Ottone Pesante - ... And The Black Bells Rang EP

Review

Die Cavalcata Sarda ist ein traditionelles Volksfest, das jedes Jahr üblicherweise am vorletzten Sonntag im Mai auf Sardinien abgehalten wird. Fester Bestandteil ist ein Umzug, bei dem die Teilnehmer sowohl zu Pferd, in einer Art geschmücktem Umzugswagen oder zu Fuß durch die Straßen ziehen, gekleidet in volkstümlichen Trachten. Ein Augenmerk während dieses Festes sind aber auch die Mamuthones, die Boes und die Merdules, die in grotesken Aufzügen auftreten. Auf speziell diese scheint zumindest das Cover der neuen OTTONE PESANTE-EP „… And The Black Bells Rang“ Bezug zu nehmen. Inhaltlich ist das bei (wenn auch „nur“ größtenteils) instrumentalen Platten immer ein bisschen schwer zu beurteilen, aber möglicherweise versuchte das italienische Brass-Metal-Trio, das Groteske spezifisch einzufangen.

Wieder verändern OTTONE PESANTE ihren Sound

Nun, das ist ihnen gelungen. Das dritte Mal in Folge haben die Italiener ihren Sound auf einem neuen eigenen Release (das Split mit SUDOKU KILLER nicht mitgerechnet) nun komplett neu ausgerichtet, wobei man als Hörer immer noch eine Toleranz für Blasinstrumente mitbringen muss. „Apocalips“ trat weitestgehend in die Fußstapfen des Full-Length-Debüts „Brassphemy Set In Stone“ mit seinem blechbläsernen Speed-Thrash-Ansatz. „DoomooD“ bog anschließend titelgemäß konsequent in Doom-artigere Sphären ab, die von OTTONE PESANTE schon zuvor immer mal wieder in einzelnen Tracks ergründet worden sind. Und nun? „… And The Black Bells Rang“ zieht das durchschnittliche Tempo wieder etwas an. Doch es steckt mehr hierhinter: Die neue EP ist das vielleicht düsterste, experimentellste und sperrigste, was die Herren bis dato geliefert haben.

Zwar spielen die Italiener im Kern weiterhin Blasmusik mit Metal-Schlagzeug, aber durch die Verzerrer, durch die Trompete und Posaune gejagt werden, kreieren sie bizarre, atmosphärische und erstaunlich eindringliche Klänge. Während die Trompete vor allem in den Solo-Parts gespenstisch durch den Äther heult, ist die Posaune mit reichlich Fuzz unterfüttert worden, was sie ungleich fülliger und heavier klingen lässt. Und besonders dann, wenn die Songs Intensität einfordern, was hier auf drei von vier Stücken der Fall ist, profitiert „… And The Black Bells Rang“ von seinem breitbandigen Klang. Fürwahr: Gerade was die Produktion und den Sound ihrer Musik angeht, so hat das Trio seine Klangkunst von einem Gimmick nun vollends in etwas Anspruchsvolles umgewandelt.

Knapp 20 Minuten voller infernalischer Blasmusik

Die weiter oben angesprochene, düstere Komponente erzeugen die Italiener hauptsächlich durch ebendiesen geradezu ominös wirkenden Klanggewand in Kombination mit einer erhöhten Dosis an Dissonanzen. Der Sound ist aber auch experimenteller geworden, was sich wiederum in besagten Dissonanzen, aber auch vermehrt in jazzigen Passagen („Carne Marcia“) widerspiegelt. Das eröffnende „Black Bells Of Destruction“ scheint gar von einer wüsten Urtümlichkeit beseelt zu sein, so wie sich Beppe Mondinis Schlagzeugspiel teilweise selbst überschlägt. Dadurch fühlt sich der Song an wie ein vor Wut tobender Dämon, der zwar nicht ganz drei Minuten auf die Uhr bringt, die EP aber dennoch mit einem sperrigen Klumpen eröffnet.

Der Ausreißer in Sachen Intensität, „Die ewige Wiederkunft des Gleichen“, ist hier jedoch keineswegs das qualitative Schlusslicht, nur weil OTTONE PESANTE hier nicht auf die Tuba Tube drücken. Es ist vielmehr ein atmosphärischer Track, der fast irgendwie Ambient-artig beginnt, bevor sich die beiden Lead-Bläser klagend wie zu einem Trauermarsch aus dem stimmungsvollen Klangdickicht erheben. Das kennt man, wenn man die Italiener schon etwas länger verfolgt, zugegebenermaßen bereits von Songs wie „Trombstone“ oder „Doom Mood“, funktioniert aber einfach immer wieder hervorragend. Außerdem steigert sich der Track nach und nach und scheint zum Ende hin im Begriff, sich in etwas Monströses zu verwandeln, nur um sich im letzten Moment plötzlich aufzulösen.

Die Nischenband hält ihren eigenen Qualitätsstandard

OTTONE PESANTE halten ihren hohen, eigentümlichen Qualitätsstandard auch dieses Mal wieder, auch wenn es sich hier „nur“ um eine EP handelt. Man sollte den Gehalt dieser Veröffentlichung aber nicht unterschätzen, da sowohl der Opener als auch das folgende „Carne Marcia“ ihre Zeit zum Verdauen einfordern. Überhaupt fordert „… And The Black Bells Rang“ seine Hörer und liefert lediglich mit dem Rausschmeißer „Scrolls Of War“ etwas leichtere Kost, die schon wieder etwas typischer für das Trio wirkt, nichtsdestotrotz durch die dichte, dank Verzerrer erzeugten Atmosphäre in die Trackliste passt und titelgemäß etwas irgendwie Martialisches an sich hat. Die hohe Qualität wird wahrscheinlich (leider) wenig daran ändern, dass das Trio weiterhin eine Nischenerscheinung bleiben wird, aber so bleibt wenigstens die Klasse für Genießer erhalten …

10.03.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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8 Kommentare zu Ottone Pesante - ... And The Black Bells Rang EP

  1. noehli69 sagt:

    Puh, muss man mögen. Geh mal davon aus, der Rezensent hat sich das komplette Werk gegeben, Hut ab dafür. Ich würde hier nicht über die volle Distanz gehen. Blechblassmetal tztztzzzz..

  2. nili68 sagt:

    Was ’n das für ’n Kack? Himmel, mit Kunst kann man wohl alles rechtfertigen.

  3. Watutinki sagt:

    Egal ob es Kunst ist oder nicht, finde ich sehr geil und glänzt ja auch mit einer Grundmelodie, so dass man es durchaus greifen kann. Über eine ganze Albumlänge gesehen aber sicherlich schwierig, keine Frage. Aber hier haben wir es ja auch mit einer EP zu tun.

  4. onlythewindremembers sagt:

    Irgendwie ist es so schräg, dass es schon wieder gut ist. Aber auf Dauer? Ne. Zum kurzweiligen Vergnügen aber hörbar.

  5. casualtie78 sagt:

    Himmel nein,was ist das,nach kurzer Zeit schon tierisch nervig…..nix für mich,keine Bewertung. Da ist Ghost ja noch (knapp) hörbarer.

  6. doktor von pain sagt:

    Echt, die sind fast so gut wie Ghost? Dann muss ich wohl doch mal reinhören.

  7. der holgi sagt:

    die Idee finde ich spannend, die Umsetzung nicht

    mich erinnert es in der Substanz an John Zorn, vielmehr an dessen Kooperation mit Mick Harris, und auch hierbei war es schwierig, über eine gesamte Albumlänge hinweg aufmerksam zu bleiben, als gelernter Metal-Fan ist man uU auch nicht wirklich „im Thema“, als Anarcho-Free-Jazzer mag es anders sein (?)

    was dieser Musik im Grunde abgeht ist eine substanzielle Idee die ÜBER Blastbeat und schräge Sounds hinaus geht, es hat für mich etwas von permanenter Vollgas-Fahrt im unerwartet aufgepimpten Opel Kadett, erst staunt man, ist aufgekratzt und grinst sich eins, dann aber, nach ein paar Minuten fragt man sich:

    „und was kommt sonst noch?“

  8. Schraluk sagt:

    Alden. EP durchgestanden. Überhaupt nicht mein Ding. Dabei liebe ich Sachen und Krach wie die Painkiller, Attila Zoller, Imperial Triumphant etc. Aber das Teil ist echt grausig….