Synthetic Breed
Interview mit Vincent Zylstra

Interview

Synthetic Breed

Australien – für viele Aussteiger Segen und Ziel ihrer Träume, aber als Startplatz für Bands mit Potential wohl eher ein Fluch. Die australische Band SYNTHETIC BREED, die mit „Catatonic“ einen unwiderstehlichen Kracher von Debüt-Album hingelegt haben, kämpfen jedenfalls mit harten Bandagen, um sich internationales Gehör zu verschaffen. Wer sie nicht (wie ich) zufällig über das Internet kennengelernt hat, hatte vielleicht auf dem WITH FULL FORCE 2006 schon die Gelegenheit, diese beeindruckende Band live zu erleben. Und wem SYNTHETIC BREED rein gar nichts sagen, der sei besonders herzlich eingeladen, wenn ich mit der Band auf Tuchfühlung gehe!

Ihr habt 2001 zunächst zu viert in Melbourne losgelegt. Nun zählt ihr fünf Mitglieder und wir haben es sieben Jahre später. Wie und wann hat eigentlich alles angefangen, und wer hatte die Idee, SYNTHETIC BREED zu gründen?

Schon von Anfang an war geplant, dass SYNTHETIC BREED eine fünfköpfige Band werden sollte. Während der Aufnahmen zu unserer ersten EP waren wir sogar nur zu dritt. Vincent Zylstra hatte bereits seit den späten 90ern versucht, diese Band zusammenzukriegen. Es war wie ein ständiger Kampf, gleichgesinnte Musiker zu finden, die mit der gleichen Leidenschaft, Hingabe und Talent dabei sind.

Ihr bezeichnet euren Stil selbst als „Cyber Metal“. Dieser Begriff taucht manchmal im Zusammenhang mit kitschig-klingenden Synthesizern und überzuckertem Melodic Death Metal auf. Euer Sound hingegen ist sehr aggressiv, Gitarrendominiert und arbeitet mit poly-rhythmischen Strukturen. Was verbindet ihr persönlich mit dem Begriff „Cyber Metal“?

Zunächst muss ich sagen, dass ich nicht viel von Labels und Kategorien halte, ich glaube eher daran, dass man einen bestimmten Stil von Musik entweder mag, oder nicht. Dieses Label, „Poly-rhythmic Cyber Metal“, benutzen wir nur aus dem Grund, dass wir es müssen. Die Leute mögen es, Dinge zu kategorisieren, um sie schon von vornherein zu ver-/beurteilen. Den „Cyber“-Anteil in unseren Songs sehe ich als Reflektion der Atmosphäre, die ich sehe, fühle und höre, im Gegensatz zur wörtlichen Bedeutung dieses Begriffs.

Was denkt ihr, welches Element steht für euch im Vordergrund – das menschliche oder das mechanische? Oder ist SYNTHETIC BREED eine Art Hybridwesen, welches menschliches Handeln mit technischen Gerätschaften vereint? Biomechanischer Metal?

SYNTHETIC BREED ist vor allem ein Statement über und Reflektion der materiellen Welt, in der wir leben, und wie diese Welt auf die mentale und soziale Entwicklung der westlichen Gesellschaft eingewirkt hat.

Wer hatte eigentlich die Idee für den Bandnamen? Wusstet ihr, dass es eine Schweizer Band mit einem ganz ähnlichen Namen gibt (SYBREED, welches für eine gekürzte Form von „Synthetic Breed“ steht)? Sie spielten für eine Weile sogar einen ähnlichen Stil wie ihr, mittlerweile sind sie jedoch im Melodic Death Metal angekommen.

Der Bandname ist das Ergebnis eines Treffens, welches wir als Band hatten, und auf dem es einzig und allein darum ging, einen Namen für uns zu finden. Wir haben Listen voller Ideen und Konzepte abgeklopft, bis wir uns endlich auf diesen einen Namen einigen konnten. Ein paar Jahre später wurden wir von SYBREED kontaktiert, dass wir doch bitteschön sofort damit aufhören sollten, diesen Namen zu benutzen. Wir haben sie höflich darauf hingewiesen, dass wir diesen Namen schon seit Jahren ganz legal tragen.

Woher bezieht ihr eure Inspirationen, welche Dinge, Ideen und Konzepte sind euch wichtig?
Fortgeschrittene Technologien, das Künstliche und künstliches Leben, Humanoide und das Biomechanische sind sehr populäre Themen in der Science-Fiction Literatur, und erscheinen heute gar nicht mehr so futuristisch wie vor 50 Jahren, weil die Forschung riesige Fortschritte gemacht hat. Was einmal Sci-Fi war, ist heute Realität. Mit welchen Themen befasst ihr euch in euren Songs?

Was mich an der Welt der Science-Fiction so fasziniert, seitdem ich aufgewachsen bin und mehr dahinter sehe, als bloß Raumschiffe und Roboter, sind die Konzepte hinter solchen Fantasien – Konzepte, die heutzutage nach wie vor relevant sind, und es auch immer bleiben werden. Mich persönlich sprechen vor allem solche an, die sich mit menschlichen Emotionen und Existentialismus befassen, deshalb gehören George Orwell, William Gibson und Isaac Asimov zu meinen favorisierten Autoren.

Was unsere Texte betrifft, sind „die Maschine“ und andere industrielle Konzepte dieser Art Metaphern für unsere mechanisierte Gesellschaft. Unsere hierarchische Gesellschaft besteht aus vielen unterschiedlichen Gruppen von Menschen, jede einzelne mit einem Mechanismus in sich. Diese Mechanismen werden wiederum durch entgegengesetzte Mechanismen kontrolliert. Sie sind voneinander abhängig, ohne sich über ihren Platz und Zweck in diesem Gefüge bewusst zu sein.
Würde die Maschine stoppen, verlören die Mechanismen ihre Bedeutung, was zu einem Denken führen würde, welches frei von unterschwelligen Restriktionen wäre.

Eine Zeit lang war hattet ihr anstelle eines echten Schlagzeugers eine Drummachine. Seit März 2004 sitzt mit Daniel ein Kanonier aus Fleisch und Blut hinter der Schießbude. Es gibt einige Bands, die wie ihr mit einer Drummachine anfingen, und dann aber dabei geblieben sind, weil es einfach zu ihrem technischen und futuristischem Stil gepasst hat, z.B. CONTROL HUMAN DELETE. Andere Bands wie die Industrial-Metaller HANZEL UND GRETYL setzen auf den künstlichen Drummer, weil er im Studio einfach komfortabler und auch billiger ist. Und dann haben wir noch Fälle wie MESHUGGAH und Tools wie das „Drumkit From Hell“, mit denen absolut wahnwitzige Schlagzeugtracks kreiert werden.
Welche ausschlaggebenden Unterschiede seht ihr zwischen künstlichem und menschlichem Schlagzeug, vor allem wenn es um eure eigene Musik geht?

Für mich ist Musik pure Emotion. Nachdem wir als Band beides ausprobiert haben, muss ich sagen, dass es einfach nichts Vergleichbares zu einem menschlichen Schlagzeuger gibt. Durch das synkopatische Zusammenspiel zwischen emotionalem und physischem Ausdruck der Musiker entwickelt die Musik ein ganze eigenes Leben. Das Spielen mit einer Drummachine hat diesen Effekt nie erzeugt. Klar, Drummachines machen keine Fehler, aber dennoch sind es zwei verschiedene Welten. Fehler können nämlich auch der Anreiz sein, neue Ideen zu entwickeln.

Die gerade erwähnten MESHUGGAH bringen mich zum nächsten Punkt, denn sie sind eine der Bands, an die mich eure Musik erinnert. Eine andere wäre FEAR FACTORY. Ich nehme an, dass könnten auch eure Favoriten sein… Welche Bands mögt ihr so, und welche haben einen Einfluss auf eure musikalische Entwicklung gehabt?

Ja, MESHUGGAH haben uns schon früh beeinflusst, allerdings ist niemand von uns ein großer Fan von FEAR FACTORY, vielleicht früher mal für einige Zeit, aber echte Fans sind wir nicht, weshalb es immer erstaunlich ist, wenn uns die Leute FEAR FACTORY-Einflüsse nachsagen.

Bei mir waren es drei ältere Brüder, und das Aufwachsen in der Zeit von BLACK SABBATH, DEEP PURPLE, RUSH und frühe METALLICA, um nur einige zu nennen. Ich sehe diese Bands als frühen Einfluss und es markiert meinen Einstieg in harte Musik. Ich weiß, dass auch Jonas (unser Bassist) die gleichen Bands als Einflüsse bezeichnen würde. Hier noch einige Bands und Persönlichkeiten, die für uns als Band über die Jahre hinweg inspirierend waren: TOOL, VIRGIL DONATI, STEVE VAI, PINK FLOYD, OBLIVION und DEVIN TOWNSEND.
Wenn irgendein Musikstil sicher und mit Leidenschaft gespielt wird, dann kann er dich auch in dem Stil, den du selbst spielst, inspirieren.

In welchen Bands wart ihr vor eurer Zeit als SYNTHETIC BREED aktiv? Oder in anderen Worten: Wie sieht euer musikalischer Hintergrund aus?

Callan: HUMANOID
Vincent: DEMENTIA
JONAS: RADIODIRT, UNIVERSAL WORKSHOP
Daniel: XTREME MEASURES
Darcy: PESTILENT DIVINITY

Keine dieser Bands hatte ein langes Leben, oder hatten etwas mit dem zu tun, was wir als SYNTHETIC BREED heute machen. Aber sie haben uns dabei geholfen, bessere Musiker zu werden.

Ihr habt schon eine beachtliche Stange an CDs herausgebracht, alle ohne ein unterstützendes Label im Rücken. Selbst euer Album „Catatonic“ entstand in völliger Eigenregie. Ihr hattet bereits internationale Gigs, habt die Bühnen mit namhaften Bands geteilt und seid sogar auf dem deutschen WITH FULL FORCE Festival aufgetreten – warum zum Geier hat euch noch kein Label unter Vertrag genommen? Also kein Hinterhoflabel, sondern eins, was so talentierte Bands wie euch auch entsprechend unterstützen kann?

Dazu muss ich sagen, dass es in der Musikindustrie viele Konkurrenzkämpfe gibt: Ein Majorlabel, das in eine Band investiert, setzt oft einiges auf’s Spiel. Das hat, glaube ich, weniger mit Talent zu tun, als mehr mit Geld und der Markfähigkeit eines „Produkts“. Ich denke auch, der Umstand, dass wir in Australien leben, wirkt sich negativ auf uns aus. Die Tyrannei der Distanz existiert heute noch genauso wie früher. Es scheint, dass es soviel in diesem Land gibt, was gegen uns steht, vor allem hinsichtlich dieser Art von Musik. Wir leben in einem großen Land mit einer relativ geringen Bevölkerung und sehr großen Entfernungen zwischen den Großstädten. Wenn man nicht gerade Pop-Musik macht, hat man keine große Chance auf Erfolg.
Was die Vertragssache betrifft, sind das Schwierigkeiten, mit denen nicht nur die Band konfrontiert wird, sondern die Industrie im Allgemeinen. Es gibt hier nur wenige Labels und es ist einfach schwer, aus Australien auszubrechen, weil unser bester Markt so weit entfernt ist.

Ihr habt eine Website mit einigen coolen Features, und stellt eure Musik teilweise bei garageband.com online. Welchen Stellenwert hat das Internet für euch und eure Musik?

Das Internet ist für die Musik zu einem zweischneidigen Schwert geworden. Einerseits ist es großartig, weil man so viele Leute erreichen kann. In der Vergangenheit hätte man aufwendig auf Tour gehen müssen, um die gleiche Wirkung zu erreichen. Die andere Seite ist aber, dass viele Leute denken, sie hätten das Recht, Musik runterzuladen und bereitzustellen.

Wie du vorhin schon gesagt hast, haben wir alle unsere CDs selbst produziert und finanziert. Es ist traurig, dass es so viele Leute im Netz gibt, die nicht erkennen, dass ihre Idole durch die Downloaderei zu Verlierern werden. Jeder will doch für seine Mühen entlohnt werden, und das Argument, dass CD-Käufe und legale Downloads nur den Plattenfirmen zugute kommt, ist doch absoluter Nonsens: Wer illegal Musik runterlädt garantiert nämlich, dass die Künstler GAR NICHTS kriegen.

Einige eurer frühen EPs sind bereits ausverkauft. Woher kommt eigentlich das größte Interesse an euch, und wie sieht es mit den Reaktionen zu eurer Musik aus?

Das ist eine Sache der Wahrnehmung. Die ersten CDs waren stark limitierte Auflagen, und die Songs wurden im Nachhinein neu abgemischt und remastert, und dann mit Bonustiteln neu rausgebracht. Wir lieben die Musik, die wir spielen und wollten sie an unsere Freunde und Fans weiterreichen. Jede CD hat uns dabei geholfen, besser zu werden, so dass wir nun in der Position sind, genau zu wissen was wir wollen, wenn wir neues Material veröffentlichen wollen. Was wir rausbringen, können wir auch absegnen. Es gibt keine Einmischung eines Labels. Was der Fan in den Händen hält, ist 100% SYNTHETIC BREED.
Unsere Fans kennen unsere Hingabe, unsere Leidenschaft und ihre Reaktionen darauf sind Teil unserer Inspirationen.

Ich hoffe, dass dieses Interview dazu beiträgt, deutsche Leser auf euch aufmerksam zu machen 😉 Wie würdet ihr ihnen „Catatonic“ beschreiben? Ich habe zu dem Album zwar ein Review geschrieben, aber das war eben meine Perspektive – wie sieht eure Perspektive auf dieses Album aus?

‚Unsere Botschaft an das deutsche Volk‘: „Catatonic“ symbolisiert einen Daseinszustand, einen Zustand fluktuierender Emotionen und formulierter, chaotischer Aggression, wo Melodie und industrialisierte Harmonie die durch Riffs eingerissenen Wunden besänftigen… Kauft es euch einfach, dann wisst ihr, was ich meine! Wie soll man SOLCHE Musik mit simplen Worten beschreiben?

Unsere Erfahrung mit „Catatonic“ ist, dass es das Ergebnis von vielen Jahren harter Arbeit ist, und einige Leser von metal.de haben uns vielleicht schon 2006 auf dem WITH FULL FORCE gesehen.
Es war auch ein Meilenstein für uns, von dem aus es weitergehen sollte, da das Album Material enthält, was bereits existierte, bevor die Band zusammen gekommen ist. Der Song „Techno Sedation“, zu dem wir unser erstes, professionelles Video gedreht haben, wurde 2001 geschrieben. Auf unseren Webseiten (s.u.) findet ihr die Links zu dem Video.

„Catatonic“ ist ja nun schon eine Weile draußen. Wie sieht’s denn mit den Reaktionen direkt zum Album aus?

Nun ja, wir sind immer noch da! Wir würden liebend gern auf Welttournee gehen, aber das ist ohne Labelsupport nur schwer möglich. Während wir bereits an neuem Material arbeiten, wird das Album hier und da allmählich verbreitet, aber immer noch ohne ausreichende, internationale Unterstützung. Immerhin wurde es bereits im Dezember 2006 fertiggestellt! In Japan kam es im November 2007 raus, dann mit neuem Mix im Februar 2008 in Australien. Und derzeit soll es in Russland, der Ukraine, Weißrussland und Kasachstan veröffentlicht werden.

Die Reaktionen auf das Album waren überwältigend, aber nicht organisiert genug. Wir sind der Industrie ausgeliefert, so sieht’s einfach aus.

Wie weit seid ihr mit dem neuen Material, reicht es bereits für ein zweites Album?

Während der Aufnahmen zu „Catatonic“ haben wir bereits an neuem Material gearbeitet. Wir haben momentan mehr, als wir für ein Album benötigten. Es wird etwas Zeit brauchen, aber wir werden, wenn bei euch Herbst ist, wieder ins Studio gehen. Wir möchten das zweite Album dann gleich von Anfang an weltweit rausbringen, und hoffen, dass wir bis dahin die notwendige Unterstützung haben, damit wir auch weltweit touren können, um das Material live zu präsentieren.

Dafür wünsche ich euch viel Erfolg, eine Menge neuer Hörer und Fans! Macht auf jeden Fall weiter so!

„Vielen Dank, dafuer, dass du dir die Muehe gemacht hast so viele gute Fragen auszudenken. Normalerweise brauchen wir uns nicht so viel Arbeit mit den Antworten zu machen!

Tschues bis demnaechst,
Vincent, Jonas, Cal, Daniel und Darcy“

27.05.2008

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