Final Breath
Studioreport: Wenn du keinen Idealismus hast, brauchst du die ganze Sache gar nicht zu machen.

Special

Trotz aller Warnungen meines Chefs Azazel („Viel Spaß beim Suchen! Noch nicht mal die Leute im Nachbarstädtchen wissen, dass es Bühne überhaupt gibt!“) hatte ich überhaupt gar keine Mühe, das kleine Kaff Bühne in der Nähe von Kassel, wo Deutschlands mittlerweile renommierteste Stahlschmiede, Andy Classens Stage One Studio, ansässig ist, zu finden. Der (mit einer kleinen Ausnahme) treffsicheren Wegbeschreibung der Studiohomepage sei Dank. Einzig den Blitzer direkt nach der Autobahnausfahrt verschweigt sie einem geflissentlich. Naja, was soll’s?! Übertrieben rasen kann man in meinem kleinen 3-Zylinder-Corsa sowieso nicht, aber für ein kleines Foto hat es dann doch gereicht. Jetzt zum eigentlichen Kern der Sache: Die fränkischen Death-Thrasher Final Breath hatten mich exklusiv eingeladen, nach dem finalen Mix als erster ihr neues Werk „Let Me Be Your Tank“, das sie einmal mehr quasi aus eigener Tasche finanziert haben, um erneut auf Plattenfirma-Suche (der Kontrakt mit Nuclear Blast ist ausgelaufen) zu gehen, fachmännisch zu begutachten. Deswegen lange Rede, kurzer Sinn: Ich machte es mir also in der neben dem Studio gelegenen Bandwohnung mit einem Bierchen bewaffnet gemütlich und ließ mir die Nervosität von Drummer Heiko und Gitarrist Jörg nicht entgehen, als die ersten Töne aus den Speakern ballerten.

Final Breath

Intro
Ein schleppendes Grundriff samt hypnotischer Gitarrenlinie eröffnet den Reigen. Schon jetzt fällt auf, dass man soundtechnisch gegenüber dem schon starken Vorgänger „Mind Explosion“ nochmals eins drauf setzen konnte. Bestimmt auch live ein guter Anheizer.

Strong Pain
Startet sofort durch als schönes Thrash-Gemetzel mit ordentlichen Riffs, die den Nacken fein säuberlich sezieren. Doublebassfeuer, Soli, Breaks, alles ist mit an Bord. Sauberer Opener und vielleicht der Song der Platte, der am ehesten auf den Vorgänger gepasst hätte.

Eyes Of Horror
Nach bedächtigem Beginn und eingeleitet von einem gnadenlosen Schrei aus Eumels Kehle (die Vocals der gesamten Platte sind wesentlich tiefer und brutaler als noch auf dem Vorgänger), steigert sich dieser Track, der übrigens auch mit völlig Final-Breath-untypischen, dämonischen Flüstergrowl-Parts aufwartet, in ein mächtiges Midtempo-Monster. Daneben wird deutlich, dass die Jungs sich in punkto abwechslungsreichem Songwriting nochmals verbessern konnten. An die dominierende Riffabfolge reiht sich auf einmal ein fetter Stakkato-Part, der mir nichts dir nichts in ein längeres Solo übergeht, bevor man wieder mit dem Grundthema beginnt. Stark!

Greed For Revenge
Dieser Song dürfte dem ein oder anderen schon vom letzt jährigen Up From The Ground oder Summer Breeze bekannt sein, als er seine Livepremiere feierte. Hier gibt’s im Mix aus Uptempo und schwerem Midtempo wieder richtig aufs Maul, ohne jedoch die filigrane Gitarrenarbeit und melodiöse Einsprengsel zu vernachlässigen, bevor ein heftiger Mosh-Part für diverse ausgerenkte Nackenwirbel sorgt.

Exposed To Hatred
Final Breath-Kennern dürfte dieser Titel ebenfalls geläufig sein, denn es handelt sich um eine Neuaufnahme eines Tracks, der schon auf ihrer ersten Full-Length „Flash-Burnt Crucifixes“ enthalten ist. Jene CD ist mittlerweile vergriffen. Da man aber jenen Song immer noch gerne im Liveset hat, wollten die Jungs ihn mit Sänger Eumel (auf „Flash-Burnt…“ malträtierte noch ex-Shouter Michael Imhof das Mikro) neu einspielen und den neueren Fans so zugänglich machen. Hier fällt vor allem auf, wie sehr sich die Jungs und natürlich im Gleichklang Produzent Classen steigern konnte. Zudem sind die Soli im Mittelteil spieltechnisch stark verbessert.

Let Me Be Your Tank
Kommen wir zum Titeltrack und größten Hit der Platte/Bandgeschichte. Sorry, aber das muss mir jetzt mal gestattet sein: Scheiße, ist dieser Song geil!!! Los geht’s mit einem ruhigen Intro, das dann in DEN Banger überhaupt übergeht. Superschweres Midtempo-Riffing zwingt einen förmlich dazu, die Matte rotieren zu lassen und abzugehen wie Hölle. Über die erstklassige Gitarrensolo- und -melodiearbeit muss an dieser Stelle nichts mehr gesagt werden. Bleibt nur nochmals zu erwähnen, dass Sänger Eumel aus gutem Grund weit in den Vordergrund gemischt worden ist. Hammermäßig, was der gute Junge hier abliefert. Dieses Stück wird „To Live And To Die“ hundertprozentig als Bandhit ablösen!

Sociopathically Insane
Mit diesem Stück verhält es sich wie mit „Exposed To Hatred“. Es handelt sich also um eine weitere Neuaufnahme eines „Flash-Burnt Crucifixes“-Songs, der ebenfalls weitaus brachialer aus den Boxen ballert als das Original von 2000.

Bemoaned Animosity
Eindeutig das schnellste Stück der Platte mit astreinem Slayer-Riffing. Hatte ich im Review von „Mind Explosion“ ab und an mal Dew-Scented als Vergleich herangezogen, ist dies hier das erste Stück auf der neuen, bei dem man diesen Querverweis anbringen könnte. Allerdings haben Final Breath eine Sache besser raus: Sie nehmen ab und an das Tempo geschickt raus, nur um im nächsten Moment noch verschärfter los zu brettern. Rübe ab! Mehr gibt’s hier nicht zu sagen.

Empty Eyes (Arbeitstitel)
Dass bei diesem Stück der Titel noch nicht ganz feststeht, wundert mich nicht. Andere Combos würden aus den hier drin steckenden Ideen wohl fünf Songs machen und sich dabei immer noch verzetteln. Die Death-Thrash-Chaoten sind aber in diesem Fall keine, denn sie können dieses Chaos wunderbar ordnen und die fünf Themen von pfeilschnell bis walzend und aggressiv bis fast schon melancholisch absolut schlüssig aneinander reihen und jeden Gedanken zur rechten Zeit wieder aufgreifen. Vertrackt, aber absolut spitze!

Coma Divine
Ohne dass ich ihn ausgesprochen habe, ist mein Wunsch nach einem Highspeed-Rausschmeißer erhört worden. Umschreiben würde ich ihn so: Die intensive Gewalt von Dew-Scented trifft auf die gewaltigen technischen Fähigkeiten von Final Breath und lässt einen so rücksichtslos geplättet zurück und sorgt nochmals dafür, dass der Nacken aufs Äußerste strapaziert wird.

Fazit: Was soll ich sagen?! Ich bin restlos begeistert, denn Final Breath konnten den Vorgänger in allen Belangen toppen. Die Vocals sind wesentlich intensiver und brutaler (hier mal ein großes RESPEKT an Eumel: selbige in 1 ½ Tagen einzubrüllen, ohne heiser zu werden, ist eine bärenstarke Leistung!), die Gitarrenarbeit bei den Riffs noch zielsicherer und bei den Soli/Melodien um ein Vielfaches ausgereifter und ausgearbeiteter. So kann man mit Fug und Recht behaupten, dass einem „Let Me Be Your Tank“ auf der einen Seite wesentlich mehr die Fresse poliert als noch „Mind Explosion“, auf der anderen Seite aber auch eine größere Bandbreite an Stimmungen abgedeckt wird, was die Eigenständigkeit der Jungs, die übrigens immer noch auf der Suche nach einem neuen Bassisten sind, immens erhöht hat. Man hört sofort, dass hier Final Breath am Werke sind. Bleibt nur zu hoffen, dass die Plattenfirmen, die jetzt mit dem fertigen Produkt angegangen werden, nur ein einziges Fünkchen Gehör haben. Denn um das Potential dieses Albums nicht zu erkennen, muss man wirklich taub sein. Sollte dieser Panzer (sorry, konnte es mir bei diesem Albumtitel einfach nicht verkneifen!) dieses Jahr noch erscheinen (hoffentlich!), wird er mit Sicherheit zu den absoluten Highlights (bestimmt nicht nur in meiner Playlist!) gehören. „Let Me Be Your Tank“ – dieser Name ist während dieser 45 Minuten absolut Programm und zugleich Kampfansage, endlich den Erfolg abzusahnen, der einer solchen Platte gebührt. Hammer!!!

Am nächsten Morgen hatte ich dann noch die Gelegenheit, Heiko und Jörg zu einigen Stichpunkten ein paar Statements zu entlocken. Am Abend vorher wäre dies wohl dank zahlloser Bierchen und hitziger Diskussionen über Iced Earth oder Metallica in einem (Death-Thrash)-Chaos, das übrigens durch kleinere Animositäten (hach, schon wieder ein herrlicher Bezug auf einen Songtitel! 🙂 ) der Toilette in der Bandwohnung auch so fast entstanden wäre, geendet. Hier kam überdies hinaus der fränkischen Aussprache des Wortes „gewesen“ eine zentrale Bedeutung bei.

Albumtitel?

Heiko: „Let Me Be Your Tank“!

Ähm…schon klar! Aber warum? Inwieweit spiegelt er sich in der Musik wieder?

Heiko: Ääääh…jaaaa! (jaja, der liebe Alkmatsch im Hirn, Anm. d. Verf.) Nee, äääh, ja! (der Redakteur bricht in Lachen aus)
Jörg: Du, wenn du uns verkackeiern willst, bist du hier bei den Verkehrten gewähse!
Heiko: Genau, gewähse! Nein im Ernst, er spiegelt die Musik insofern wider, weil sie für unsere Begriffe sehr brachial geworden ist und genauso gedacht war. Im Prinzip soll er ausdrücken: „Hallo, wir sind auch da!“ So wollen wir uns Gehör verschaffen und uns unter der Vielfalt der Bands ein wenig frei schaufeln.

Einen Unterschied zum Vorgänger hast du mit der erhöhten Brachialität schon angesprochen. In den Feinheiten ist LMBYT aber auch wesentlich filigraner und akzentuierter.

Heiko: Gewähse! (beginnt wieder sich wegzueimern, Anm. d. Verf.) Ok, es ist einfach der nächste logische Schritt. Die Platte ist tighter eingespielt, der Sound ist wuchtiger. Wir wussten genau, was es im Bezug auf den Vorgänger zu verbessern gab und ich welche Richtung wir dabei gehen wollten. Noch dazu ist auch unsere Erfahrung gewachsen.
Jörg: Wenn wir mal davon ausgehen, was wir vorher geplant hatten, hat das Endresultat unsere Erwartungen auf jeden Fall übertroffen.
Heiko: Wir wollten einfach für uns selbst „Mind Explosion“ übertreffen. Wie der Hörer es im Endeffekt jetzt sieht, weiß man nicht. Aber die letzte Platte war für uns als, sie entstand, ein echter Maßstab. Jetzt ging es daran, die eigenen Grenzen neu zu stecken und zu erweitern. Vom jetzigen Standpunkt aus würde ich auch sagen, dass die Operation gelungen ist.

Das kann man mit ruhigem Gewissen unterschreiben. Wie sieht es mit der Labelsuche aus?

Heiko: Das ist leider das alte Drama, das uns hoffentlich nicht immer verfolgen wird. Wir haben bis jetzt immer jede CD komplett finanziert und selbst aufgenommen. Wir haben uns jedes Mal erst mit einem komplett fertigen Ergebnis eine Plattenfirma gesucht. „Mind Explosion“ kam über Nuclear Blast raus und der Vertrag ist schlichtweg und einfach ausgelaufen. Wir bewerben uns jetzt quasi wieder neu und hoffen natürlich, dass wir die CD angemessen irgendwo an den Mann bringen können. Im Prinzip ist ja das Risiko, das nun eine Plattenfirma mit dem ganzen Werbeaufwand, etc. bei uns zu tragen hat, nicht mehr so groß, weil sie keine Katze im Sack kauft, sondern ein fertiges, gemastertes Endprodukt.

Demnach kann man euch einen gesunden Idealismus nicht absprechen.

Jörg: Wenn du keinen Idealismus hast, brauchst du die ganze Sache gar nicht zu machen. Wir machen ja schon ziemlich lange Mucke, und zwar nur der Musik wegen.
Heiko: Ohne Idealismus würde es nicht funktionieren, das stimmt. Aber wir wollen auch nicht ständig im Demostadium stecken. Wir wollen ein Ergebnis, das sich von einer professionellen Produktion nicht unterscheidet. Wir wollen jedes Mal an unsere Grenze gehen, in allen Belangen. Ich möchte mir das alles auch in zehn Jahren noch anhören und sagen können, dass ich etwas Richtiges daraus gemacht habe. Ich habe keine Lust, später nur im Konjunktiv zu reden, wie z.B. „hätten wir da ein Label gehabt!“, etc.

Schade, dass nicht mehr Bands so denken! Ein weiteres Stichwort auf meinem Zettel ist „Bassistensuche“ (den Bass auf LMBYT hat Gitarrist Space komplett eingespielt).

Heiko: Da ist momentan noch alles offen. Es haben sich ein paar beworben. Es hätten aber auch durchaus ein paar mehr sein können. Einigen mussten wir leider auch absagen, einfach weil es entfernungstechnisch nicht gepasst hat. Wir wollen kein neues Mitglied, das ständig anreisen muss und so nur einmal im Monat kommen kann. Er muss schon aktiv und eigenständig zum Bandgeschehen beitragen können, ohne sich nur stur nach Vorgaben zu richten. Wir haben ein paar Leute vorspielen lassen und auch schon eine engere Auswahl getroffen. Aber da wir ja jetzt nicht unbedingt unter Zeitdruck stehen und Wissel (bisheriger Bassist, Anm. d. Verf.) alle anstehenden Gigs und Verpflichtungen noch mitspielt, können wir es uns auch erlauben, die Kandidaten auf Herz und Nieren zu darauf testen, ob sie sich einbringen, sich damit identifizieren und diese Musik leben. Das erfordert natürlich eine Kennenlern-Phase. Und die ist noch nicht durch.
Jörg: Gewähse!
Heiko: Ja, gewähse!

Jo, dann wäre es das gewähse! Danke!

Galerie mit 17 Bildern: Final Breath - Summer Breeze Open Air 2023
02.03.2004

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