Neaera
Die Natur des Menschen

Interview

Wie seid ihr sieben Jahre nach „Ours Is The Storm“ an das Songwriting herangegangen? Hat sich an eurem Prozess gegenüber früher etwas verändert?

Stefan: Es hat sich auf dem siebten Album eine ganze Menge geändert. Hatten zuvor noch Tobias, Sebastian [Heldt, Schlagzeuger] und ich die Songs im Proberaum zusammengezimmert, haben wir dieses Mal eine modernere und gängigere Variante des Songwritings benutzt. Tobias hatte superviele geile Ideen, die er dann mit der Unterstützung unseres sehr geschätzten Produzenten Tristan Hachmeister in Osnabrück erstmals zu Songs gemacht hat. Diese wurden dann vorproduziert und von uns verfeinert. Zuletzt konnte ich mir dann mittels einer soliden Vorproduktion Gedanken zur lyrischen Ausgestaltung machen, was für mich richtig geil und total erfüllend war.

Als erste Single habt ihr „Torchbearer“ ausgewählt. Wie schwierig war die Entscheidung, welcher Song euer erstes musikalisches Lebenszeichen nach knapp sieben Jahren werden sollte?

Stefan: Tatsächlich relativ einfach! Nachdem alle Vocals fertig waren, stach „Torchbearer“ hervor und erfüllte für uns alle wesentlichen Kriterien für ein erstes Lebenszeichen.

Ihr habt dazu einen schlichten Performance-Clip in der Sputnikhalle in eurer Heimatstadt Münster gedreht. Gab es auch andere Ideen?

Stefan: Diese Idee war tatsächlich unsere einzige Idee. Wir wollten kein Klimmbimm oder Schnickschnack. Ähnlich wie die Songs, der Titel des Albums oder die Promofotos sollte auch das erste Video essentiell sein und einfach unmissverständlich rüberbringen, wofür die Band steht.

An welche falschen Führer ist „False Shepherds“ gerichtet?

Stefan: An Populisten aus der rechten Ecke, Pegida und die AfD. Es wird der für uns erschreckende Rechtsruck in Deutschland und auch Europa verarbeitet, der ja auch mit einer Etablierung von moralischen Tabubrüchen einhergeht, wie zum Beispiel auch in den USA zur Zeit stark zu beobachten ist. Die falschen Hirten sind diejenigen, die einem – meist auf dem Rücken anderer – einfache Lösungen zu komplexen Problemen anbieten und dafür Beifall und Zustimmung bekommen.

„Rid The Earth Of The Human Virus“ ist ein ziemlich provokanter Titel und gibt mir das Gefühl, dass ihr nicht gerade viel Hoffnung für unsere Zukunft auf diesem Planeten hegt. Ist dem tatsächlich so? Wovon genau handelt der Song?

Stefan: Der Song arbeitet mit der zunächst einmal provokanten These, dass die Welt ohne den Menschen besser dran sei. Aber so falsch ist es ja auch leider nicht. Es ist schon hart mitanzusehen, wie der Amazonas so radikal dezimiert wird oder dass die Menge von Müll, der Verkauf von SUVs oder der Konsum von Flugreisen oder Kreuzfahrten, trotz Klima- und Umweltproblematik einfach immer mehr ansteigt.

In meinem persönlichen Umfeld erlebe ich immer wieder, dass viele Menschen die Augen davor verschließen, dass unsere Gesellschaft auf den sicheren Untergang zusteuert. Im Internet findet man solche Leute erst recht in erschreckend großen Mengen. Woran glaubst du, liegt das?

Stefan: Ich denke es liegt in der Natur der Sache beziehungsweise des Menschen. Es ist sicherlich schwierig, sich und seine Lebensweise zu ändern. Aber es ist wohl noch schwieriger, sich die Zukunft vorzustellen oder Mitgefühl mit Menschen in anderen Ländern zu haben, deren Leben leider auch wegen unserer Lebensweise schlechter und teilweise lebensbedrohlich ist und dann deswegen sein Verhalten zu ändern. Und dann gibt es sicherlich in Deutschland zusätzlich noch das Problem, dass die Angst vieler Menschen, man wolle ihnen was wegnehmen, ihnen etwas von oben aufoktroyieren oder sie manipulieren, größer ist, als die Vernunft.

Einer der Songs trägt den Titel „Lifeless“ und einer „Deathless“. Sind die beiden Tracks inhaltlich miteinander verbunden? Oder gibt es sogar einen roten Faden, der sich durch die gesamte Platte zieht?

Stefan: Den gibt es! Die Texte werden ab „Lifeless“ auf der Platte persönlich beziehungsweise beziehen sich auf das Emotionale, während alle Texte zuvor im Grunde politischer beziehungsweise sozialer Natur sind. Das passt zu dem Titel der Platte. Neaera war ja eine versklavte und später selbst befreite Frau und ist somit für uns ein globales Sinnbild für Unterdrückung und Freiheit. Die Wut über die Welt, die in „Resurrection of Wrath“ zum Ausdruck kommt, ist da programmatisch. „Lifeless“ behandelt das Thema sexueller Missbrauch aus Täterperspektive, „Deathless“ aus Opferperspektive. Die Songs dazwischen, „Eruption in Reverse“ und „Torchbearer“, sollen im Sinne der Tracklist negative Folge und Hoffnungsschimmer solcher ekelhaften Taten darstellen, haben aber eigene zentrale Themen.

Im Sommer stehen für euch einige Shows auf dem Plan. Was kommt danach für NEAERA?

Stefan: Gute Frage! Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich da irgendjemand schon Gedanken zu gemacht hat. Aber ehrlich gesagt sind wir im Moment alle viel zu aufgeregt, als das wir weiter denken könnten.

Galerie mit 53 Bildern: Neaera - With Full Force 2012

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Quelle: Stefan Keller
25.02.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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