Steven Wilson
Hand. Cannot. Erase. Tour – live in Neu-Isenburg

Konzertbericht

Billing: Steven Wilson
Konzert vom 2015-03-28 | Hugenottenhalle, Neu-Isenburg

SAMSTAG, 28. MÄRZ 2015, HUGENOTTENHALLE NEU-ISENBURG

Neu-Isenburg. Allein die Parkgebühren von 30 Cent pro Stunde beweisen, dass wir uns hier und heute ein bisschen im Nirgendwo befinden. Aber wenn man gegen 19:30 Uhr 1400 wartende Progheads vor dem städtischen Kulturzentrum erblickt und dieses lang vermisste Gefühl aufkommt, heute Abend mal wieder kräftig den Altersdurchschnitt zu senken, dann fühlt man sich doch gleich etwas heimisch. Dabei ist der hier gastierende STEVEN WILSON mit seinem aktuellen Studioalbum doch eigentlich gewillt, gegenteilige Gefühle zu wecken.

Die auf „Hand. Cannot. Erase.“ verarbeitete Isolationsthematik spiegelt sich bereits im glasklar aus der Anlage perlenden Albumintro „First Regret“ wider. Hinter der noch unbemannten Bühne flackern Projektionen verschiedener Großstadtszenarien auf. Das einleitende, monotone Panorama-Geflimmer wird über strapazierende zehn Minuten gezogen, derweil wird das geduldig auf seinen Sitzen ausharrende Publikum mit der vernebelten Ansicht einer einzigen Hochhauswand konfrontiert, an welcher sich das bekannte Lichter-an-Lichter-aus-Spiel der in der Metropole verlorenen Seelen beobachten lässt.

Steven Wilson

So geht das Spiel stetig weiter, bis sich die namenlose Protagonistin des Konzeptalbums um 20:10 Uhr eine Zigarette anzündet und das Kompetenzteam Wilson und Co. unter frenetischem Jubel die Bühne betritt. Da kann man ruhig mal vom gemütlichen Stühlchen aufstehen. Schon während des zehnminütigen Openers „3 Years Older“ stellt der Chefdenker klar, dass die Bühne heute Abend sein persönlicher Spielplatz ist: E-Gitarre, Klavier, Akustikgitarre, Gesang – es darf halt nicht langweilig werden. Wird es auch nicht, denn bei solch ausgeglichenen Soundverhältnissen kann man sich der Musik derart differenziert hingegeben, wie es unter Stehplatz-Bedingungen in größeren (und dafür auch nicht Monate im Voraus ausverkauften) Hallen kaum vorstellbar gewesen wäre. Nichtsdestotrotz bemüht sich Wilson von Anfang an, der anwesenden Prog-Polizei, die sich vermutlich schon bei der Gründung KING CRIMSONs in Frührente befand, den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Im Endeffekt sind wir ja nur eine verdammte Rockband. Vielleicht eine etwas komplexere. Aber trotzdem: Wenn Enthusiasmus aufkommt, lasst ihn raus, wann immer ihr wollt.“

Im weiteren Verlauf bestätigt sich der Verdacht, warum der Brite bereits seit der 2005er „Deadwing“-Tour PORCUPINE TREEs immer wieder auf die gar nicht mal so zentral liegende Hugenottenhalle zurückgreift: Durch den quadratischen Aufbau ergeben sich angenehme Soundverhältnisse, welche die Bedingungen zahlreicher anderer Konzerthallen locker in den Schatten stellen. Dabei gleitet der Blick eigentlich viel zu selten zur Leinwand, auf welcher noch immer der offenbar extra zur Platte produzierte Film gezeigt wird. Doch mindestens genauso schön anzusehen sind die ausschweifenden Instrumentalleistungen des Fünfergespanns. So etwa, wenn Adam Holzman in seltenen, dafür jedoch umso intensiveren Momenten („Regret #9“) den Moog auspackt oder wenn Perfektionist Guthrie Govan seinen gefühlvollen Soli-Stempel nicht nur den aktuelleren Kompositionen, sondern auch PORCUPINE-TREE-Klassikern wie „Lazarus“ aufdrückt. (Bei Wilsons „persönlichem Shoegaze-Moment“ „Harmony Korine“ muss er sich allerdings etwas zusammenreißen.)

Grinsebacke Marco Minnemann scheint mit seinem Drumset zu verschmelzen wie kein Zweiter, während Röhrenjeans-Liebhaber Nick Beggs gerade in der zweiten Konzerthälfte immer häufiger auf den legendären Chapman Stick zurückgreift. Der eher auf sanftes, vorsichtiges Spiel bedachte Bassmann liefert hierbei jedoch keinerlei Fingerakrobatik à la Tony Levin, sondern ist eher auf feine Akzente in höheren Lagen bedacht. Schade bloß, dass die tiefen Frequenzen sich leider immer wieder mit höheren Tappings überlagern, die eigentlich gerade gemächlicheren Songs wie dem ausleitenden „Happy Returns“ filigranere Facetten hinzufügen sollen. Endgültig auf die Spitze getrieben wird dieses kleine Manko dann in „The Watchmaker“: Hier gedenkt der Chef dann auch selbst auch mal ein bisschen rumschnarren zu müssen, doch der Druck von zwei Bässen lässt den Song gegen Ende schon ordentlich wummern.

Steven Wilson

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29.03.2015

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