Threshold - Dividing Lines

Review

Soundcheck November 2022# 7 Galerie mit 22 Bildern: Threshold - Legends Of The Shires Tour 2018

Vermutlich wird sich unsereins bis ans bittere Ende meiner Existenz mit gewissen Individuen über meine Wertung des letzten THRESHOLD-Albums streiten. Der dargebotene Mix aus Stadion-Metal aus den 80ern mit vereinzelten Prog-Liebeleien hier und da hatte in seiner Inkarnation des besagten Vorgängers „Legends Of The Shires“ seine begeisterten Anhänger gefunden – was einige dieser Leute auch nicht müde werden, mir heute noch aufs Brot zu schmieren. Ich konstatierte seinerzeit, dass dem Album in Abwesenheit der progressiven Schlenker etwas Essentielles fehlte, die vorangegangene Alben – spezifisch solche aus der McDermott-Ära wie der große Klassiker „Hypothetical“, aber auch das ungleich modernere „Dead Reckoning“ – ausmachten.

The THRESHOLD-Redemption?

Jetzt gehörte die Kapelle um Karl Groom sicher nie zu den größten Prog-Sophisten (auch wenn die Presseinfo das anders sieht), sondern würzte ihre Songs nur eben in der Vergangenheit des Öfteren mit ebensolchen Schlenkern und produzierte daraus vielschichtige, theatralische und dynamische Songs. In den fünf Jahren Abstand zwischen diesem letzten Album und dem neuen, auch schon zwölften Langeisen der Briten hat sich vieles zugetragen – beziehend auf das gegenständliche Scheibchen und die hier verfassten Zeilen ist es vor allem meine (wenigstens im Vergleich zu damals) gewandelte, etwas reifere Disposition zur Musik, welche die folgende Diskussion prägen soll. Denn auch wenn wir Rezensenten gerne so hochtrabend anders tun: Unsere Meinung ist nicht allumfassend, sondern gar subjektiv und deren Niederschrift (zumindest in den meisten Fällen) bei weitem nicht so künstlerisch fordernd wie das Produkt, das es zu besprechen gilt.

Mit diesen Worten im Hinterkopf sei an das neue, mit unverändertem Lineup eingespielte Album „Dividing Lines“ mit etwas mehr Rücksicht auf das, was es ist, herangegangen, und nicht das, was es meiner bescheidenen Meinung nach sein soll. Was also ist „Dividing Lines“? Es als reinen Prog im klassischen Sinne zu titulieren halte ich nach wie vor für falsch. Aber es gibt zahlreiche, stilistische Elemente im Sound, sodass mindestens eine Artverwandtschaft etabliert werden kann. Im Kern spielen THRESHOLD wie einleitend erwähnt einen ziemlich hymnischen Metal, der den großen Arena-Gesten der klassischen AOR-Größen näher steht als den britischen Prog-Urvätern oder den US-amerikanischen Zeitgenossen. In gewisser Weise kann man sich hier ein bisschen an der Analogie einer metallischen Variante von ASIA entlang hangeln, die in ihren Anfangstagen im weiteren Sinne etwas ähnliches gemacht haben, nur halt mit weniger futuristischen Synths – und halt weniger Metal.

Auch „Dividing Lines“ bietet wieder große Theatralik

Aber der Pathos hinter „Dividing Lines“ in Verbindung mit der melodramatischen, Moll-lastigen Harmonieführung lässt doch gewisse Parallelen erkennbar werden, nicht zuletzt auch die Hooks, in denen der zum Vorgänger (wieder) eingestiegene Glynn Morgan, der damals den Zweitling „Psychedelicatessen“ aufgrund mangelnder Abkömmlichkeit des Ur-Sängers Damian Wilson besang, mehrfach mit sich selbst multipliziert elegant über klassisch angehauchte oder wenigstens romantisierte Melodiebögen hinweg segelt. Gleich im Opener „Haunted“ wird dies ziemlich eindrucksvoll und effektiv demonstriert, wo Morgan einen im positiven Sinne ziemlich dick auftragenden Refrain liefert, der sich sogleich in den Hirnwindungen festsetzt. Eine gewisse Poppigkeit lässt sich dem, aber auch vielen weiteren Hooks wie der vom folgenden „Hall Of Echoes“ beispielsweise nicht absprechen, aber die verzerrten Gitarren und die dann doch etwas theatralischeren Harmonien halten den Sound felsenfest im Metal verankert.

Ebenfalls ziemlich Metal ist, dass „Dividing Lines“ eine längst nicht so positive Grundstimmung innehat wie sein Vorgänger, sondern lyrisch recht düster daher kommt. Das führt ansatzweise auch mal dazu, dass man hier und da ein paar plumpe Allgemeinbrötchen serviert bekommt wie in „Complex“ oder „Defence Condition“, aber es bewirkt auch, dass das neue Album in seiner Gesamtheit wieder etwas härter ausgefallen ist. Insgesamt wirkt „Dividing Lines“ kompositorisch gesehen ausgesprochen fokussiert, mehr auf jeden Fall als sein Vorgänger. Tatsächlich gibt es hier praktisch kaum einen Zeitpunkt, an dem die Briten ihre Hörer mit irgendwelchem Balladen-Nonsens langweilen, was zumindest in meinen Ohren immer ein Plus ist, zumal THRESHOLD die Angewohnheit haben, derartige Stücke immer so furchtbar kitschig und klebrig zu machen. Es gibt nur mal eine Passage in „The Domino Effect“, die den Song jedoch glücklicherweise nicht ruiniert.

Trotz kleinerer, lyrischer Oberflächlichkeiten liefern THRESHOLD ein starkes Album ab

Daneben finden sich natürlich schleppendere Momente, die allerdings nicht in diesen honigsüßen Sumpf abdriften. Am prominentesten tritt hier „King Of Nothing“ in Erscheinung, bei dessen überlebensgroßer Hook es sicher die wenigsten auf den Sitzen halten dürfte. Selbst bei den beiden im zweistelligen Minutenbereich rangierenden „Domino Effect“ und „Defence Condition“ lassen sie unsereins nicht kalt. Bei erstgenanntem loopt gegen Ende mal ein Sample, aus dem der Rhythmus hervordiffundiert, was schon ein ziemlich Prog-typischer Kniff ist. Der folgende Instrumental-Part geht wie Butter in den finalen Refrain des Stücks über und es ist fantastisch. Dampf geben sie auch auf „Let It Burn“, bei dessen eröffnender Passage es den Herren irgendwie gelungen ist, klischeebehaftete „Woohoohoos“ richtig gut klingen zu lassen. Und der eingangs fallen gelassene ASIA-Vergleich kommt in „Lost Along The Way“ dann doch mal in expliziter Manier zum Vorschein.

Ja, in der Tat: „Dividing Lines“ ist richtig gut geworden, um nicht zu sagen großartig. Wer hätte gedacht, dass unsereins das noch einmal über ein neuzeitiges Album der Briten sagen würde, aber die Platte macht richtig Spaß. Die hier und da oberflächlich geratenen, Zeigefinger erhebenden Lyrics hieven manchmal die eine oder andere Augenbraue empor, aber es ist nichts, was sich hier als grober Aluhut-Dealbreaker entpuppt, da die Südengländer ausreichend Feingefühl in ihre Lyrics hineinstecken. Und selbst wenn: Das musikalische Gewand drum herum ist einfach so elegant und edel gestrickt, dass man lyrische Oberflächlichkeiten gerne verzeiht. Fakt ist: „Dividing Lines“ dürfte wieder ein gelungener THRESHOLD-Schmaus sein, mit dem weder Fans noch solche, die es werden wollen, viel falsch machen. Im Gegenteil.

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11.11.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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2 Kommentare zu Threshold - Dividing Lines

  1. Lysolium 68 sagt:

    Bin ich schon ein wenig gespannt auf das neue Album. Ich gehöre aber auch zu den Leuten die gerade den massiven AOR
    Anteil bei Threshold immer schon sehr geil fand. Höre gerade wieder die „Subsurface“ und das ist schon Seelenbalsam…

  2. Watutinki sagt:

    Gar nicht so schlecht die Mucke, krankt aber aus meiner Sicht am allseits bekannten Label Polierzwang : Zu fett, zu antiseptisch und die (durchaus tollen) Clean Vocals, sind mir (quantitativ) zu exzessiv eingesetzt. Mehr wäre weniger gewesen, sttatdessen lieber noch auf einen Gegenpart setzen. Wenn es so produziert wäre wie bspw. die neue Disillusion, wäre das für mich ein geiles Teil. So aber venachlässigbar…