Enslaved
Interview mit Ivar und Grutle zu "Riitiir"

Interview

Enslaved

Ähnlich lang wie ihr Weg von den ersten musikalischen Gehversuchen 1991 bis in die heutigen Tage, in denen „Riitiir“ ihr zwölftes Album markiert, fallen auch die Antworten der beiden ENSLAVED-Protagonisten Ivar Bjørnson und Grutle Kjellson im Gespräch zur kommende Woche erscheinenden Platte aus. Und die beiden Bergener reden nicht nur viel, sondern haben tatsächlich Interessantes zu erzählen.

Beim ersten Durchgang war ich von eurem neuen Album „Riitiir” doch etwas enttäuscht, aber nach und nach realisierte ich, dass es besser ist, als der erste Eindruck glauben machen wollte – mit seinen Kontrasten zwischen harten und sanften Passagen und einigen starken atmosphärischen Refrains. Ist das auch eurer Meinung nach der Charakter der Scheibe?

Grutle: Ja, absolut. Selbst ich habe gedacht, dass das Album wenig kann, als ich es zum ersten Mal gehört habe [lacht]. Aber wir sind mittlerweile sehr stolz auf das Resultat. Ich glaube, dass wir ein starkes, dynamisches Album geschaffen haben – und wenn es einige Durchläufe braucht, bis man die Musik vollends zu schätzen lernt, dann ist das für gewöhnlich ein gutes Zeichen. Die Hörer müssen letztlich entscheiden.

Worin liegen für euch die größten Unterschiede, wenn ihr „Riitiir“ mit seinem Vorgänger „Axioma Ethica Odini“ vergleicht?

Ivar: Ich denke, dass „Riitiir“ abwechslungsreicher und in jeder Hinsicht größer ist. Die Melodien sind interessanter, die sanften Passagen schöner, die aggressiven Abschnitte rauer und so weiter. „Axioma Ethica Odini“ war, wie sein Vorgänger „Vertebrae“, vielleicht ein spezialisierteres Album – das erste zeigte sich direkter, stellte die Metal-Aspekte ENSLAVEDs in den Fokus, das letztgenannte eher die sanfte, introvertierte Seite unserer Musik. „Riitiir“ repräsentiert für mich eine Synthese dieser beiden Richtungen – und zugleich beruft es sich mit seinen freieren Strukturen, längeren Liedern und härteren Ausbrüchen auf die Wurzeln der Band.

Wie kam es denn dazu, wie entstanden die Stücke?

Ivar: Die Herangehensweise im Schreibprozess war grundsätzlich die gleiche wie immer: Ich habe einige verrückte Ideen und isoliere mich, um sie in Lieder zu fassen. Doch dieses Mal war es speziell, gab es doch einen immensen Fluss an Inspiration während des Prozesses und dieser Funke sprang über in den Rehearsal-Prozess, in das Herausarbeiten von Details und schließlich in das Aufnehmen und Mixen des Albums. Wir haben Schlagzeug, Bass und meine Gitarren live im Studio aufgenommen und ich denke, dass diese „Es-ist-das-wonach-es-klingt“-Herangehensweise dem Album Leben einhaucht.

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Der Klargesang ist auf dem neuen Werk prominenter als jemals zuvor. Denkst du, dass ENSLAVED den rauen, gekrächzten Gesang eines Tages gänzlich über Bord werfen oder wird er immer ein wichtiger Bestandteil eurer Musik bleiben?

Grutle: Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, die Dinge im Gleichgewicht zu halten. Wir lieben die Dynamik zwischen den rauen, lauten Momenten und den sanften und schönen. Deshalb sind beide Gesangsstile wichtig. Wir werden uns niemals dafür entscheiden, nur den einen oder den anderen zu benutzen, das wäre völlig konstruiert und würde alle Kreativität töten. Wir sehen einfach, wohin der Weg uns führt, machen keine Pläne, so oder anders zu klingen.

Könnt ihr mehr Informationen zum inhaltlichen Konzept von „Riitiir“ geben? Es handelt von Ritualen – was verbirgt sich genau dahinter?

Grutle: Ich möchte nur einige Hinweise geben, denn ich mag es, Texte zu lesen und selbst zu interpretieren, anstatt alles genauestens zu erklären. Das gilt übrigens für alle Formen der Kunst. Jedenfalls sind die Texte mittels eines Konzepts lose verbunden, das sich mit den Instinkten befasst, die die Menschen in vormonotheistischer Zeit hatten. Wir betrachten Gemeinsamkeiten, die man in sehr verschiedenen Kulturen und Mythologien auf der ganzen Welt finden kann. Menschen aus völlig anderen Winkeln der Welt, ohne Kontakt miteinander, scheinen fast exakt die gleichen Götter, die bestimmte Kräfte symbolisieren, geteilt zu haben – lediglich unter anderen Namen. So kann man sagen, dass wir eine uralte, metaphysische Geisteswelt teilten, die gleichen irrationalen Ängste und den gleichen Hang zu etwas Größerem, Göttlicherem als die Menschheit selbst.

Was außer diesem Thema hat ENSLAVED denn in den letzten beiden Jahren beeinflusst? Gesellschaftliches, andere Künstler?

Ivar: Ich bin nicht sicher, ob gesellschaftliche Entwicklungen überhaupt eine Bedeutung für ENSLAVED haben. Sicher, es passieren allerlei verrückte und extreme Dinge in der Welt, aber unsere Musik und Kunst beschäftigt sich mit etwas „darüber“; mit etwas, das außerhalb der banalen, weltlichen Dinge liegt. Unsere Musik soll für jedermann sein, überall – für mich persönlich verlieren Musik und Inhalte, die zu deutlich an bestimmte Ereignisse, Politik oder politisierte Religion angelehnt sind, ihre künstlerische Essenz und entziehen dem Hörer die Möglichkeit, seine eigenen Erfahrungen hineinzulegen und seine eigenen Ableitungen zu machen.

Wir sind alle sehr aktive Musikhörer – vielleicht mit Ausnahme unseres Schlagzeugers Cato, der seine freie Zeit in den Bergen und auf dem Wasser verbringt – und deshalb hat uns natürlich eine Menge Zeug beeinflusst. Ich persönlich habe die letzten Jahre zurückgeblickt und meine wichtigsten musikalischen Einflüsse der letzten 20 Jahre begutachtet, eine Art „Best Of“-Phase, während ich gleichzeitig nach neuen und interessanten Sachen Ausschau hielt, um die Sammlung zu vergrößern. Das ist eine schöne Mischung aus klassischem Prog-Rock, Black Metal, 70er-Jahre-Ambient-Musik, neuer alternativer Musik und so weiter. Und natürlich bin ich auch offen für andere Kunstformen, habe großartige Filme wie etwa „Valhalla Rising“ gesehen und einige inspirierende Bücher gelesen.

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Quelle: Ivar Bjørnson und Grutle Kjellson
19.09.2012

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