Bestialis
Das Tierische im Menschen

Interview

BESTIALIS legen mit ihrer Vier-Track-EP „Ritus“ ein beachtliches Debüt vor. Abseits von Genreklischees inszenieren sie anspruchsvollen Black Metal, der mit zahlreichen Überraschungen und einem klaren Konzept aufwartet. Wir baten Sänger Lastaurus zum ausführlichen Gespräch. Und das nicht nur, um zu klären, warum die EP so plötzlich erscheint, sondern auch, um einiges über alte Mythen und das Tierische im Menschen in Erfahrung zu bringen.

Moin Lastaurus, der Release eurer EP „Ritus“ kommt ziemlich aus dem Nichts. Was war die Idee dahinter, das Ding ohne jede Vorankündigung rauszuhauen?

Moin. Das stimmt, heutzutage werden Platten vor Veröffentlichung ja meist schon wochenlang promotet, ehe sie dann endlich erscheinen. Es geht wohl darum, vermeintlich Spannung und vor allem Reichweite aufzubauen, sodass am besten schon vorab, spätestens aber mit Veröffentlichung gekauft wird. Möglichst schnell, möglichst viel. Und im Falle von Underground-Releases vielleicht auch: überhaupt.

Wir halten das nicht für den besten und nicht für unseren Weg. Wir konzentrieren uns lieber auf die Musik selbst und die Platte als Gesamtwerk, mit Lyrics und Artwork, übrigens alles aus unserer Hand und im Siebdruck handgefertigt durch Vendetta Records und Partner, Grüße und Dank an Stefan und Olli an dieser Stelle! Klar, alle Beteiligten freuen sich, wenn Reichweite entsteht und ein Werk, in das man viel Zeit, Energie und nicht zuletzt Kohle gesteckt hat, auch gekauft wird. Aber die Musik und deren Qualität kommen unserer Ansicht nach zuerst. Und hierdurch überzeugen Platten, wenn sie überzeugen; nicht durch eine gigantische Promokampagne. Spannung entsteht außerdem wohl vor allem durch Überraschung, wie in Plots von guten Geschichten, in der Horrorliteratur oder in einem packenden Thriller. Nicht, wenn man zugespitzt die Dinge schon vorher wochenlang totredet.

Schließlich handelt es sich mit „Ritus“ zum einen um unser Debüt und zum anderen eine EP. Auch im Kurzformat steckt bei uns viel drin, meinen wir. Und doch ist es etwas anderes als ein Album, klar. Der Release „aus dem Nichts“ geht also auch darauf zurück, damit einfach so, wie es für uns angemessen schien, umzugehen, und die Dinge nicht über die Maßen aufzubauschen.

Ihr seid beide schon seit über 20 Jahren in der Metal-Szene aktiv. Wie kamt ihr dazu, mit BESTIALIS eine gemeinsame Band ins Leben zu rufen?

Um herum 2000 sind wir beide im Metal eingestiegen und haben unabhängig voneinander auch zu dieser Zeit begonnen, Musik zu machen. Bis wir zu extremeren Spielarten und speziell zum Black Metal gekommen sind, vergingen allerdings noch ein paar Jahre. Haben sie jetzt nicht gesagt!? Untrue, haha! Nein, im Ernst, wir halten etwas anderes für viel wichtiger, als die erste oder zweite Welle in ihrer Zeit erlebt zu haben. Und das ist eine persönliche, diverse Entwicklung von Hörgewohnheiten und des eigenen musikalischen Geschmacks. Vor allem aber, früh damit begonnen zu haben, selbst aktiv Musik zu machen und hierin einen gewissen Werdegang durchlaufen zu haben.

Das sind wohl entscheidende Faktoren dafür, dass wir zum einen relativ vielfältige Musik privat hören und hierdurch wiederum auch inspiriert werden. Zum anderen wirkt es sich derart aus, dass wir uns mit BESTIALIS von Anfang an weder an vermeintliche Genregrenzen gebunden fühlten, noch puristischen Black Metal machten. Stattdessen vereint BESTIALIS viele Einflüsse – und ist im Kern doch im traditionellen Black Metal mit typischen Merkmalen wie Blastbeats, Tremolo Pickings und so weiter verwurzelt. Das ist nicht geplant gewesen, das entspricht einfach unseren musikalischen Lebensläufen, wenn man so will. Man könnte uns also als Black-Metal-Grenzgänger beschreiben, mit offenen Ohren für neue, progressive und auch gerne etwas verrückte Musik im und jenseits des Metal. Ebenso interessieren wir uns für traditionellen Folk, Akustik- und Weltmusik.

Wann und wie begann nun aber BESTIALIS? Wir haben uns 2008 kennengelernt und begonnen, Metal zu spielen. Um 2012 entstanden die Grundzüge von BESTIALIS: der Name, ein erstes Logo, die Anfänge des hinter dem Namen stehenden Konzepts und erste Songentwürfe. Nach vorherigen Bands haben wir uns entschieden, neu zu beginnen und BESTIALIS zu zweit zu starten, weil unsere musikalischen Vorstellungen einfach harmonierten und wir in der Art und Weise, Musik zu machen, und auch jenseits davon gut miteinander auskamen und -kommen.

In den Jahren haben wir einiges Demomaterial aufgenommen, teilweise auch wieder verworfen, und uns Zeit gelassen, alles wachsen zu lassen. Daneben verliefen unsere Leben nicht immer nur geradlinig, um es mal so zu formulieren, und das wirkt sich natürlich aus. Zudem ist Absorber noch in diversen anderen Bands wie CEREBRAL INVASION und DINO KING aktiv. Wir haben aber nie Druck verspürt, eine erste Platte zu veröffentlichen, uns auch dort auf andere Dinge im Leben konzentriert, wo das wichtig war, und insgesamt auf langsame, doch zumeist stetige Arbeit gesetzt. Nun ist es aber soweit und wir freuen uns, dass „Ritus“ jetzt in der Welt ist.

Bei BESTIALIS fügt sich alles zusammen

Ihr sprecht davon, dass ihr klassischen Black Metal mit verschiedenen kulturellen Einflüssen kombiniert und nennt unter anderem den Mittleren Osten als Referenz. Woher kommen diese Einflüsse in eurer Musik?

Wie gesagt setzen wir uns selbst schon eine ganze Weile vielen musikalischen und überhaupt kulturellen Einflüssen aus. Und das hat natürlich auch eine Rückwirkung. Wir wollen das gerne konkretisieren. Elemente insgesamt traditioneller Folk-Musik finden sich auf „Ritus“ in der Verwendung von akustischer Gitarre, Percussions und Kehlkopfgesang, der vor allem sibirische und mongolische Wurzeln hat. Wir haben versucht, entsprechende Parts nicht nur als Beiwerk zu arrangieren, sondern zu einem integralen Bestandteil der Musik zu machen. Spezifisch arabische und persische Musik oder Musik des Nahen und Mittleren Ostens ist in den vierten Track „Non-Domestication: Fall Of Gilgamesh“ eingeflossen, in die rhythmische Gestaltung und in die Melodieführung, besonders im Chorus.

All dies geht in erster Linie darauf zurück, dass ich mich stark für traditionelle Musik aus diversen Kulturen und Zeiten interessiere. Dahinter steckt kulturhistorische Neugierde, die zufällige Konfrontation mit entsprechenden Zeugnissen, aber auch eine aktive Auseinandersetzung durch recherchieren, hören, verstehen, verarbeiten. Der Zugang basiert aber nicht auf musikwissenschaftlichen Fachkenntnissen, sondern ist eher ein intuitiver, deshalb aber nicht unbedingt weniger intensiver. Black Metal mit verschiedenen kulturellen Einflüssen entsteht bei BESTIALIS, weil musikalisch Ausdruck findet, was lyrisch thematisiert wird. Es geht um zwei zusammengehörige Teile eines Ganzen.

Nehmen wir als Beispiel noch einmal „Non-Domestication: Fall Of Gilgamesh“. In diesem Song interpretieren wir die mythische Geschichte „Gilgamesch und der Himmelsstier“ aus dem babylonischen Gilgamesch-Epos neu und um. Unsere Figur des Himmelsstiers lehnt sich gegen seine göttlichen Beherrschenden auf, lässt sich nicht länger durch ihr Intrigennetz und ihre Macht und Machtstreitigkeiten fesseln und wirft in unserem Bild das Joch ihrer Unterdrückung ab. Schauen wir auf die Verbindung von Musik und Lyrics, würden wir sagen, dass durch die Einbeziehung musikalischer Elemente aus dem Persischen der literarische Stoff um Gilgamesch und den Himmelsstier, der ebenfalls aus dem Babylonischen beziehungsweise Persischen stammt, das passende Gewand bekommt. Dessen Farbe bleibt natürlich im Grunde schwarz, das gehört zu einer in diesem Fall Anti-Helden-Version des Mythos und zu BESTIALIS.

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Quelle: Foto: Janine Ulbrich
13.11.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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