Vulture
"...und dann stehen die da in Jogginghosen"

Interview

Mit ihrem neuen Album „Sentinels“ wollen die Dortmunder VULTURE die Fans der letzten beiden Alben zusammenführen. Was das im Bezug auf den Heavy-Metal-Anteil des Quintetts oder bezüglich der Vertracktheit der Songs bedeuten mag, klärte ein gut gelaunter Gitarrist, Stefan Castevet, bereits im Februar im Zoom-Gespräch auf.

Hallo Stefan, ihr habt kürzlich mit „Unhallowed & Forgotten“ die erste Single zum neuen Album herausgebracht. Ist das aus deiner Sicht ein repräsentatives Stück für „Sentinels“?

Voll und ganz. Dieser Song ist eine absolute Blaupause unseres Stils und ich vermisse darin kein typisches VULTURE-Element. Diese wilde Art von Riffing mit dem klassischen Leo-Gesang, ein großer Refrain, ein dicker Hook. Dazu eine passende Melodie und ein etwas vertrackterer Mittelteil. Das ist in meinen Augen gut in diese drei Minuten komprimiert worden.

Für euch war also klar, dass es zuerst dieser Song sein muss?

Uns war bewusst, dass „Unhallowed & Forgotten“ Single-Charakter hat und als dann alles stand, haben wir uns ziemlich schnell entschieden.

Repräsentativ für euren Stil würde ich komplett mitgehen, bei „Sentinels“ ist mir allerdings aufgefallen, dass sich auch der Anteil der klassischen Heavy-Metal-Einflüsse nochmals erhöht hat.

Ja, absolut. Die erste Single sollte natürlich erstmal eine sichere Bank sein, um eben auch niemanden direkt zu erschrecken. Ich habe das allerdings die letzten Tage schon immer wieder gehört und gehe da natürlich auch mit, dass sich der Heavy-Anteil schon erhöht hat. Der war zwar immer da, ist aber durch unsere teilweise recht verkopften Songaufbauten manchmal etwas untergegangen. Da aber „Sentinels“ insgesamt klarer daherkommt, scheint auch unsere Inspiration aus den Anfangstagen des Heavy Metal deutlicher hindurch.

Mit „Realm Of The Impaler“ oder „Oathbreaker“ habt ihr meines Erachtens auch Songs am Start, die ganz gezielt mit diesen Einflüssen kokettieren.

Ja, das ist in jedem Fall so. „Realm Of The Impaler“ wird dann schließlich die zweite Single sein und ich bin mal sehr gespannt, wie die Leute darauf reagieren. Uns hat es schon immer bewegt, was etwa Bands wie METALLICA dazu gebracht hat, so ein Wahnsinnsalbum wie „Kill ‘em All“ zu schreiben oder JUDAS PRIEST plötzlich so krasse Musik zu machen. Genau in diesem Graubereich befindet sich unsere Faszination für Heavy Metal und demnach denke ich tatsächlich auch, dass ein Song wie „Realm Of The Impaler“ genauso gut vor etlichen Jahren auf einer „Show No Mercy“ hätte stehen können.

Sind Dinge wie diese Einflüsse und die omnipräsenten Twin-Gitarren etc. inzwischen so etwas wie ein Markenzeichen von VULTURE?

Wir haben das zumindest immer so versucht. Ob uns das gelungen ist? Für mein eigenes Ohr würde ich behaupten, oft. Für das außenstehende Ohr würde ich sagen, dass uns das noch nie so klar gelungen ist, wie aktuell. Mich freut es auch sehr zu hören, dass diese Trademarks nun klarer herauskommen und man eben nicht klingt, wie irgendeine x-beliebige Thrash-Metal-Band.

Ich muss sagen, dass mich euer Instrumental in der Mitte „Der Tod Trägt Schwarzes Leder“ mit seinen beiden musikalischen Welten wirklich fasziniert hat. Was kannst Du dazu erzählen?

Wir wollten gerne einen Instrumentalsong schreiben, der ein bisschen wie diese alten italienischen Krimi-/Thrillerstreifen klingt. Die haben ja musikalisch immer diese Lullaby-Atmosphäre, fast schon albern, doch danach wird es finster. „Der Tod Trägt Schwarzes Leder“ ist letztlich auch der Titel eines entsprechenden italienischen Filmes. Ein Freund von mir hat so einen tollen Bildband, wo diese alten Filmcover etwas aufgearbeitet sind und da ist mir dieser Titel quasi entgegengesprungen. Wenn das mal kein VULTURE-Song ist, dann weiß ich auch nicht.

„Wenn du das Live spielen sollst, hört der Spaß auf“

Wart ihr auch eine der Bands, die über die Pandemiephase schon etliche fertige Songs in der Hinterhand hatten und diese nun finalisieren?

Ja, doch schon. Als wir die „Dealin‘ Death“ im Studio aufgenommen haben, wurden gerade die ersten Maßnahmen in Deutschland umgesetzt und ich erinnere mich noch daran, dass wir praktisch im Entenmarsch nach Hause gehen mussten, da wir nicht nebeneinander gehen konnten. Wir haben als Band das große Glück, dass wir über Corona nicht viel verpasst haben. Wir sind nicht die großen Tourer und werden das auch niemals sein.

Wir haben die Zeit, in der nichts ging, dann durchaus dafür genutzt, im Kämmerchen fleißig an neuen Songs zu schreiben und diese dann möglichst intensiv ausgefeilt. Wir haben uns mehr Zeit gelassen, um die Stücke typisch VULTURE werden zu lassen und keine falschen Wege einzuschlagen. Die erste Demo war dann glaube ich schon im Jahr 2021 fertig.

Läuft man in einem wenig verkopften Subgenre, wenn man sich entsprechend viel Zeit lässt, nicht irgendwann Gefahr, dann doch etwas zu verkopft zu werden?

Das ist auf jeden Fall ein zentrales Thema. Als wir damals von Metal Blade Records unter Vertrag genommen wurden, hatten wir schon das Bedürfnis noch einen drauf zu setzen. Man will ja nicht eine unter vielen Bands sein, die dann eben doch nur Thrash Metal machen. Wir wollten etwas Besonderes machen und haben mit der „Ghastly Waves & Battered Graves“ ganz schön übertrieben finde ich. Da frage ich mich heutzutage schon manchmal, wieso müssen auf einem Song nun sechs Soli sein und warum biegt er an dieser oder jener Stelle noch einmal ab.

Das war schon sehr verkopft, während die „Dealin‘ Death“ das genaue Gegenteil war. Dort haben wir viel vorsichtiger agiert und versucht, alles möglichst glatt zu lassen. Aus diesen beiden Alben haben wir unsere Lehren gezogen und mit „Sentinels“ das wohl Beste geschrieben. Ich weiß, das ist ein Promospruch, aber ich empfinde das wirklich so.

Man hat auch das Gefühl, dass es durchaus zwei Lager in eurer Fanbase gibt, die einerseits mehr auf die etwas verstrickte „Ghastly Waves & Battered Graves“ stehen und Andere, welche den geraden Ton auf der „Dealin‘ Death“ favorisieren.

Für viele ist das erste Album auf Metal Blade auch eine ganz tolle Scheibe, eben weil sie so ist, wie sie ist. Das ist auch gut so – das ist dann eben unsere „Endorama“. Sobald man versuchen muss, das Zeug Live zu spielen, hört der Spaß aber echt auf.

Gerade diese Leute könntet ihr aber mit der „Sentinels“ wieder einfangen, oder?

Das glaube ich auch. Best of both worlds, quasi. Diese wilde, abgefahrene Art haben wir auf dem neuen Album wieder ganz häufig, aber eben in vernünftige Bahnen gelenkt und haltbar gemacht.

Galerie mit 6 Bildern: Vulture - Headbangers Open Air 2023

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Quelle: Zoom-Interview mit Stefan Castevet
03.04.2024

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