
Pro-Pain
Hardcore mit Haltung
Konzertbericht
Wenn Gary Meskil mit PRO-PAIN zum Tanz – oder besser: zum Pogo – bittet, dann folgen ihm seine Fans. So auch jüngst am 18. Juli, einem sonnigen Freitagabend, als sich die Freund:innen brachialer Töne nicht lange bitten lassen und lieber zum Konzert nahe der Kölner Messe pilgern als an ein lauschiges Plätzchen am Rhein. Dass das jüngste Album der Band inzwischen zehn Jahre alt ist, tut der Popularität keinen Abbruch – im Gegenteil: PRO-PAIN ziehen nach wie vor zuverlässig die (mitgealterten) Fans an.
Gesichter unter 30 lassen sich kaum ausmachen, weshalb das Gebäude 9 zwar gut gefüllt ist, aber noch einmal so viele Besucher:innen vertragen könnte. An der Intensität des Abends ändert das jedoch nichts, so viel sei schon einmal verraten. Band und Fans bringen die Temperatur im Club so weit in die Höhe, dass selbst beim höchst passiven Herumstehen irgendwann der Schweiß herunterläuft.
SKUM sind lokal, laut und leidenschaftlich
Bis es so weit ist, gehört das Gebäude 9 aber erst einmal den Lokalmatadoren SKUM, die pünktlich um kurz nach 20 Uhr die Bühne entern. Die Kölner eröffnen den Konzertabend mit einer gelungenen Mischung aus groovebetontem Death Metal, Göteborg-Melodien und einer ordentlichen Prise High-Speed-Thrash. Sie sind klanglich präzise und druckvoll, dabei aber unprätentiös im Auftreten. Es geht ihnen darum, mit ihrer Musik zu überzeugen, nicht mit ihrem Outfit oder irgendwelchen Bühnengimmicks.
Soundtechnisch wird die Vorband gut behandelt, sodass die einzelnen Instrumente gut herauszuhören sind – selbst der Bass, der sonst gerne mal in den Hintergrund gerät. Erfreulich ist auch das differenzierte Gitarrenspiel, das hin und wieder mit einem Solo überrascht, besonders stark beispielsweise gegen Ende des vierten Songs „Cowards“. Einen Song später verlangt Sänger Nikola Grgic bei „Prašina“ („Staub“), dem Titeltrack des dritten (und 2013 veröffentlichten) Albums, sowohl Liebe als auch Hass vom Publikum – und bekommt beides in Form von Zustimmung und Action vor der Bühne.
Insgesamt zehn Songs brettern SKUM in 45 Minuten runter und zusätzlich ein spontanes Geburtstagsständchen für einen Fan namens Patrick. Unter dem Strich haben die Kölner ihren Job als Anheizer nicht nur erfüllt, sondern hoffentlich auch ein paar neue Fans gewonnen. Verdient hätten sie es.
PRO-PAIN: eingespielt bis ins Mark
Um 21:30 Uhr übernimmt der Headliner. Was folgt, ist ein gut 70-minütiger Abriss, der sich gewaschen hat. Auch wenn PRO-PAIN auf den ersten Blick wie eine kompromisslose Dampfwalze wirken, wissen sie genau, wann Groove, wann Härte und wann Melodie gefragt ist. Spätestens bei „Stand Tall“, dem dritten Song, wird klar, dass die Leadgitarre genug Raum zum Atmen bekommt und Greg Discenza auch Soli spielen darf. Das Set ist routiniert, aber nie langweilig. Eine Setlist gibt es nicht, weder auf der Bühne noch am Mischpult, aber die Band hat das Programm so sehr verinnerlicht, dass Timing und Dynamik trotzdem stimmen. PRO-PAIN sind einfach eingespielt bis ins Mark.
Die Ansagen von Gary Meskil zu den Songtiteln sind dabei teils unverständlich, was wahlweise an seinem amerikanischen Zungenschlag oder seinen malträtierten Stimmbändern liegen mag, die ihn – wie es ein Konzertbesucher in einer Atempause formulierte – wie einen wütenden Pitbull klingen lassen. Die-Hard-Fans sind daher klar im Vorteil, da sie jeden Song erkennen und, zumindest am Rand stehend und mit genügend Atemluft, die Texte teilweise mitsingen.
Ein Rollstuhlfahrer im Pit – und mittendrin statt nur dabei
Das Publikum goutiert den Sound seiner Helden, denn von der ersten Minute an tobt vor der Bühne ein kleiner, aber beständiger Moshpit. Beim achten Stück, „Death Wish“, wagt sich der Rollstuhlfahrer aus der ersten Reihe direkt vor der Bühne in den Pit. Ob hier der Songtitel Vater des Gedanken war? Man weiß es nicht. Die pogenden Pro-Pain-Jünger:innen sind jedoch enorm rücksichtsvoll und schirmen den Kollegen ausreichend ab, sodass er mitmachen kann, ohne zermalmt zu werden.
Ein paar Songs später wagt sich der Rollstuhlfahrer ein zweites Mal in die Arena. Hier stellt sich erneut die Frage, ob der gerade laufende Song ein Auslöser ist, schließlich passt „Fuck It“ erneut wie die Faust aufs Auge. Im Anschluss initiiert Meskil einen Circle Pit, den besagter Fan anführt. Es ist einer dieser Momente, die man so schnell nicht vergisst – und ein schönes Statement hinsichtlich Inklusion und Zusammenhalt in der Szene.
Neuer Alter – Rückkehrer Eric Klinger zurück an Bord
Danach stellt Meskil seinen alten Mitstreiter Eric Klinger vor, der von 1999 bis 2007 schon einmal an Bord war. Der zurückgekehrte Recke wird allerdings als einziger hervorgehoben. Eine mögliche Erklärung: Klinger ist mit seinem zweiten Einstieg im Jahr 2024 quasi „der Neue“, während Leadgitarrist Greg Discenza seit 2019 dabei ist und Drummer Jonas Sanders seit 2012. Meskil geht wohl davon aus, dass die beiden der Meute bereits bestens bekannt sind. Schließlich waren PRO-PAIN ziemlich genau ein Jahr früher, am 11. Juli 2024, zuletzt im Gebäude 9.
Mit „Make War Not Love“ endet das reguläre Set nach gut 50 Minuten. Die Zugabe folgt prompt und beinhaltet unter anderem „Johnny Black“ vom Debüt „Foul Taste Of Freedom“ sowie als rauschenden Abschluss „Crush“ von „Contents Under Pressure“.
Bevor dann endgültig die große Beleuchtung angeht, nimmt sich Meskil noch etwas Zeit, um den „PRO-PAIN-Weg“ zu erklären. In aller Kürze: Man sieht sich als freie Denker, die Regierungshandeln grundsätzlich kritisch gegenüberstehen. Deshalb sei man Anfang der 1990er-Jahre zu Zeiten Bill Clintons als „rechts“ bezeichnet worden, während man in den republikanischen USA der Gegenwart als „links“ gelte. Meskil erläutert, dass der gerade gespielte und gefeierte Song „Make War Not Love“ nichts mit Kriegstreiberei zu tun hat, sondern den inneren Kampf behandelt, seine Ziele zu erreichen.
Fazit: PRO-PAIN bleiben relevant
Das Publikum stimmt dem politischen Statement weitgehend zu, auch wenn nach ungefähr 70 höchst intensiven Minuten die Energiereserven ziemlich verbraucht sind. Die erschöpften, aber glücklichen Gesichter sprechen aber eine deutliche Sprache. PRO-PAIN haben zudem gezeigt, dass sie auch nach über drei Jahrzehnten kein bloßer Legacy-Act sind, sondern ein Garant für wuchtige, ehrliche Live-Shows.
Mit ein wenig Glück ist die Location in der nächsten Runde (vielleicht im Sommer 2026?) ausverkauft oder es wird ein größerer Club mit mehr Platz für Fans gebucht. Meskil kündigte nämlich ein neues Album an. Es wäre eine Freude, dann neben alten Klassikern auch zu neuen Brechern die Knochen durchschütteln zu lassen.
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 38101 Reviews und lass Dich inspirieren!
Torsten Meierhöfer


















Kommentare
Sag Deine Meinung!