Ghost Brigade
Das meint die Redaktion zu "IV - One With The Storm"

Special

Ghost Brigade

Wenn es um melancholischen Metal geht kommt man seit Jahren schon nicht mehr an GHOST BRIGADE vorbei. Laut unserem Kollegen Markus Endres und dessen Review ändert sich das auch mit ihrem inzwischen vierten Album „IV – One With The Storm“ nicht. Aber ist das neue Werk der Finnen wirklich dieser Meilenstein geworden? Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben auch an andere Kollegen ihre Meinungen niedergeschrieben.

Ohne groß dabei aufzufallen oder sich schnöder Promo-Maschen zu bedienen, haben es GHOST BRIGADE in den letzten Jahre geschafft, vom Geheimtipp zur festen Größe im melancholisch-angehauchten Dark Metal-Bereich aufzusteigen. „IV – One With The Storm“ wird dieser Entwicklung keine Steine in den Weg werfen, bedient es sich größtenteils den altbekannten Trademarks der Finnen. Doch der Sound wurde auch mittels einiger kleiner Nuancen verfeinert, die insbesondere an den letztjährigen Neuzugängen Joni Saalamo (Bass) sowie Joni Vanhanen (Keyboard) erkennbar sind. Vor allem Joni Vanhanen, der auch schon für den Remix von „In The Woods“ vom vorherigen Album verantwortlich war, verleiht den zehn Songs auf „IV – One With The Storm“ oftmals durch diverse elektronische Zusätze eine weitere Dimension („Aurora“, „The Knife“). Den mit „Until The Fear No Longer Defines Us“ eingeschlagenen Weg aus oftmals stark hervorgehobener Separation von harsch groovenden Passagen und einfühlsamen, bisweilen fast schon poppigen Melodien führt die zum Sextett herangewachsene Band konsequent fort. Insbesondere die vornehmlich zu Beginn platzierten Tracks („Departures“, „Aurora“, „Disembodied Voices“) präsentieren sich dabei jedoch deutlich gefühlvoller und melodischer, wohingegen im hinteren Teil der Platte („Stones And Pillars“, „The Knife“) ordentlich Kante gezeigt wird. Dazwischen steht mit „Electra Complex“ ein emotional höchstfragiles Stück, welches gegen Ende den Umschwung beim Härtegrad einläutet und die Introvertiertheit ein Stück weit hinter sich lässt. Inmitten dieses Klangkosmos’ steht immer wieder Sänger Manne Ikonen, der durch den wieder häufiger anzutreffenden charakteristischen Wechsel von tiefschürfenden Growls zu herzerwärmendem Klargesang einen Gänsehautmoment nach dem anderen besorgt, was vor allem in Verbindung mit der sehnsuchtsvoll-lechzenden Lead-Gitarre „Disembodied Voices“ zur Göttergabe werden lässt. Alles in allem eine wirklich starke Platte, bei der mir schlussendlich vor allem im Mittelteil ein wenig der speziell vom Erstwerk „Guided By Fire“ bekannte und auch noch beim Durchbruch mit „Isolation Songs“ vorhandene, in sich gekehrte Tiefgang abhanden gekommen ist, der Balsam für die reichlich geschundene Seele darstellte und nachhaltig Wirkung entfaltete. Objektiv das vermutlich beste Songwriting der Bandgeschichte, subjektiv erreicht die Platte nicht die Leidenschaft früherer Großtaten.

Richard Mertens (8 von 10)

Ghost Brigade

Für so ein bisschen gehypt halte ich GHOST BRIGADE ja zugegebenermaßen schon. Neben vielen atmosphärisch zweifellos großartigen Songs gab es auf den letzten Alben auch immer wieder unüberhörbare Längen und Passagen der Ideenlosigkeit. Die volle Punktzahl hätte es von meiner Seite vermutlich für diese Band noch nicht gegeben. Die ständigen Vergleiche mit OPETH und KATATONIA liegen zwar durchaus nahe, so ganz eine Liga ist das meiner Meinung nach jedoch noch nicht. Ein weiteres Problem der Gruppe wird zudem proportional zur steigenden Anzahl von Releases immer deutlicher: Durch den doch recht eingeschränkten Stil, das begrenzte Emotionsspektrum (Melancholie, Schwermütigkeit, Sehnsucht, Depression) und das kaum variierte Tempo, klingen viele Songs sehr ähnlich, ja allzu zu ähnlich. Über weite Strecken können GHOST BRIGADE den oben genannten Problemen auf „IV One With The Storm“ Herr werden. Schon der Opener „Wretched Blues“ treibt ordentlich nach vorne und überzeugt mit düsterer Melodieführung á la DARK TRANQUILLITY, einem starken Refrain und mächtigen Growls. „Departures“ und „Aurora“ gehen danach zunächst etwas mehr in die Gothic-Richtung, bis die Jungs die mit „Disembodied Voices“ einen Track hinlegen, der beide Gesichter der Band wunderbar vereint. Zur Hälfte des Songs geht der sehr reduzierte erste Part in einen schwermütigen Melodeath-Teil über. Diese Balance vermögen GHOST BRIGADE auch über die restliche Albumspielzeit größtenteils zu halten. „IV One With The Storm“ profitiert enorm von dieser Ausgewogenheit. So kann ein fast rein todesmetallisches Stück wie „Stones and Pillars“ besonders zur Geltung kommen, während den sphärischen, verträumten Songs gleichzeitig ein angenehmer Kontrast zur Seite gestellt wird. Die perfekte Herbstmusik machen GHOST BRIGADE eigentlich seit eh und je – daran ändert sich auch 2014 nichts. Das ist bittersüße Kost für die dunklen Tage, immer schwankend zwischen fragiler Gedankenverlorenheit und urtümlicher Brutalität. Etwas kürzer hätte das Album sein dürfen, ein wichtiger Schritt in Richtung Abwechslungsreichtum ist es glücklicherweise geworden.

Tobias Kreutzer (8 von 10)

Viel getan hat sich nicht im Hause GHOST BRIGADE. Auch auf  „VI – One With The Storm“ fahren die Finnen eine exzellente Mischung aus melancholischen Dark Metal, poppigen Melodien und einem einmaligen Sänger, der problemlos zwischen sehr markanten Growls und klarem Gesang pendelt. Sound, Handwerk, Produktion und vor allem das Arrangement sind genau so erstklassig, wie auf den beiden Vorgängern. Und auch die Songs setzen auf das vertraute Schema von Melodie und Härte mit geschmackvollen Übergängen. Mut zum Stillstand hat die Band – leider aber auch zu viel davon. Hier liegt nämlich der Knackpunkt – seit dem unglaublich starken „Isolation Songs“ ist kaum was passiert. Viel hätte die Band natürlich auch nicht machen können, denn Songs wie „Into The Black Light“ oder „2222 – Nihil“ waren schlicht makellos. Doch seit nun zwei Alben treten GHOST BRIGADE auf der Stelle, ohne an die Großtaten des Referenzwerks anknüpfen zu können. Auf der aktuellen LP fühlt man sich sofort zuhause, nichts fehlt scheinbar und mit dem interessanten Beat in „Arora“ oder dem über zehn Minuten langen „Electra Complex“ wagt man auch minimale Neuerungen. Allerdings plätschern die Songs stellenweise auch träge vor sich hin und kommen nicht auf den Punkt. Hier und da streift man den Kitsch. Auch die Stimme von Manne Ikonen wird für seine Verhältnisse recht monoton eingesetzt. Wir wissen, dass der Mann sehr viel abwechslungsreicher sein kann. Man wird irgendwie das Gefühl nicht los, als sei das aktuelle Album zusammen mit dem Vorgänger die B-Seite von „Isolation Songs“. Es ist bei weitem nicht schlecht und wird den Fans Freude machen – ich hoffe jedoch zukünftig weiterhin auf mehr Mut zur Innovation.

Eugen Lyubavskyy (7 von 10)

Ghost Brigade

Eigentlich möchte ich GHOST BRIGADE mögen, und wenn ich mir anschaue, auf was ich musikalisch sonst steilgehe, dann MÜSSTE ich GHOST BRIGADE eigentlich mögen. Trotzdem sind wir – die Band und ich – nie richtig miteinander warm geworden. Klar, die letzten Alben waren allesamt hochwertig geschrieben, gespielt und produziert, aber letztlich haben sie mich emotional nie restlos umgehauen. Das gilt genauso für „IV – One With The Storm“: kluges, aber nicht verkopftes Songwriting, eine tolle Dynamik zwischen Melodic Death Metal, Doom Metal und Depri Rock, zwischen hart und melancholisch … aber nein, auch mit ihrem vierten Album hauen mit GHOST BRIGADE nicht um. Auch nach etlichen Durchläufen über Kopfhörer, über die Wohnzimmer-Boxen, nebenbei über die PC-Boxen oder im Auto nicht … nope, letzten Endes fehlt mir immer und überall der Schlag, der mich emotional mitreißt. So erscheinen mir GHOST BRIGADE ein wenig ziellos – der depressiv-melancholische Rundumschlag wird gut vorbereitet, die Steigerung dorthin gelingt vorzüglich … aber er wird nicht mit letzter Konsequenz ausgeführt. Ich dachte immer, mit dieser Einschätzung wäre ich alleine – aber immerhin Kollege Eugen sieht das genauso.

Stephan Möller (7 von 10)

Galerie mit 12 Bildern: Ghost Brigade - Tuska Open Air 2015
12.11.2014

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