
Perturbator
European & UK Tour 2025
Konzertbericht
Berlin im Herbst, PERTURBATOR im Huxleys Neue Welt. Was im Jahre 2023 schon ziemlich gut geklappt hat, das sollte doch auch 2025 funktionieren, könnte man meinen. Ein wenig haben sich die Vorzeichen allerdings für den diesjährigen Auftritt der Synthwave-Darksynth-Elektro-Größe aus Frankreich geändert. Statt Krawallo-Elektro-Rap von HO99O9 und den College-Killer-Genre-Kollegen CARPENTER BRUT im Vorprogramm gibt es heuer Krawallo-Synthwave ohne Rap von GOST und das chillige Post-Punk-Wave-Trio KÆLAN MIKLA zu bestaunen. Und während das Huxleys vor zwei Jahren noch aus allen Nähten platze, so ist diesmal der Oberrang abgesperrt und es ist zur Öffnungszeit um achtzehn Uhr noch gähnend leer im Saal. Aber der Abend ist ja auch noch jung und im Verlauf der Veranstaltung sollte sich zumindest die Fläche vor der Bühne noch gut füllen – auch wenn es nicht allzu drängelig wird.
GOST hauen erstmal richtig drauf
Galerie mit 17 Bildern: Gost - European & UK Tour 2025 in Berlin

Pünktlichst um neunzehn Uhr jedenfalls stürmen GOST auf die Bühne, ungeachtet der sich gerade erst langsam füllenden Reihen im Publikum. Mastermind James aka Balberith wird dabei von einem richtigen Bass samt dessen Spieler unterstützt, der dem knalligen Darksynth etwas mehr Tiefe verleiht und auch die Bühnenshow angenehm anreichert – nämlich mit einen fleißig kopfschüttelnden, langhaarigen Typen im Metallerstyle. Allerdings scheint Balberith selbst gerade erst nach einem Nickerchen vom Sofa gefallen zu sein, auffällig unspektakulär ist doch sein Outfit: Mit Adidas-Sportshirt und Cargo-Hose bekleidet unterscheidet sich das heutige Bühnengewand auffallend von den bisherigen Auftritten vergangener Touren. Hier war nämlich strenge Lederjacke, Kapuzenpulli und eine mysteriöse Totenkopfmaske Trumpf. Immerhin hing auf dem Weg vom Backstage zur Bühne wenigstens noch eine Hockeymaske aus dem Halloween-Fundus an der Garderobe, die sich Balberith noch schnell überwerfen konnte und so weiterhin sein Gesicht verbergen kann. Aber kleine Frotzelei beiseite: Die knallige GOST-Energie ist wie gewohnt vorhanden, wie ein kleines Rumpelstilzchen hüpft Balberith über die Bühne – und verlässt diese bereits nach dreißig dynamischen Minuten wieder. Schöner Aufwärmer, direkt auf die Kauleiste und das überwiegend von der aktuellen Scheibe „Prophecy“ stammende Material geht nahtlos in älteres Material über, sodass der Auftritt wie aus einem Guss daherkommt.
Stimmungsvoll und verträumt: KÆLAN MIKLA
Galerie mit 29 Bildern: Kælan Mikla - European & UK Tour 2025 in Berlin

Gut durchgetaktet sind die Umbauzeiten: Kaum zwanzig Minuten später betreten dann auch schon die drei Damen von KÆLAN MIKLA die Bühne – und der Kontrast zu GOST ist erwartungsgemäß erheblich. Die isländische Band strahlt eine bemerkenswerte Ruhe und Zurückhaltung aus. Dabei gelingt es dennoch, das Publikum zu begeistern: Geradezu schüchtern verleiht Sängerin Laufey Soffía wiederholt ihrer Dankbarkeit Ausdruck, in Berlin spielen zu können. Der unaufgeregte und verträumte Post-Punk mit düsteren elektronischen Einlagen passt jedenfalls ganz ausgezeichnet in das verregnete Berlin im Herbst. Und mit dem neueren Release „Stjörnuljós“ gibt es sogar eine Live-Premiere auf deutschem Boden. Wiederholt zeigt die sanfte Redestimme der Frontfrau eine überraschende Diskrepanz zu ihren leidenschaftlich herausgeschrienen Gesangsanteilen. Besonders im vorletzten Song „Sólstöður“ wird dies deutlich, bevor es mit dem fast obligatorischen „Hvítir Sandar“ von der Bühne geht. Ein Auftritt, der durchaus noch länger hätte gehen dürfen.
Farbenspiele mit PERTURBATOR
Doch es bleibt wenig Zeit, die sich einschleichende Melancholie abzuschütteln. PERTURBATOR erlauben nur eine kurze Verschnaufpause. Kaum zwanzig Minuten bleibt die Bühne leer, dann erklimmt James Kent seine Werkstatt. Optisch geben sich PERTURBATOR etwas zurückhaltender als auf den vergangenen Touren: Das übergroße Metall-Leuchte-Pentagramm wurde eingemottet, stattdessen übertragen nun rundherum verteilte Kameras das Livegeschehen auf die dahinterliegenden Leinwände. Ein bisschen Webcam-Charme kommt dabei auf. Das wichtigste Bühnenelement ist allerdings die Beleuchtung: Diese stellt über eine passende Farbwahl den Bezug zwischen den dargebotenen Songs und der jeweiligen Albumgestaltung her. Folglich dominiert am heutigen Abend das tiefe Blau des aktuellen Albums „Age Of Aquarius“, aber auch das Rot von „Dangerous Days“ und das Orange von „The Uncanny Valley“ leuchten auf. Und da James Kent sich nur zum Umhängen einer Gitarre maximal einen Meter von seinem Synthesizer wegbewegt und auch das Drumkit als zweites Element eher immobil daherkommt, bewegen sich halt einfach die darunterliegendem Bühnenbauten. So kommt etwas Bewegung in die Sache und die ansonsten eher statische Angelegenheit, die perfomacetechnisch überwiegend von den emporgereckten Fäusten des PERTURBATOR-Masterminds Kent hinter seinem Synthesizer lebt.
Galerie mit 15 Bildern: Perturbator - European & UK Tour 2025 in Berlin

Dass neben den Stücken von „Age Of Aquarius“ die „New Model“-EP einen prominenten Anteil an der Stagetime erhält, ist wohl Ausdruck der aktuell stärkeren Industrial-Anlehnung von PERTURBATOR. Stilistisch passen das aktuelle Werk und die 2017er-EP in ihrer schweren Ernsthaftigkeit und Härte ganz hervorragend zusammen. Was dadurch allerdings eher kurz kommt sind die pinken Neon-Tracks des Projektes und damit der leuchtende Cyberpunk-Party-Faktor, auch wenn wenigstens die Klassiker „Neo Tokyo“ und „Future Club“ ihren Platz in der Setlist gefunden haben, die leider bereits nach knapp fünfundsiebzig Minuten wieder ihr Ende findet.
Aber letztlich gelingt die inhaltliche Klammer, die das gesamte Tourpaket und die Auswahl der Vorbands zusammenhält: PERTURBATOR sind aktuell weniger ausgelassen als noch vor zwei Jahren, sondern mehr düstere, maschinenhafte Dystopie.
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Sven Lattemann






























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