übrigens all denen gewidmet ist, die „die Traumata der Kolonialisierung und Christianisierung erdulden mussten – in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“). Die Neunziger Jahre spielen trotzdem eine große Rolle für den Sound der Band, denn die melodiösen Gitarren, grummelnden Bässe und dezent eingesetzten, aber dann sehr atmosphärischen Keyboards passen eindeutig in diese Zeit.

Für das Debüt einer über halb Nordeuropa verstreuten Band ist „Weltenwanderer“ dabei ein erstaunlich reifes und homogenes Stück Musik geworden. Den Eindruck vermittelt schon das einleitende „Seafarer“, das mit Mastknarren, Schiffsglocken und Didgeridoo (!) stimmig beginnt und mit gleich einer ganzen Reihe außerordentlicher Hinhör-Riffs aufwartet. Stilistisch verorten sich A LAND BEYOND THE SEA irgendwo zwischen melodischem Midtempo-Black Metal, für den ganz grob ein Vergleich mit alten … AND OCEANS angemessen ist, leichten groovigen Death Metal-Einflüssen und minimalen Anklängen an irgendwas Proggiges („Landtaker“). Wenn’s nicht so konstruiert wirken würde, würde ich sagen: THE OCEAN, aber das wirklich nur ein wenig.

Die vier Songs sind dabei qualitativ ähnlich gelagert: Teilweise fantastisch zupackende Riffs (Killer: „I.N.R.I. Conqueror“!), viel versteckte Epik, mitunter auch ein wenig durchschnittliche Kost, dazu viel Doublebass, aber auch der eine oder andere Blastbeat. Auffällig ist neben der stimmlichen Vielfalt vor allem die wirklich zielsichere Umsetzung sowohl der Arrangements, als auch des Instrumentalen sowie der Produktion. Meckerei im Detail, etwa an dem ziemlich topfigen Snare- oder dem überhaupt etwas klinischen Drumsound, der manchmal etwas auffälligen Gleichförmigkeit oder nicht zwingend nötigen Überlänge der Songs oder der Tatsache, dass sich hier und da vielleicht eine elegantere Überleitung zwischen den einzelnen Parts angeboten hätte, fällt weniger ins Gewicht. A LAND BEYOND THE SEA steigen mit „Weltenwanderer“ trotzdem knapp unter einer Kaufempfehlung ein. Das muss man auch: Der erklärte Gegner ist eine erbarmungslose Drecksau.

05.07.2013

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