Bestialis
Das Tierische im Menschen

Interview

Gibt es denn auch bestimmte Bands, die euren Sound beeinflusst haben?

Wenn es um unseren Sound geht, reden wir schon in erster Linie von Black-Metal-Bands. Und dazu gehören dann sicherlich etwas ältere DARK FORTRESS, wir denken insbesondere an die „Stab Wounds“. Es geht also um diesen nicht unendlich produzierten, schon noch räudigen und mittenlastigen, trotzdem modernen Sound Ende der 1990er, Anfang der 2000er. Alles nicht zu klinisch, aber eben auch kein Proberaumbrei. So ein organisches Dazwischen haben wir versucht, als Sound für „Ritus“ zu erreichen. Wir denken da auch an die ersten Alben von HELRUNAR, vielleicht auch SATYRICON zu dieser Zeit.

Wenn es um Black-Metal-Bands geht, die uns insgesamt inspirieren, gehören die genannten auf jeden Fall dazu und wir könnten eine lange Liste anfertigen und natürlich auch noch um Bands aus anderen Genres ergänzen. Als Kompromisslösung nennen wir ohne feste Reihenfolge einige Bands, die aus unserer Sicht ebenfalls Grenzen überschreiten, die uns begeistert und beeinflusst haben: ENSLAVED, BORKNAGAR, PRIMORDIAL, MELECHESH, THE GREAT OLD ONES, ULTHA, FARSOT, NÀTTSÒL, GALAR, NEGURA BUNGET, PANOPTICON und SULPHUR AEON. Grüße bei dieser Gelegenheit an diejenigen, deren Bekanntschaft wir im Laufe der Zeit im Rahmen unserer Tätigkeit beim Culthe Fest in Münster machen durften.

Zurück zum Ursprung

Nach einem kurzen Intro folgen auf „Ritus“ drei durchaus komplexe Stücke. Wie seid ihr beim Songwriting für die EP vorgegangen und welchen Einfluss auf das Songwriting hatte die Tatsache, dass ihr nur zu zweit seid?

Komplexität und eine gewisse Vielschichtigkeit finden wir gut, von daher: danke. So dauert es vielleicht eine Weile, bis Songs richtig zünden, dafür halten sie sich wahrscheinlich auch länger und werden nicht so schnell langweilig, weil mehr Details zu entdecken bleiben. Es würde uns freuen.

Unser Songwriting für „Ritus“ sah zunächst mal so aus, und gestaltet sich in der Regel so, dass wir im ersten Schritt unabhängig voneinander Songentwürfe erarbeiten. Dabei berücksichtigt jeder von uns das gesamte Instrumentarium, das wir verwenden, schreibt also Gitarren, Bass, Drums, Percussions und so weiter. Erst im zweiten Schritt zeigen wir einander die Ergebnisse, also erst dann, wenn ein ganzer Song in seinen Grundzügen steht. Wenn wir uns entscheiden, den Entwurf umzusetzen, beginnt im dritten Schritt die tatsächliche gemeinsame Arbeit daran, mit allem, was dazu gehört: Änderungen, Ergänzungen, detaillierte Ausarbeitung aller Instrumente. Spätestens hier starten wir inzwischen auch mit Prerecordings. Im vierten Schritt entstehen die Lyrics und werden als Vocals aufgenommen, wobei eine erste Idee oder Skizze einer Geschichte meist schon vorher vorhanden ist. Im fünften und letzten Schritt wird dann final aufgenommen.

Bei „Ritus“ war es noch etwas anders: Wir sind wie in diesem Schema gestartet, aber in die finalen Aufnahmen schon irgendwo im Bereich des dritten Schritts gegangen, also mit halb ausgearbeiteten Songs. Es war daher noch einige Detailarbeit zu machen, einiges lief parallel, was uns aber auch zum Experimentieren angeregt hat. Insofern hat das so auch ziemlich gut geklappt. Inzwischen ziehen wir es trotzdem vor, früh aufzunehmen, und arbeiten mit Prerecordings.

In der Ausgestaltung sind Vocals und Lyrics meine Domäne, Gitarren die von Absorber, ohne hier aber Exklusivrechte gepachtet zu haben, haha. Darüber hinaus und insgesamt ist sowohl „Ritus“ als auch unsere kommende Musik durch und durch ein gemeinsames Projekt.

Die Benennung der Songtitel mit den Vorsilben und Bindestrichen folgt einem erkennbaren Muster. Wie seid ihr darauf gekommen?

Das können wir ehrlich gesagt nicht so ganz genau beantworten, es hat sich einfach beim Ausarbeiten des Konzepts und Schreiben der Lyrics ergeben. Natürlich steckt hinter der Benennung der Gedanke, die Zusammengehörigkeit der Songs und damit unser Konzept inhaltlich und formal kenntlich zu machen. Insofern sind die Titel schon aufeinander abgestimmt. Das angesprochene Muster der Benennung stand aber nicht von vornherein fest, sondern entstand auf dem Weg zu den Lyrics.

Inspiration durch Mythologie

BESTIALIS liegt ein Konzept zu Grunde. Magst du das einmal bitte erläutern?

Gerne und richtig, BESTIALIS verfolgt von Anfang an ein Konzept, in das unsere Lyrics eingebettet sind. Unsere Grundprämisse ist es, Menschen als – in erster Linie und bester Weise – tierische Wesen aufzufassen, und folglich, und im Kern, die bestia oder das Tierische im Menschen zu erkunden, zu proklamieren und zu verehren. Wir stellen dies gegen ein verbreitetes Bild, demnach inhumanes Verhalten als tierisch abgewertet wird. Und wir drehen das Bild um, indem wir das Tierische im Menschen neu und positiv bewerten.

Inhaltlich bedeutet das für uns, sich mit humanimalen Ursprüngen, mit urtümlichen und überhaupt mit anderen Formen des Lebens und Zusammenlebens, mit Bedürfnissen, Gefühlen und instinktivem Verhalten auseinanderzusetzen. Es ist eine Suche nach einem anderen Menschenbild und Menschsein. Und eine Formierung gegen post-industriellen Funktionalismus, gegen Fortschrittsglaube und vermeintliche Zivilisation. Ein post-modern motiviertes Back-to-the-Roots im Sinne eines Back-to-the-Future: aus der Gegenwart, in die Vergangenheit, in und für die Zukunft – ohne in Vergangenem stecken zu bleiben. All dies ist eine persönliche, lyrische Bewältigung, das keinerlei politisch-gestrige Vereinnahmung erlaubt, um das klar zu sagen. Wir sind beide überzeugte Vertreter einer multi- oder besser transkulturellen, offenen Gesellschaft.

Dieses Konzept setzen wir in unseren Songs vor allem in Geschichten um, die oftmals einen konkreten Ausgangspunkt innerhalb der Literaturgeschichte haben, wie zum Beispiel im Gilgamesch-Epos. Insgesamt haben sich Mythen und Mythologien, einschließlich späterer Neuinterpretationen, für uns als interessantes Inspirationsfeld erwiesen. Die darin enthaltenen Lehren nehmen wir uns vor, nehmen sie auseinander und setzen auf dieser Basis etwas Neues zusammen, ein weiteres Puzzlestück einer stark individualistischen und auf unsere Weise animalistischen Weltsicht.

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Quelle: Foto: Janine Ulbrich
13.11.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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