Agrypnie
Interview mit Torsten zur "Asche EP"

Interview

Agrypnie

Zur Überbrückung der Wartezeit für das hoffentlich bald erscheinende nächste AGRYPNIE Album hatten die Mannen um Torsten die „Asche EP“ veröffentlicht, auf welcher sich neben zwei Albumtracks auch einige exklusive Stücke befinden. Stilistisch sind sie sich dabei treu geblieben und präsentieren wieder einmal ausdrucksstarken, facettenreichen Post Black Metal, dieses Mal noch ein ganzes Stück melancholischer. Die Details hierzu klärten wir mit Torsten im Interview.

Agrypnie

Ihr habt im Sommer euer neues Album „Asche“ aufgenommen, und zwar wieder im SU2 Studio. Wie verliefen die Sessions, und gab es Unterschiede zu früher?

Von der Tatsache abgesehen, dass Martin (Gitarrist, Anmerk. d. Verf.) mit im Studio war und ca. 60-70% der Gitarren eingespielt hat, gab es nicht sonderlich viele Unterschiede zu den früheren Aufnahmen. Wir haben uns mal wieder den Arsch aufgerissen, um in relativ kurzer Zeit (10 Tage am Stück ohne Pause, nie wieder) ein komplettes Album jenseits der 60 Minuten einzuprügeln.

Die ursprüngliche Idee war eigentlich, dieses Mal als komplette Band ins Studio zu gehen. Wir mussten die Idee allerdings aus zeit- und organisatorischen Gründen wieder verwerfen. Zwischenzeitlich standen die Aufnahmen komplett auf der Kippe, da es mir gesundheitlich ziemlich beschissen ging, u. a. hatte ich mir im April die Hand an drei Stellen gebrochen und kämpfe bis zum heutigen Tag mit den Langzeitfolgen, und ich kurz davor stand, alles auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Wir haben die Aufnahmen dann doch durchgezogen und es hat sich meiner Meinung nach sehr gelohnt. Allerdings sind immer noch nicht alle Texte und Keyboardarrangements geschrieben, weshalb sich die Veröffentlichung des Albums noch einige Zeit hinziehen wird.

Was war das eigentlich für eine Geschichte mit dem Schwulen/Lesben Straßenfestival?

Hahaha… Nun, wir haben zum Zeitpunkt der Aufnahmen in der Bude von Phil, dem Produzenten, gehaust. Eines Abends war in der Straße ein Schwul-lesbisches Straßenfest, und die Bühne war direkt vor unserer Hütte aufgebaut. Die Musik war so dermaßen laut, dass wir das Gefühl hatten, auf der Bühne und nicht in der Wohnung zu sitzen. Und was gibt’s besseres, als (schwule) Schlagermusik nach 8 Stunden Albumaufnahmen? Hahaha! Das war mir dann ein kleines Posting bei Facebook wert 😉

Stand von Anfang an fest, dass ihr vorab eine EP veröffentlichen werdet?

Nein, absolut nicht. Ich müsste jetzt aber ziemlich weit ausholen, um die Entstehungsgeschichte der EP zu erklären, deshalb belasse ich es an dieser Stelle mal bei einem schlichten nein.

Stammen die Texte wieder von dir zusammen mit Marco V.?

Mit Marco habe ich schon länger nicht mehr zusammen gearbeitet und seit „16[485]“ schreibe ich alle Texte alleine (bis auf den Text zu „Brücke aus Glas“ – Dieser entsprang der Feder von Alboin von EIS).

Du gibst in Interviews keine genauen Erklärungen zu der Bedeutung deiner Songtexte, welche für dich äußerst persönlicher Natur sind. Dadurch kann der Hörer in die einzelnen Texte viel selbst hineininterpretieren. Ist das von dir so gewollt? Welche Reaktionen erhältst du insbesondere auf die Texte?

Meine Texte sind, wie du schon angesprochen hast, sehr persönlicher Natur. Deshalb habe ich nicht im Geringsten das Bedürfnis, deren Bedeutung zu offenbaren. Dass sich die Hörer, vielleicht gerade deshalb, eigene Gedanken zu den Texten machen, finde ich eine ziemlich coole Sache, und spricht für Fans, die sich wirklich mit der Musik bzw. den Texten befassen. Dadurch entsteht ein persönlicher Bezug, der vielleicht nicht entstehen würde, wenn ich den Leuten vorkauen würde, worum sich die Texte drehen.

Mittlerweile bekomme ich auch zu den Texten relativ viel Feedback von den Fans. Viele erkennen sich in den Texten wieder und schreiben mir dazu Mails oder sagen mir nach Konzerten, was sie für Lebensumstände mit ihnen und/oder der Musik verarbeiten und verbinden. Es ist eine wirklich ziemlich krasse Sache, wenn wildfremde Menschen sehr private Geschichten offenbaren und mir dafür danken, dass ich einen bestimmten Text/Song geschrieben habe, der ihnen Kraft gegeben hat oder gibt. Sowas geht definitiv nicht spurlos an einem vorbei!

Sind deine Texte, und deren Darbietung im Studio als auch bei einem Auftritt, eine für dich funktionierende Art und Weise, mit den eigenen Abgründen fertig zu werden, bzw. sie zu verarbeiten?

Definitiv! Sowohl mit meinen Texten als auch meiner Musik verarbeite ich Seiten an und in mir, die nur sehr wenige Menschen von mir kennen. Meine Musik ist der einzige Weg für mich, diesen Dämonen gegenüberzutreten, der Versuch, sie zu verarbeiten, sie in den Griff zu bekommen.

Was die Darbietung angeht… im Studio konzentriere ich mich zu 100% auf die Arbeit und die Umstände sind einfach viel zu „steril“, als dass ich mich auf meine Emotionen einlassen könnte. Bei den Aufnahmen steht ein gutes Ergebnis im Vordergrund, da ist kein Platz für irgendetwas anderes.

Auf der Bühne ist es das genaue Gegenteil! Dort bin ich so dermaßen auf Adrenalin, dass wahrscheinlich jeder Dopingtest positiv ausfallen wurde, haha. Aber mal im Ernst – zwar ist Live natürlich auch immer ein gewisses Maß an Show dabei, aber auf der Bühne kann ich meinen Emotionen freien Lauf lassen, wie an keinem anderen Ort auf dieser Welt. Der Hass, die Wut und teilweise auch Trauer, die dort an die Oberfläche kommen, sind definitiv nicht gespielt sondern echt.

Folgt man euren Texte sowie der visuellen Optik, unterscheidet ihr euch doch stark von vielen, nennen wir es einfach mal „typischen“ Black-Metal-Bands mit den Klischeethemen wie Satan, Winter, Fantasy. Der Bezug erscheint mir mehr auf die heutige moderne Zeit. Und in diesem Zusammenhang erscheint das Gefühl „Isolation“ sehr stark. Kannst du dem zustimmen, und inwiefern besteht die Verbindung aus der modernen Welt und der Isolation?

Dem kann ich in der Tat zustimmen. Die Thematik ist allerdings sehr komplex und würde das Interview sprengen… Die Kurzform: Der Zusammenhang besteht darin, dass die heutige Gesellschaft nach dem „nach mir die Sintflut“ Motto handelt. Das einzelne Individuum bleibt auf der Strecke, wenn es nicht konform den Massen „lebt“, denkt und dementsprechend gleichgeschaltet ist. Die heutige, westlich geprägte Welt besteht aus einer 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche Reizüberflutung, alles muss immer besser, schneller, toller, größer etc. sein. Superlative soweit das Auge reicht. Auf lange Sicht macht dieser ganze verfluchte Wahn aber nicht glücklich, ganz im Gegenteil. Es wird immer schwerer, sein Leben nach eigenen Wertvorstellungen zu leben, weil der Druck der Gesellschaft immer größer und größer wird. Jeden verdammten Tag muss man sich sowohl im Job, wie auch im privaten Leben beweisen. Oftmals erreicht man aber „seine Ziele“ nicht, ohne sich nicht irgendwie zu verbiegen oder zu verstellen. Und irgendwann wacht man morgens auf und weiß selbst nicht mehr, wer man eigentlich wirklich ist. Meine Texte handeln aber nicht nur von der Isolation, die die heutige Gesellschaft mit sich bringt, sondern auch von einer, die ich in mir trage.

Bisher hattest du immer alle Songs alleine geschrieben. Hatten deine Bandkollegen auf „Asche“ einen größeren Einfluss oder stammt auch hier wieder alles aus deiner Feder?

Nein, auch diesmal habe ich wieder alle Songs und Texte alleine geschrieben.

Die Stücke wirken noch depressiver als bisher. War das eine bewusste Entwicklung?

Nein. Nach wie vor schreibe und arbeite ich an meine Songs ohne sie bewusst in irgendeine Richtung zu lenken.

Welche Stücke werden auch auf dem Album „Asche“ enthalten sein, welche nur auf der EP? Nach welchen Gesichtspunkten erfolgte die Auswahl, welche Stücke worauf landen?

„Gn?sis“ und „Erwachen“ sind die einzigen beiden Stücke, die auch auf der Full-Length zu hören sein werden. Meiner Meinung nach sind beide Stücke passende Repräsentanten für das Album und auf der EP gelandet, um einen kleinen Ausblick zu offenbaren. „1.10#06+0.35“ und „Augenblick“ sind beide Songs, die ich nie in einem Albumkontext gesehen habe. Das ist aber subjektiv und ich kann es auch nicht plausibel erklären. „Augenblick“ habe ich bereits vor ca. 5 Jahren geschrieben und relativ früh gemerkt, dass dieser Song „anders“ ist und sich nicht richtig in das Gesamtbild eines Albums einfügt. Einer der Gründe, die EP zu veröffentlichen war also auch, diesen Song endlich veröffentlichen zu können.

Stücke wie „1.10#06+0.35“ werden in Zukunft öfters vertreten sein, da ich neben „Metalsongs“ auch solche Musik schreibe. Ursprünglich hatte ich mit dem Gedanken gespielt, ein Sideprojekt für solche Tracks ins Leben zu rufen, habe diesen aber schnell wieder verworfen. Ich bin zu der Auffassung gekommen, dass sich diese Tracks zweifelsfrei in die Welt von AGRYPNIE einfügen – auch auf die Gefahr hin, dass es natürlich immer Stimmen geben wird, denen sowas nicht „Metal“ genug ist. Aber ich denke, der „typische“ AGRYPNIE-Fan steht solchen Tracks tendenziell offen gegenüber.

Mit „Kosmos [Omega]“ hat ein weiteres Mal mein geschätzter Freund Mathias Grassow einen Track beigesteuert. Dieses Stück ist der Auftakt zu einem Zweiteiler – der zweite Teil, an dem auch ich mitgearbeitet habe, wird auf dem Album zu hören sein. Die Demo-Version von „Augenblick“ ist nicht als vollwertiger Song sondern eher als Gimmick zu betrachten. Es ist ganz interessant zu hören, wie die Evolution eines Songs zwischen einer Demo/Pilotversion zu einer wirklich fertigen Studioversion ist. Denn obwohl ich zu Hause alles komplett fertig schreibe, bevor wir ins Studio gehen, verändern sich auch dort noch teilweise Songs, weil ich plötzlich erkenne, dass ein Part nicht richtig passt bzw. der Part anders gespielt viel geiler klingt. Natürlich haben wir einen großen Zeitdruck im Studio und können deshalb nicht sonderlich viel experimentieren, aber dieser Funken an Kreativität zwischen und während den Aufnahmen ist immer extrem
spannend.

Die EP wird es auch auf Vinyl geben. Was bevorzugst du selbst, CD oder Vinyl?

Ich besitze zwar einige Platten und auch einen ziemlich alten Plattenspieler von meinem Vater, bevorzuge aber CDs bzw. eigentlich MP3s, dass erspart einem die vielen herumfliegenden CD-Hüllen im Auto.

Du hast einen breitgefächerten Musikgeschmack. Was sind für dich die derzeit fünf besten aktuellen Alben?

Ob die alle so aktuell sind sei mal dahingestellt 😉
– Clint Mansell – The Fountain (OST)
– Ara Kra – Ferne Tage
– Sedna – O
– Totalselfhatred – Totalselfhatred
– Fields Of The Nephilim – Mourning Sun

Du warst längere Zeit in Australien, um eine Auszeit zu nehmen. Was hast du von deiner Zeit dort mitgenommen? Fehlt dir Australien?

Es gibt keinen einzigen Tag seit meiner Rückkehr, an dem ich nicht an Australien denke. Hier in Deutschland hält mich neben AGRYPNIE und einigen wichtigen Menschen nichts. Mitgenommen habe ich u. a. eine Leidenschaft fürs Wellenreiten (a. k. a. Surfen), die ebenbürtig der zur Musik gewachsen ist, zumindest gab es bisher kein anderes „Hobby“ in meinem Leben, für das ich mich 3 bis 4 Mal die Woche freiwillig um halb sechs morgens aus dem Bett gequält habe haha.

In Australien habe ich eine tiefe Naturverbundenheit erlebt, wie nie zuvor in diesem Ausmaß. Diese Erfahrungen haben mich zutiefst bewegt und sich in meinem Herzen geradezu eingebrannt. So kitschig das auch klingen mag, aber die Sehnsucht nach dem Meer bekomme ich seit diesen vergangenen Tagen nicht mehr aus mir heraus. Ich bin alles andere als ein spiritueller Mensch, aber ein Teil der Erlebnisse würde ich so titulieren. Eine tiefe innere Ruhe, Stille, das Gefühl zum ersten Mal im Leben richtig frei zu sein… ich kann das nur schwer in Worte fassen. Wahrscheinlich lässt es sich nur nachvollziehen, wenn man es in irgendeiner Art und Weise selbst erlebt hat.

Wie verlief die „Flammentriebe“ Tour mit DORNENREICH? In Kürze stehen ja wieder Konzerte mit DORNENREICH an…

Wir haben den zweiten Teil der Flammentriebe Tour bereits seit einiger Zeit hinter uns und wie bei der ersten Runde verlief alles zu unserer vollsten Zufriedenheit! Gerade bei der ersten Tour im Februar war das Feedback der Leute überwältigend und hat unsere Vorstellungen um ein vielfaches übertroffen. Damit hatten wir wirklich nicht gerechnet, es war der absolute Wahnsinn! Aber auch im Oktober hatten wir wieder eine Menge Spaß, sowohl auf der Bühne, wie auch nach der Show beim Bierchen mit Fans und Freunden. „On the road“ gab es immer was zu lachen, und die Atmosphäre hätte nicht besser sein können. Ich mochte wirklich keine Minute der beiden Tourneen missen. Die gemeinsame Zeit mit DORNENREICH und der Crew war ein absolutes Highlight in meinem Leben!

NOCTE OBDUCTA werden in Kürze ihr Comeback-Album „Verderbnis (Der Schnitter kratzt an jeder Tür). Hast du hierauf auch mitgewirkt?

Ja, ich habe einen Teil der Vocals eingesungen.

Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!

Immer diese letzten Worte… Danke für das Interview 😉

Galerie mit 10 Bildern: Agrypnie - Summer Breeze Open Air 2022
07.01.2012

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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