Art Zoyd - Nosferatu

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Zu den Bands, die gerade während beziehungsweise nach der Wende des Prog um den Anfang der Achtziger herum weg vom britischen und hin zum amerikanischen Vorbild den frankophonen Untergrund mit ihren düsteren, kammerorchestralischen und vor allem: absolut schrägen Klängen aufgemischt hat, gehören auch ART ZOYD. Denn der europäische Prog hat mit der Amerikanisierung nicht aufgehört zu existieren, sondern ist lediglich in besagten Untergrund abgewandert und in seiner kompromissloseren Form besonders eben in Frankreich und Belgien floriert.

Als der Prog allmählich in den Underground abwanderte

Nach einer anfänglichen Rock-Phase, von deren Lineup nach wenigen Jahren nichts mehr übrig bleiben sollte, krempelten ART ZOYD unter Leitung von Gérard Hourbette und Thierry Zaboitzeff ihr musikalisches Konzept um, von konventioneller Rock-Instrumentierung hin zum Kammerorchester. Spirituell tritt die Band nach anfänglich also eher instabilen, personellen Verhältnissen in die Fußstapfen von Bands wie MAGMA. Avantgarde repsketive Zeuhl mit reichlich (free-)jazziger Würze stand und steht also auf der Tagesordnung, um es mal kurz zu fassen.

Und unter deren Leitung entstanden die ersten Bandklassiker wie „Symphonie Pour Le Jour Où Brûleront Les Cités“ und „Musique Pour L’odyssée“, Alben, die sich mit ihren finsteren, verqueren Klängen bestehend aus schneidenden Violinen und plärrenden Bläsern in die Magengruben ihrer Hörer schneiden und eine unvergleichlich sinistre Stimmung herauf beschwören. Aus heutiger Sicht betrachtet und salopp gesagt liegt es also auf der Hand, dieses immense Potential intuitiver Stimmungsmache für das Kino zu nutzen.

Die kinorreifen ART ZOYD

Letzten Endes haben ART ZOYD genau das auch getan, wenn auch nicht so, wie man das zumindest aus heutiger Sicht mit monetären Hintergedanken erwarten würde. Stattdessen hat die Band einige eigene, musikalische Interpretationen von expressionistischen Stummfilmklassikern veröffentlicht. Und neben ihren Umsetzungen zu „Metropolis“, „Faust“ und „Häxan“ intonierte die Band auch ihren eigenen Score für den Klassiker „Nosferatu“ von Friedrich Wilhelm Murnau.

Und dessen finstere Stimmung fängt die Band mit ihrem unruhigen, pulsierenden und dissonant verdrehten Sound zwischen Ambient, Drone und Noise gekonnt ein. Interessant dabei ist zu beobachten, dass sich ART ZOYD definitiv mehr in der Moderne befinden und zweckdienlicher Atmosphärik den Vorrang vor der facettenreichen Orchestrierung des Originals geben. Das bedeutet natürlich, dass die ruhigeren Momente des Films hier ein bisschen auf der Strecke bleiben.

Der eigenen Zeit voraus?

Doch was dem Album „Nosferatu“ hier fehlen mag, macht es durch diese durchweg oppressive und unheilvolle Stimmung wieder wett. Diese ist oft durch impulsive, repetitive und fast ein bisschen perkussiv dargebotene Motive geprägt, die im Falle „L’Agent Reinfeld“ etwa klingen, als wären sie ein direkter Vorreiter von Akira Yamaokas Arbeit für die „Silent Hill“-Videospielserie. Das lässt sich auch an anderer Stelle beobachten, etwa in der aufwühlend dissonanten Melodieführung des Titeltracks.

Der ausgiebige Einsatz von Synthesizern im ansonsten kammerorchestralischen Lineup tut natürlich sein übriges, um „Nosferatu“ mehr in der Moderne zu verankern und möglicherweise sogar auch ein Stück weit in der Nähe der neueren ULVER zu platzieren. Es scheint fast ein bisschen der eigenen Zeit voraus gewesen zu sein. Teilweise trägt die Musik aber auch die einschlägige, musikalisch zeitgenössische Handschrift der eingangs erwähnten MAGMA sowie der ebenfalls aus der Szene, teilweise sogar aus dem Bandpersonal ZOYDs selbst stammenden Bands wie UNIVERS ZERO und PRESENT.

„Nosferatu“ – eine alternative „Symphonie des Grauens“

Das kann man mehrfach über die Spieldauer des Albums beobachten. So stellt „Rumeurs III“ wieder einen offensiveren Wink in Richtung der eingangs erwähnten MAGMA dar mit der repetitiv pulsierenden Natur des Songs, die anfangs gar leicht an „Dense“ von UNIVERS ZERO erinnert. Weiterhin setzt hier auch der ansonsten eher spärlich zum Einsatz kommende Gesang ein, der etwas seltsam Beschwörerisches inne hat. Lediglich das abschließende „Sleep No More“, das zugegeben nicht zum Kern des Albums gehört, tanzt aus der Reihe und erinnert fast ein bisschen an Synth-Pop.

Doch letzten Endes bleibt „Nosferatu“ ein Album, das man einfach erleben sollte, mit oder ohne Hintergrundwissen über die Band. Obwohl eben als alternativen Score zum Film komponiert, passt das Album nicht zu jedem Cut des Stummfilmklassikers, sodass man diesbezüglich die Erwartungen nicht zu hoch schrauben sollte. Doch mit den ikonischeren Szenen des Films vor dem geistigen Auge fällt es nicht schwer, sich auszumalen, wie intensiv der Film mit einem solchen Soundtrack gewirkt hätte. Insofern bleibt „Nosferatu“ ein heißer Geheimtipp der Avantgarde, auch fast 30 Jahre nach Erscheinen.

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02.01.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Art Zoyd - Nosferatu

  1. BlindeGardine sagt:

    Hmm…nee!
    Wurde mir vor Jahren mal von nem Kumpel ähnlich begeistert empfohlen wie Ebony Lake von nili und auch wenn hier die Intention es abefahrenen Horrorsoundtracks ja klar erkennbar ist, für mich fällt das größtenteils eher in die Kategorie „Geräusch“. Musik für Leute, für die Kunst wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung sein muss.