Manatees - Untitled

Review

Es gibt da draußen nicht viele Musiziergruppen, die es schaffen, schwere Klänge in solch erhabene Sphären zu erheben, Ideen zu Songs zu schmieden, die ineinander fließen, sich zu einem großen, dunkel schimmernden Ganzen verbinden, in dem nicht nur vereinzelte Ideen aufleuchten. Es gibt noch weniger Bands, die all das aus dem Nichts schaffen. MANATEES (Seekühe) schaffen es. Aus dem absoluten Untergrund manifestiert sich hier ein Trio aus Großbritannien gleich mit seinem Debüt-Werk in der ersten Liga psychedelisch-neo-progressiver Heavy-Rock-Klangzauberer. Drone-Doom trifft auf Postcore, in wirklich eigenständiger und mutiger Manier. Dafür benötigt diese Truppe kein erdrückendes Extreme-Metal-Gewand, das der Musik kaum Luft zum Atmen lässt. Zumindest der Bass-Sound erinnert eher an Rock-Produktionen und der Proberaum wird zur Wüste – unendlich, zeitlos, lebendig und inspirierend. Ein emotionaler Kopfhörer-Trip, intim und gigantisch zugleich, garniert mit einer Prise LEDSABFLOYD zum TOOLfinden.

Bereits während der ersten Sekunden wird Gas gegeben, gekreischt, gerifft und gefiept, dass es eine wahre Noise-Rock-Freude ist. Bass tritt in den Vordergrund, es wird sludgy. Der heiser-gequälte Gesang in diesen Minuten ist nicht wirklich erstklassig, fügt sich aber solide in die schräge Atmosphäre ein. Nach fünf Minuten schleppt sich der Song so vor sich hin, dass auch Freunde von minimalistischen Tönen langsam mit der Scheibe warm werden könnten. Dann wieder Klanglandschaftengeblubber. Nach acht Minuten übernehmen Bass und Schlagzeug erneut die Regie. Tiefrotes Sonnenlicht legt sich über die Dünen und der Sand weht in Zeitlupe. Das erinnert an die Stoner-Urväter YAWNING MAN – in reduzierter und verlangsamter Form. Zehneinhalb Minuten. Okay, kommt noch was? Yessssssss! Was für ein Riff!! Was für eine Dynamik!!! Dieser finale Moment – klar, einfach, monumental. Ein Gitarrenheulen kommt über den Himmel und geht in ein Klanggebräu aus der Hexenküche über. Nach fünfzehn Minuten schiebt sich beinahe unmerklich der Drummer in den Vordergrund. Trance.

Der zweite Trip beginnt fließend. Ruhig. Abkühlen. Entspannung. Jetzt bloß keine Störung. Eintauchen in die Tiefen des Meeres. Wunderschöner Klargesang. „We are forgotten.“ Einsame Seekühe schweben durch den ruhigen Ozean. Von der Oberfläche dringen vereinzelte Sonnenstrahlen bis in die Tiefe. Plötzlich schiebt sich Öl ins Blickfeld und eine Seekuh wird bockig. Ruhige Stimmen kämpfen mit den aufgebrachten, doch alle verkünden dieselbe Botschaft. Diese eine Idee dominiert, wird mit maximaler Penetranz in die Gehörgänge gejagt. Nach über viereinhalb Minuten heben gezogene „O“-Töne und klirrende Gitarren den Song in eine andere intensive Ebene – dunkel, brachial, fies, kämpferisch. Dann wiederholt der Drummer das bekannte Ende, dazu streicht ein Mariachi über die Saiten.

Wieder der fließende Übergang. Das dritte Kapitel (’VI:XXX’). Psychedelischer Lärm, wildes Schlagzeugspiel, eine Abrissbirne pendelt, wie eine Kirchenglocke läutet. Entrückter und kerniger Gesang aus dem Nebel des Trümmerfeldes. Die Enden der Parabel, der unvermeidliche Einschlag, immer wieder Blitze, wirres Wimmern – geführt von Köpfen, die den Wahnsinn präzise kontrollieren. Nach der Zerstörung dann ein ruhiges Stück Post-Rock. Gesampelte Stimmen. Technologie zuckt. Alles ist verletzt, aber es geht weiter – mit dem letzten Akt, den letzten zehn Minuten. Neue Ekstase wächst. Ein Phönix schält sich aus seiner Asche. Nach zwei Minuten und 41 Sekunden findet er seinen unwiderstehlichen Rhythmus. TOOL, äh, toll! Rauschen. Und plötzlich ist doch Schluss.

Greg Wynne – Guitars, Vocal, Noise, Snare
Alex Macarte – Bass, Vocals, House Hold Objects, Tom
Paul Heron – Drums

…sie agieren schon überwältigend episch, auch wenn sie viel repetieren. Ihr Album ist ein Rohdiamant, ein kurzweiliges Vergnügen mit Überlängestücken. Das Monster beunruhigt, bedroht, strahlt aber auf seltsame Art ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit aus, ist einfach, komplex, einfach komplex, experimentell, verspielt, nachvollziehbar, unerklärlich, berührend, mysteriös, laut, elegant und fett. Motivesounds, ein englisches Zwei-Mann-Label, könnte massive Probleme bekommen, diese Band gegen Offerten von Relapse und Co. zu verteidigen. Man kann den Betreibern jedoch nicht vorwerfen, sie würden nicht alles versuchen, krönen sie doch die Scheibe, indem sie ihr eine großartige Verpackung spendieren. In dünner, schwarzer Hülle wurden Muster sowie der Band-Name eingearbeitet, die Innenseiten glänzen golden und über ein gefaltetes Stück Papier wird die CD bewegt. Das sieht nicht nur schön aus, sondern funktioniert zudem überraschend gut. Neben dem Hinweis, die Scheibe möglichst laut und auf Drogen zu hören, findet sich übrigens auch noch ein Titelvorschlag: „The Forever Ending Jitter Quest Of Slowhand Chuckle Walker: An Introduction To The Manatee“. In diesem Sinne: Alles Heil den schwer schwebenden Seekühen.

06.03.2007
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