Liturgy
"The Ark Work" auf dem Seziertisch

Special

Liturgy

Artwork von „The Ark Work“ – die Suche nach Antworten

Schön geht anders, soviel steht felsenfest. Nähert man sich aber erstmal zaghaft mit dem dringenden Willen einen künstlerischen Anspruch zu erkennen, dann kann man sich mit Müh‘ und Not eine Botschaft aus dem Album ziehen: Die beiden betenden Statuen scheinen sich nicht im besten Zustand zu befinden und sind auch nicht wirklich imposant in Szene gesetzt worden. Man könnte fast meinen, sie würden ausrangiert in einer Garage oder auf einem Trödelmarkt stehen. Hat jemand also Abstand vom Glauben genommen? Möchte sich jemand von bindenden Artefakten befreien? Das nicht gerade stilvoll platzierte Band-Logo unterstreicht die geringschätzende Darstellung.

Oder wird genau umgekehrt ein Stiefelchen daraus und Glaube findet, häufig unbemerkt, in jeder Lebenslage, immer und überall seinen Platz? Warum sind es überhaupt zwei Figuren? Reicht ein Glaube nicht aus und braucht es diverse Glaubensansätze, um zur endgültigen (Er-)Lösung zu kommen. Warum sehen sich die Figuren ähnlich, handelt es sich trotz unterschiedlicher Prägungen und Auswirkungen bei unterschiedlichen Religionen letztendliche doch immer um das eine gleiche Etwas?

Das wären so die (mehr oder weniger) cleveren Fragen, die man sich zum Artwork von „The Ark Work“ stellen könnte. Eventuell haben LITURGY einfach auch keinen Stil.

Sind LITURGY mit „The Ark Work“ am Ende sogar Black Metal 2.0.?

Die einen sagen so, die anderen so. Und wie immer, kommt es auf den Blickwinkel an. Wer Black Metal in erster Linie mit antichristlichen Inhalten verbindet, der wird LITURGY definitiv einen Platz im Genre gönnen. Wer um mehr Abwechslung leicht angestaubten Schema bittet, wird sich ebenfalls die Hände reiben und den Mut von LITURGY zumindest anerkennen. Wer allerdings dogmatisch auf Corpsepaint und gutturalen Gesang besteht, der wird LITURGY alleine für den Gedanken an Black Metal hassen. Und ja, „The Ark Work“ hat Momente, in denen man Ansätze des Black Metal unterstellen kann. Dieses näselnde Genörgel, das Hunt uns als Gesang verkauft, streckt allerdings eher die gierigen Fingerchen nach Hip Hop aus. Und selbst aus dem Lager gibt es dafür sofort auf die selbigen gedroschen, 50% Abzug der Street-Credibility inklusive. Also Black Metal ist dieses Album beim besten Willen nicht (mehr)… zumindest nehmen LITURGY aber den Spirit ihrer Umgebung auf, zerhäckseln ihn wie billige Fleischpampe und pappen ihn gekonnt zu ihrem ganz eigenen Formfleisch zusammen. Exklusives LITURGY-Stempelchen drauf und fertig!

Ein schöner Anlass, um mal wieder die beste jemals existierende beste Hip-Hop-Instanz der Welt zu zitieren:

Brooklyn, Bronx, Queens and Staten,
from the Battery to the top of Manhattan
Asian, Middle-Eastern and Latin,
Black, White, New York you make it happen…

(BEASTIE BOYS – An Open Letter To NYC)

Wer hat denn da Konfetti im Kopf, wer sind LITURGY?

Eventuell ist ein gewisser Wahnsinn vorprogrammiert, wenn der bürgerliche Name Hunter Hunt-Hendrix lautet. Die Eltern des Mastermind hatten entweder Humor oder wollten dem guten Hunter von Anfang an mitgeben, dass das Leben generell Kunst ist – gewöhne dich rasch daran, mein Sohn! Mit eben diesem Herren nahm der Wahnsinn seinen Lauf, denn selbstredend ist er der Motor der Band, der Name den man sich merken sollte, der Visionär oder einfach auch nur… der richtig irre Typ. Gitarrist Bernard Gann, Bassist Tyler Dusenbury und Schlagzeuger Greg Fox – Stand heute ist dieser bereits wieder ausgeschieden – stießen wagemutig dazu und waren bereit für ein Experiment der ganz besonderen Art. Auf Facebook gibt die Band übrigens die äußerst interessanten Interessen „Asymptotes, Apocalypse, Discipline, Eternity“ an. Mathe und Religion mit Weltuntergang also, für den ganz einfachen Mann gesprochen.

„The Ark Work“ müsste eine Zutatenliste lang und kompliziert wie ein Energy-Drink führen, direkt über dem 666-er-Strichcode, würde ungefähr folgendes stehen.

Dieses Produkt enthält: Schamanische Rituale, Black Metal, Hardstyle Beats, Okkulter Rap, Mittelalterliche Chorgesänge und eine Prise Avantgarde. Produkt kann desweiteren auch noch Spuren Post Metal enthalten und ist mit großen Mengen von MIDI-Sounds enthalten!)

Ist „The Ark Work“ tatsächlich Zukunftsmusik?

LITURGY stecken ihre Musik in eine selbstgebaute Schublade mit der Aufschrift Transcendental Black Metal, was gleichermaßen korrekt wie verwirrend ist. Wer es tatsächlich schafft, sich „The Ark Work“ mehrfach nacheinander anzuhören, kommt nicht ohne psychotrope Substanzen oder einen gesunden Alkoholgrundpegel heil davon. Selbst der einmalige Genuss ist anstrengend, LITURGY ziehen den Hörer in einen hypnotischen Sog. Mit viel Fantasie könnte man sich schon vorstellen, dass in einigen Jahrzehnten eine derart aufdringliche Penetration vonnöten ist, um irgendwo noch durch den bis dahin sicherlich noch heftiger sprudelnden Informationsfluss durchdringen zu können.

„Tja, ich schätze, ihr seid wohl noch nicht so weit, aber eure Kinder fahren da voll drauf ab“ (Marty McFly, 1955)

Im Vergleich zum hochgelobten Vorgänger „Aesthetica“, welcher deutlich organischer klang und mit dem Label Blackgaze locker durchkam, ist „The Ark Work“ stark futuristisch aufgenommen und komponiert. Und da wo im Vorgänger noch in ordentlicher Suizid-Tonlage geschrien wurde wie am Spieß, ist heute Hip Hop. Ist das jetzt prä oder post?

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29.02.2016

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9 Kommentare zu Liturgy - "The Ark Work" auf dem Seziertisch

  1. membran sagt:

    Ausführliches Review für ein großes Stück Musik.
    Danke – gut gemacht!

  2. metal-fan sagt:

    Da kann man so viel rum schwadronieren wie man will, Black Metal ist das sicher nicht. Das sagt natürlich noch nichts über die Qualität der Musik aus aber es ist sehr albern wie immer versucht wird dieses Gerne hinein zu interpretieren. Mir ist es ein Rätsel warum die Band das überhaupt so propagiert, eigentlich sollten ihnen Genre-Schubladen egal sein. Um den Coolness-Faktor der Musik zu erhöhen oder um bewusst anzuecken? So wirkt die Band auf mich eher albern und braucht sich nicht darüber wundern mit Hipster-Vorwürfen auseinandersetzen zu müssen.
    Und nein, ich bin kein elitärer Black Metal-Fan, ich mag auch Sachen wie z.B. WITTR, Panopticon usw. die sicher auch keinen Preis in Sachen Trveness gewinnen.

    1. Yuggoth sagt:

      Das Problem Ist, der falsche Anspruch immer alles weiterentwickeln zu wollen. Sicher, Entwicklung ist an den richtigen Stellen gut. Aber an manchen Stellen kommt nur Mist raus und man sollte es beim alten lassen. Ich habe bei lithurgy und auch Bands wie Ghost Bath zuerst mehr gehört als eigentlich drin ist. Man bekommt auch das Gefühl, das sich solche Bands nur gründen, weil Leute aus dem Linken (?) Milieu sich von dem elitären Image angegriffen fühlen. Ich gebe zu, das ich nur Bands dieser Kategorie höre, aber nicht um mich als Mensch mit dem trven Image zu versehen (Da scheiß ich drauf!), sondern weil Black Metal ästhetisch nur Sinn ergibt wenn er roh, finster, eingängig, aggressiv und schroff klingt mit dem gewissen Händchen für das Songwriting. Man denke da an Mortifera aus Frankreich. Das sogenannte hypno Ding ergibt als Abgrenzung auch keine Sinn, da ja BM generell schon hypnotisch klingt: Burzum, besagte Mortifera, Strid, Sortsind usw.. Diese ganze gaze und post Sache und slowcore Dinge mögen einzeln cool sein. Ich mag auch Bands, wie Low, Codeine oder Cowboy Junkies. Aber im bm sind besagte Elemente fehl am Platz. Manche Richtungen sollte man einfach nicht miteinander vermischen, da Abgrenzungen logisch und ästhetisch Sinn ergeben.

    2. Yuggoth sagt:

      Fazit: beim Black Metal bin ich nicht der Meinung, das es sinnvoll Ist, mit der Herangehensweise Das Rad neu erfinden zu wollen, ran gehen zu gehen.

  3. Buddy sagt:

    Also rein zufällig hab ich die Band im Februar schon für mich entdeckt gehabt. Ihre alten Sachen sind definitiv mehr Black Metal orientiert, das stimmt schon, bedeutet aber auch, dass die Band sicher noch einen Rest Black Metal beinhaltet, vielleicht mehr als der Teaser es erahnen lässt. Da ich selber auch ein Fan von experimentiellen / extremen Metal bin, kam ich nicht umhin mal reinzuhören. Ich selbst würde es jetzt nicht auf den „Rockolymp“ erheben, da selbst mir die Songs teilweise echt gut zum Kauen und Verdauen gelassen haben, denke mal aber so auf Anhieb hätte die Scheibe 7 von 10 Punkten von mir gekriegt.

  4. Arndt sagt:

    Ich finde Buddy sollte hier in Zukunft Reviews schreiben.

  5. Buddy sagt:

    @ Arndt, danke das ist zu viel der Güte 🙂
    Ich glaube als Autor auf einer solchen Seite reicht es nicht einen fünf- im Bestfall Sechszeiler zu schreiben, ich habe also auch Heidenrespekt davor wenn hier jemand ein 3 seitiges Special schreibt. Als ich das gestern schrieb, hab ich außerdem auch noch nicht mal angefangen gehabt zu lesen. Man hätte hier sicher noch auf zwei Seiten runterkürzen können, aber die dritte Seite war schon gut zu lesen, gerade weil jeder einzelne Song genauer unter die Lupe genommen wurde, allerdings hab ich jetzt nicht auf die Lyrics großartig geachtet, dass hier und da Sprechgesang aufkommt und dieses Experiment – wie bereits erwähnt – auch erstmal im Großhirn ankommen muss.
    Wenn es irgendwann noch mal einen Slot zum Bewerben gibt, könnte ich es mal versuchen, weiß aber nicht wie groß hier der Bedarf ist, da ja jeder des Teams schon einen festen Bereich bearbeitet.

  6. Anton Kostudis sagt:

    @Buddy: Gute Leute werden immer gebraucht. Melde dich doch mal beim Kollegen Möller (stephan.moeller@metal.de). Dann könnt ihr alle Eventualitäten erörtern. 🙂

  7. Yuggoth sagt:

    Ich halte nicht viel von ‚Kunst‘