Perturbator - Lustful Sacraments

Review

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Geschlagene vier Jahre nach der gelungenen „New Model“-EP gibt es endlich das neue Werk von Synthwave-Ikone James Kent – auch bekannt als PERTURBATOR – über Blood Music zu bestaunen. Ob das neue Album mit dem verheißungsvollen Titel „Lustful Sacraments“ tatsächlich ein so lustvolles und eine höhere Wirklichkeit vergegenwärtigendes Ritual ist, wie der Titel verspricht? Die Erwartungshaltung an die neuen musikalischen Ergüsse des Franzosen dürfte jedenfalls knapp unterhalb der Exosphäre liegen, bespielt PERTURBATOR doch mittlerweile große Festivals und wirkt auch in vermeintlich ungewöhnlichen, aber namhaften Kooperationen mit.

„Lustful Sacraments“: Performed by DEPECHE MODUBATOR

Seit einiger Zeit arbeitet sich PERTURBATOR aus der begrenzenden Synthwave-Nische mit dem entsprechenden Genre-Etikett heraus und streckt die Mecha-Tentakel in allerlei angrenzende düster-kühle Spielarten der Musik aus: Gothic (Rock), Dark Techno, (Post) Black Metal, Dark Wave. Lassen wir in Zusammenhang mit dieser Review zu „Lustful Sacraments“ die Frage, ob Synthwave nun wirklich tot ist oder nicht, mal außen vor – eine Frage, die nicht zuletzt von Mastermind Kent selbst plakativ befeuert wurde und deren Erörterung hier sowieso deutlich zu weit führen würde. „Dark Electronics“ jedenfalls ist nunmehr das kaum begrenzende Zauberwort für PERTURBATOR und die (ja doch nicht mehr ganz) neue stilistische Ausrichtung. „The Uncanny Valley“ (2016) deutete diese Entwicklung mit seinem melodiösen Dark-Synth ja bereits an, „New Model“ wagte Schwimmversuche ohne Rettungsring in diesen tiefen, schwarzen Gewässern, „Lustful Sacraments“ vollzieht nun einen weiteren Schritt: Raus aus dem Vektor-Neon-Segment, hin zu einer Befassung mit den vorgenannten Einflüssen von Gothic bis Wave.

Richtig hart ist der Bruch in der Diskographie und der kompositorischen Linie von PERTURBATOR letztlich aber nicht, vielmehr folgt ein nächster, logischer und durchaus homogener Schritt, der die eigenen Wurzeln weiterhin durchscheinen lässt – oder um im besten Genre-Umfeld-Sprech zu bleiben: Drei Schritt vor und, naja, eineinhalb zurück, und nen halben zur Seite vielleicht. Exemplarisch sei dabei „The Other Place“ herausgegriffen, das die Synthwave-Wurzeln dann doch überraschend, erfreulich stark betont und wie eine Verbeugung vor dem eigenen früheren Schaffen wirkt – und damit letztlich natürlich auch die Zuordnung zu dieser Kategorie „SynthOrDie!“ rechtfertigt. Auch der Titeltrack schlägt hart in diese Kerbe. Ebenso weitergeführt wird das cineastische Element, das mit dem Opener „Reaching Xanadu“ und dem fetzigen „Messalina, Messalina“ im besten BLADE RUNNER-Stil ausgelebt wird.

Auf der anderen Seite der Medaille findet man dann die Zusammenarbeit mit den hierzulande eher unbekannten Gothic-Rockern TRUE BODY in dem schmachtenden „Secret Devotion“, die den DEPECHE MODE-Einschlag so richtig plakativ zur Geltung bringen, und das Wirken mit den durchaus bekannteren und ebenso famosen Doom-Rockern von HANGMAN’S CHAIR in „God Says“. Nicht unerwähnt bleiben darf auch das hämmernde „Death Of The Soul“, das deutlich in Richtung EBM schielt. Da kommt der gute alte Subwoofer ordentlich ins Schwitzen. Praktisch, dass PERTURBATOR bei aller Gothic -Hommage keinen Doktor Avalanche als Komplizen vorschieben muss, um die nötigen hämmernden, allgegenwärtigen und markanten Beats zu generieren.

PERTURBATOR: Der Quentin Tarantino des düsteren Elektro

Diese unterschiedlichen Facetten und Nuancen machen „Lustful Sacraments“ zu einem spannenden und abwechslungsreichen Album. Anerkennung für den Mut, das nerdig-cyberpunkige Umfeld von „Dangerous Days“ zu verlassen, damit das Synthwave-Terrain weiter auszudehnen und sich neue Zielgruppen zu erschließen, gibt’s obendrauf: „Lustful Sacraments“ lebt von dem Spaß eines James Kent stilistische Grenzen auszuloten und mit Einflüssen zu spielen. Das ist ganz und gar nicht verwerflich – ganz im Gegenteil – waren es in der Vergangenheit halt VANGELIS und JOHN CARPENTER anstatt heuer die NINE INCH NAILS und THE SISTERS OF MERCY.

PERTURBATOR ist es dabei gelungen seine Zitatensammlung stets mit einem eigenen, unverwechselbaren Touch zu versehen. Und diese Zusammenstellung fällt mit dem aktuellen Album durchaus differenzierter und zugänglicher aus, als noch auf „New Model“. „Lustful Sacraments“ ist damit ein guter Einstieg, um sich mit weiterer zeitgenössischer, elektronischer Musik der finsteren Machart zu beschäftigen und sich mit Projekten wie SHE PAST AWAY über HANTE. bis zu DRAB MAJESTY zu befassen. Ergänzend wollen dann auch die Größen der 1980er-Jahre von NEW ORDER bis DEPECHE MODE oder auch KRAFTWERKs „Die Mensch-Maschine“ rausgekramt, aufgelegt und gewürdigt werden, um sich den Kompositionen von „Lustful Sacraments“ zu nähern. PERTURBATOR als Türöffner, ein bisschen vergleichbar mit Regisseur Quentin Tarantino, der mit unzähligen filmhistorischen Referenzen arbeitet und damit eine Neuentdeckung seiner Einflüsse durch jüngere Generationen befördert.

Wieder zugänglicher, aber doch nicht glatt: „Lustful Sacraments“

PERTURBATOR ist heuer ohnehin eines der interessantesten Projekte der düster-elektronischen Musik. Das hat nicht zuletzt auch der hochzuschätzende Walter Hoeijmakers vom Roadburn Festival erkannt, der ohnehin über jeglichen Verdacht des Scheuklappendenkens erhaben ist und James Kent zu einem seiner Kuratoren für die 2020er-Ausgabe des Festivals ausgerufen hatte – und dessen große Stunde leider aufgrund der aktuellen Live-Beschränkungen (bislang) nicht schlagen konnte. Sei es auch erlaubt an dieser Stelle eine Parallele zu dem aktuellen Werk von ULVER (den anderen unlängst hier gewürdigten Zitatesammlern der elektronischen Musik) zu ziehen: Ähnlich wie „Flowers Of Evil“ schleicht sich auch „Lustful Sacraments“ eher etwas zögerlich und nach mehreren Hördurchgängen ein – auch hier findet man seine Liebe vielleicht erst auf den zweiten oder dritten Anlauf.

So catchy und leicht zugänglich, wie viele der Einflüsse aus den 1980er und frühen 1990er-Jahren daherkommen, macht es einem dieses Album dann doch nicht. Den stellenweise apokalyptischen Grundton dieser Zeit fängt PERTURBATOR mit seinen dystopisch und teils wuchtig anmutenden Kompositionen allerdings hervorragend ein, transportiert ihn in die heutige Zeit und verleiht den Tracks einen zeitgemäßen Touch – Gründe für eine schwarzmalerische Weltsicht und trostlose Zukunftsaussichten gibt es heuer ja auch zur Genüge.

Und auch wenn die Exosphäre letztlich nicht ganz erreicht wird (wie das halt so ist mit Erwartungshaltungen), so schlägt sich „Lustful Sacraments“ doch vortrefflich. Unbeirrt und stilsicher geht PERTURBATOR auf seinem Weg voran und liefert mit „Lustful Sacraments“ eine überaus hörenswerte Melange düster-elektronischer Klänge ab: Modern, eigenständig und schwer – und hörbar stilistisch gereift.


Kein Metal und trotzdem für viele Metaller interessant: Synthwave. Die elektronische Spielart rund um apokalyptische Endzeit, Palmen in Miami und Neonreklame wird einmal monatlich auf metal.de mit einem ausgewählten Release gewürdigt. Also: Synth Or Die!

21.05.2021

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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