Klabautamann - Numbered

Review

Das zwischen Minimal Art und MS Paint angesiedelte Cover, aber auch ein Blick auf die Gästeliste verraten es: Von Black Metal ist anno 2021 bei dem deutschen Projekt KLABAUTAMANN herzlich wenig übrig geblieben. Dabei hat man fürs Mastering sogar Tom Kvålsvoll gewinnen können, der nicht unbekannt im Black Metal ist (u.a. Mastering für DARKTHRONE, DIMMU BORGIR, AURA NOIR, BORKNAGAR ). Und für das Mixen, Instrumentarium und sogar Gastvocals auf einem Track auch noch Anna Murphy (ex-ELUVEITIE, CELLAR DARLING), die mittlerweile selber überaus erfolgreich Knöpfchen dreht für andere Bands.

Also alle Leute, die noch Black Metal oder „alte“ KLABAUTAMANN erwarten, können hier eigentlich schon aufhören zu lesen. Seit dem Aufhören von Florian Tolka (der nun die zähe Sauce bei VALBORG macht  und von Gitarre ans Schlagzeug da gewechselt ist) sind KLABAUTAMANN nun vollständig nach den Vorstellungen von Tim Steffens, der sich hier als Hauptsongwriter verantwortlich zeichnet, orientiert. Und das ist nun mal mehr progressiver Rock/Metal mit ungewohnten Wendungen und spannenden neuen Arrangements als traditioneller Black Metal oder ganz allgemein eben Metal, obwohl natürlich auch schon die avantgardistisch/progressiv angehauchten Vorgänger (vor allem „Smaragd“ und „Merkur„) diese Weiterentwicklung schon vermuten liessen.

KLABAUTAMANN treiben Schabernack

Auf „Snow“ als Opener und auch eigentlich dem gesamten Album geht es trotz proggig eingefärbter Strukturen allerdings zumindest thematisch um eigentlich dann wieder doch (Black) Metal-Typisches, nämlich die Vanitas. Unser aller Leben, aller Dinge Existenz sind „angezählt“. Ob es Beziehungen sind, schöne Erinnerungen, oder auch dunkle Zeiten (etwa suizidale Gedanken oder selbstverletzendes Verhalten), alles hat ein Ende. Also vielleicht doch hoffnungsvoll von Zeit zu Zeit, trotz nachdenklichem und starkem Tobak. Die Mischung überrascht, fasziniert und stört teilweise gelegentlich. Besagtes „Snow“ etwa kommt mit Folkvibes daher, wirkt aber auch sehr modern in Aufbau, Clean-Gesang und eingesetzten Synthies, hat ein wenig was von moderneren ENSLAVED. Auch wenn Black Metal pur eher weniger anzufinden ist, sind bereits auf „Changed“ als nachfolgendem Song frostige Riffs und garstiger Vorwärtsdrang auszumachen, das einzige was mehr wie ein Fremdkörper wirkt sind die ruhigeren, teils mit Synthies und cleanem mehrstimmigen Gesang unterlegten Abschnitte, die eher in Richtung Prog schielen und zusammen kein ganz rundes Bild abgeben.

„Daydream“ klingt wie ein moderner Metal-Track, der im letzten Drittel dann doch wieder in schwarzmetallische Raserei ausbricht, nur um dann entspannte Loungevibes mit cleanen Gitarren, und Anna Murphys Gesangseinsatz aufkommen zu lassen. Sie steuert auch musikalisch mit Flöte und Mellotron hier bei, ebenfalls als Gast anwesend ist Andreas März von den Rheinländer Death Metallern STEORRAH, der auch auf „Conflicted“ seine Stimme leiht. Vielleicht vom Qualitätslevel keine „Strawberry Fields Forever“, aber doch etwas, was im Bandkontext von so ziemlich allen Mitwirkenden hier dann doch ziemlich einzigartig geraten ist. KLABAUTAMANN ist anzuhören, dass sie sich völlig frei von jeglichen Erwartungen oder Einschränkungen auf „Numbered“ gemacht haben. Was gut ist, aber (musikalisch) Schabernack zu treiben führt auch oft zu Experimenten, die vielleicht nicht immer ganz überzeugen oder sitzen.

„Numbered“ – abgezählte Songs,  aber darin frei

Beispiel dafür: „Conflicted“ gibt sich auch wie ein moderner Metal-Song, die introvertierten, nachdenklichen „Is this really who you are“-Gesänge sind vielleicht gut gemeint,  funktionieren aber leider nicht so ganz im Songkontext. „Pretending“ und „Holding On“ sind dann eher auf der schweren Seite sitzende moderne Metal-Songs mit natürlich immer noch ausreichend Verschnaufpausen, die mal ins Melancholische, mal ins Entspannte schauen. Titelsong „Numbered“ weiß mit seinen interessant eingesetzten Synthesizern und getragenerer Stimmung zu überraschen und begeistern, auch „Felt Everything“ fühlt sich mehr nach kleiner Prog-Metal-Oper an als ein traditioneller Rock/Metal-Track. Ungewohnt und unerwartet, sicherlich nicht jedermanns Sache, aber konzeptionell und songwriterisch echt stark geraten. Das abschließende „Gone“ entführt dann in dissonantere Riffs, dazwischen aber immer wieder träumerischem Rock um dann final akustisch auszuklingen. Das Album endet somit mit einem starken Ausrufezeichen.

KLABAUTAMANN müssen keinen Schiffbruch befürchten, trotz neuer Kursrichtung. Ihre (alte) Zeit mag abgezählt sein, aber in der neuen, (auch) abgezählten Zeit, sind sie frei. Noch funktioniert bei dieser neu gewonnen Experimentierfreude nicht alles. Manche kreative Entscheidungen mögen fragwürdig wirken oder schwer nachvollziehbar sein, der Hörer sich nicht ganz abgeholt fühlen. Aber für alle aufgeschlossenen Hörer, die dem neuen Selbstausdruck von Tim Steffens in mittlerweile „seinem“ Projekt mit einer illustren Schar an Gästen folgen wollen, ist „Numbered“ trotz vielleicht oberflächlicher Verpackung trotzdem ein spannendes, persönliches, mutiges und emotionales Stück Musik geworden.

24.01.2022

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