Dark Suns - Grave Human Genuine

Review

In letzter Zeit strömt aus dem Progmetalsektor so allerlei. Das meiste davon ist absolut entbehrlich und austauschbar. Statt sich an Musik, die der Bezeichnung progressiv gerecht würde, zu versuchen, ahmt der Großteil der Bands den erfolgreichen Vorbildern nach. Technische Präzision, vertrackte Songs, rhythmische Experimente und eine ordentliche Prise Gefrickel – das reicht heutzutage nicht mehr aus, um ein Album aus dem Sektor gut werden zu lassen. Musik die wirklich progressiv, wirklich fortschrittlich und damit unausweichlich auch im hohen Maße eigenständig ist, gibt es immer seltener. Ausnahmen sind rar geworden und meist schwer zu finden. DARK SUNS sind eine dieser Ausnahmen.

Mit „Grave Human Genuine“ stellen DARK SUNS dieser Tage – nach zwei Jahren Pause und zwei Tourneen mit den recht bekannten PAIN OF SALVATION – ihr drittes Full-Length-Album vor. Veröffentlicht wird es, wie schon der Vorgänger, über Prophecy Productions. Um das Fazit schon mal ein wenig vorweg zu nehmen: Die Band zeigt mit diesem Album, wie ein Album voller Gefühle, Melancholie, Abwechslung, Düsternis, Tiefe, Aggression und Ehrlichkeit heute klingen kann. Mit dem programmatisch und absolut passend betitelten „Stampede“, was auf Deutsch so viel wie panische Flucht bedeutet, legen DARK SUNS gleich zu Beginn richtig los: ein mächtiges Riff leitet mit ordentlich Druck gekonnt in „Grave Human Genuine“ ein, und fesselt den Hörer damit von Anfang an. Nach dem kurzweiligen Instrumentalintro beginnt die Platte dann mit „Flies Im Amber“ voll und ganz – wobei die Band sich mit Andy Schmidt von DISILLUSION, die als Vergleich zu DARK SUNS übrigens generell gut taugen, gesangliche Unterstützung geholt hat. Schmidts Growls ergänzen sich perfekt mit Niko Knappes ruhig-melancholischen Gesangslinien und fügen sich nahtlos in das Gesamtkonstrukt von harten, sich immer wieder aufbäumenden Gitarrenwänden, die dann in sich zusammenstürzen und atmosphärischen Percussions sowie fidelen Flötenklängen, die fast schon arabisch wirken, weichen. Abgerundet wird der Song durch Kristoffer Gildenlöws (ex-PAIN OF SALVATION) Bassspiel, das das ganze Album hindurch Highlights setzt.

„Thornchild“ beginnt vollkommen anders. Von der Härte des vorigen Songs hat man sich scheinbar verabschiedet, setzt stattdessen auf weiche Melodien und dazu passenden Gesang. Scheinbar. Nach den ersten 50 Sekunden ergänzt härteres Gitarrenspiel den Song und verleiht ihm somit die nötige Knackigkeit. Der Anfangs kreierten Melodie bleibt man allerdings den Rest des Stückes treu und greift sie immer wieder auf. Ein eingängiger Song, nicht allzu vertrackt, der dafür schnell ins Ohr geht.
Mit „Rapid Eye Movement“ hat man den ersten wirklich ruhigen Song der Platte. Bei schüchternem Midtempodrumming und viel Augenmerk auf warme und leise Töne kommt zumindest bei mir ein wenig Post Rock-Feeling auf, das erst gen Ende, wenn der Song sich dann doch aufbäumt und lauter wird, verloren geht. Der Anfang von „Rapid Eye Movement“ würde mir wohl auch auf einer MOGWAI-Platte nicht deplatziert vorkommen.

Ganz andere Pfade beschreiten DARK SUNS mit „Amphibian Halo“. Technoide Anklänge lassen sich da vernehmen, ein Gespinst elektronischer Sounds – mal sphärisch, mal treibend – windet sich durch den Song. Stimmungsmäßig ist der Song einwandfrei – und bietet zudem mit einer ganz anderen Facette eine angenehme Abwechslung. Beim Anfang des folgenden Songs „The Chameleon Defect“ ist man versucht zu sagen, die Band spiele nun wieder typischer. Spätestens nach 75 Sekunden muss man das allerdings verwerfen und erkennen: „The Chameleon Defect“ ist der abgedrehteste Song des ganzen Albums. Und der Name Programm. Locker beschwingte Akustikgitarren werden vollkommen ohne Vorwarnung von wildem Schlagzeuggedresche und sakralen Chorälen abgelöst, die dann wiedermals ohne dass man es hätte ahnen können abrupt verstimmen und die Akustikgitarren zurückkehren lassen. Das Bild eines defekten Chamäleons, das fortwährend seine Farben wechselt, kommt mir hierbei tatsächlich in den Sinn.

„Free Of You“ lässt den Hörer, der zuvor mit „The Chameleon Defect“ von einem Extrem ins andere geschleudert wurde, wieder aufatmen. Ruhig, warm und eingängig geht es da zu. Ein einfach schöner, beschwingter Midtemposong mit absolut gelungenen Gesangslinien, schönen Pianoparts und einem packenden Solo im Mittelteil. „Papillon“, das einzige Stück auf „Grave Human Genuine“ mit über zehn Minuten Spielzeit, ist der letzte Song des Albums – und an genau dieser Schlussposition perfekt aufgehoben. Mitreißende Streicher leiten das Stück ein und verschmelzen mit härteren Gitarren zu einem furiosen Finale, das sein jähes Ende findet – und nach einer Minute Stille schließlich in völlig anderer Form, gänzlich ohne Härte, dafür mit herzzerreißend melancholischem, getragenen Piano und tieftraurigen Streichern. Wenn man mit „Papillon“ dann schließlich aus dem Album entlassen wurde, möchte man meinen, dass es nur ein passende Ende für „Grave Human Genuine“ geben kann: Dieses. Eine so bedachte Platzierung der einzelnen Stücke, die aus einem Album eine Einheit statt ein Sammelsurium formt, ist leider selten.

Nachdem das Review sehr lang war, fällt das Fazit umso kürzer aus. „Grave Human Genuine“ ist eine unbedingte Empfehlung für alle Anhänger melancholischer, progressiver Klänge, die zwar im Metal verwurzelt sind, doch weit über den Tellerrand hinausragen.

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19.02.2008

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