Fellowship - The Skies Above Eternity

Review

FELLOWSHIP hatten das große Glück im Unglück, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Während die Welt nach der Pandemie nach und nach auftaute und so halbwegs in die Normalität zurück gefunden hat, brachten die Briten mit dem auf ihrer Debüt-EP folgenden Debütalbum anno 2022 eine ordentliche Portion Euphorie und Freude in die Szene und hätten damit keine Sekunde früher oder später einschlagen dürfen. „Nach alledem ist [das Debüt] ein konstant starkes [Album] einer inspirierten und mit viel Potenzial gesegneten Band“, so zog der geschätzte Vorredner Christian Flack sein Fazit zu besagtem, erstem Vollzeitwerk „The Saberlight Chronicles“ und lag damit goldrichtig.

Die Briten FELLOWSHIP platzten zur rechten Zeit ins Geschehen hinein

Unsereins entdeckte durch dieses Album erst die geradezu infantile Freude am Power Metal wieder, wie sie mir ähnlich einst Bands wie EDGUY, ANGRA (man denke so um die „Temple Of Shadows“-Tage herum), DRAGONFORCE (bis einschl. „Ultra Beatdown“) und SONATA ARCTICA (bis einschl. „Reckoning Night“) bereiteten. Allein der eröffnende Kracher des Debüts, „Until The Fires Die“, wohnt seither mietfrei in meinen Gehörgängen und wird dort wohl auch bis zu meinem Ableben verweilen. Die absolut ehrliche, quicklebendige Lebensfreude, die der Hörerschaft hier entgegenschallt, sorgte dafür, dass ich die Truppe seither liebevoll in die Kategorie „Disney Metal“ einsortiere – und das ist im besten Sinne der Worte gemeint.

Zwei Jahre später steht der Nachfolger nun an, hört auf den Namen „The Skies Above Eternity“ und entwickelt den Sound der Briten in eine interessante Richtung weiter. Laut Presseinfo haben sich FELLOWSHIP für das Songwriting u. a. Inspiration von japanischem Power Metal geholt. Das tun sie zwar nicht durchgehend, „Victim“ beispielsweise klingt schon distinktiv westlich, aber das meiste, was auf „The Skies Above Eternity“ zu finden ist, könnte auf jeden Fall auch die Titelmelodie einer Anime-Serie sein – bei „Eternity“ sind FELLOWSHIP dann vollends im Kawaii-Modus unterwegs. Und erneut ist das als großes Kompliment aufzufassen.

„The Skies Above Eternity“ ist ausgelassener Power Metal …

Denn die Briten versprühen so eine jugendliche Freude und Ausgelassenheit, dass man nicht anders kann als sich von den guten Vibes anstecken lassen, wenn man nicht gerade zu den Gatekeepern der chronisch-grantigeren Sorte gehört. Das eröffnende „Hold Up Your Hearts (Again)“ ist nicht nur eine ansprechende Referenz an den „Saberlight Chronicles“-Opener, sondern auch einfach ein wunderbarer Dosenöffner für sich, der die hemmungslose Spielfreude der feucht fröhlichen Power Metal-Großtaten von vor 20 Jahren wunderbar wiederaufleben lässt. Und hier spürt man schon diese geradezu infantile Abenteuerlust der Genregenossen aus Fernost, zu deren Klängen man sich am liebsten auf die nächste, große Reise durch die Welt aufschwingen möchte.

Hier zeigt sich auch schon, welche Songwriting-Zunft hinter dieser täuschend simplen Musik steckt, denn so eingängig und stringent FELLOWSHIP auch agieren mögen, sie wenden doch einige dramaturgisch sinnige Methoden an, um ihren Sound frisch und zupackend zu gestalten. Im Opener ist es im letzten, klimaktischen Refrain beispielsweise ein erhebender Tonartwechsel wie aus dem Musical- oder auch dem AOR-Lehrbuch, je nach dem aus welcher Richtung man sich dem annähern möchte. In „The Bitter Winds“ ebbt der Song gegen Ende einmal wirkungsvoll ab, nur um dann umso mächtiger wieder zurück zu kommen, ebenfalls ein alter aber wirksamer Trick. Und „Eternity“ liefert einen Double-Whammy beider Techniken, was im vielleicht intensivsten Gänsehautmoment der Platte mündet.

… der heuer mit einem Hauch Nippon gewürzt daher kommt

Überhaupt ist „Eternity“ der Song, in dem der Nippon-Einfluss der Briten auf „The Skies Above Eternity“ gipfelt, wo die quirligen, verspielten Melodien so richtig aufleben. Wie bereits erwähnt: Hier agieren FELLOWSHIP so richtig im Kawaii-Modus, aber der Saccharose-Spiegel wird trotz allem dank eines guten Fingerspitzengefühls nicht überschritten. Das hat die Band einerseits ihrer tadellosen Spieltechnik und andererseits der klaren, wenig hysterischen und für Power Metal vermutlich unkonventionellen Gesangsdarbietung von Seiten Matthew Corrys zu verdanken, dessen glasklare, vermutlich klassisch ausgebildete Tenorstimme aber dennoch wunderbar ins Klangbild passt. So fühlt sich sein Refrain zu „World End Slowly“ schlicht und ergreifend wie eine warmherzige Umarmung an – so kitschig das auch klingen mag.

Und noch ein Aushängeschild der Briten sind die Texte, die bei allen üblichen Power Metal-Vokabeln über Könige, Kriege und das große Abenteuer drum herum eine erfrischende Introspektion zeigen. Das lyrische Ich zeigt durchaus Selbstzweifel, beklagt beispielsweise die Einsamkeit eines Königs in „Victim“ oder besingt die Zweifel an der eigenen Courage in den Textzeilen von „Dawnbreaker“ wie folgt:

Under my armour lies an unknown thing,
The blood writes its songs and its ardor sings,
Maxim invulnerable, but self-impaired:
No one ever loved without first being scared.

Es zeigt, dass längst nicht alles rosig und blumig im Power Metal-Land ist und selbst der heldenhafteste Bestientöter in ruhigen Momenten auch mal zwangsläufig in sich hinein horcht. Das macht das ganze einfach umso sympathischer und lässt das Handwerk des Quintetts nicht wie eine Parodie ihrer selbst wirken. Es ist einfach ein weiterer Faktor, anhand dessen man sieht, dass man die Band trotz ihrer quirligen Natur ernst nehmen kann und sich davon durchaus inspirieren lassen kann, wenn man es denn zulässt.

Die technische Perfektion ist ein Industriestandard, den die Briten selbstredend bedienen

Und nicht zuletzt muss das Handwerk hinter „The Skies Above Eternity“ gelobt werden, das unsereins zuvor nur kurz angestreift hat. Cullum Tuffen liefert eine für Power Metal nicht unübliche Darbietung am Schlagzeug, schnürt der lebhaften Musik aber zu keiner Zeit die Luft durch zu viel Straffheit ab. Die Gitarrenfraktion bestehend aus Brad Wosko und Session-Klampfer Sam Browne brennt ein fulminantes Feuerwerk an den Saiten ab, sei es in den Solo-Passagen – ganz lecker sind hier „The Bitter Winds“ und „King Of Nothing“ – oder in den ansprechenden Fills wie in „Victim“ oder „Dawnbreaker“ beispielsweise. Tieftöner Ed Munson ist zugegeben meist damit beschäftigt, dem nicht in die Quere zu kommen, aber dank der Produktion geht er glücklicherweise nicht im Sound unter.

Last but not least seien auch die orchestralen Arrangements erwähnt, die so etwas wie das i-Tüpfelchen darstellen. Sie können ihre Herkunft aus der Konserve zwar nicht immer ganz verleugnen, aber dennoch sind sie geschmackvoll, effektiv und nicht zu vordergründig in den Sound integriert. Im abschließenden Instrumental „Memories On The Wind“ stehen sie komplett im Fokus und liefern so etwas wie den Abspann zu einer wilden, ausgelassenen Fahrt, die einmal mehr zeigt, dass FELLOWSHIP mit das heißeste sind, was Power Metal dieser Tage zu bieten hat, wenn man den Sound der oben genannten Bands auch nur das geringste Stück weit hinterher trauert.

Damit sind FELLOWSHIP wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Verdient ein solches Album, an dem der Autor praktisch kaum nennenswerte Fehler finden kann abzüglich einzelner, vernachlässigbarer Kavaliersdelikte, das aber auch keine Weltbewegenden Innovationen mit sich bringt, überhaupt die hohe Wertung? Geschmackssache. Andererseits hätten FELLOWSHIP angesichts jüngster, politischer Entwicklungen wieder einmal kaum einen besseren Zeitpunkt wählen können, um wieder etwas Positivität in den grauen Alltag zu bringen und die Gemüter mit ihrem Sound zu erhellen, der an der Tadellosigkeit grenzt und sich durch seine musikalische Ausrichtung gen Fernost ausreichend vom Vorgänger absetzt, um keine Selbstkopie zu sein. In diesem Sinne: Hut ab für die Briten und eine eindrucksvolle Konsistenz, die gefeiert gehört.

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18.11.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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