Ahab
Listening Session zu "The Boats Of The Glen Carrig"

Special

Ahab

Kurz nach dem Ende des GDL-Streiks sollte man sich eigentlich glücklich schätzen, dass einen die Deutsche Bahn sicher und unbeschadet von Köln nach Stuttgart transportiert. Denn an diesem ersten Juniwochenende findet hier nicht nur der Deutsche Evangelische Kirchentag statt, sondern zugleich auch die Listening Session zum neuen AHAB-Album „The Boats Of The Glen Carrig“. Und auf diesem können die vier Seefahrer einmal mehr ein Lied von unsicheren Transportmitteln singen.

Zunächst muss jedoch die äußerst schwierig zu meisternden Etappe quer durch zehntausende Protestanten hinter sich gebracht werden. Bibel-Leseprobe hier, Evolutions-Lügenpropaganda da, Coffee & Neues Testament to go. Etwas abseits von Jubel, Trubel, Heiterkeit liegt das Kap Tormentoso, eine Bar, wie sie dem Nautik Funeral Doom gerechter nicht werden könnte: Miniatur-Schiffe an den Wänden, Globusse als Deckenschmuck und eine Spirituosen-Sammlung, auf die man an Bord der Pequod stolz gewesen wäre. Ähnliches gilt wohl für die große Auswahl an köstlichem Kombüsenfutter. Doch in erster Linie versammelt sich die Mannschaft heute gar nicht zum Speisen unter Deck. Stattdessen wird die geplante Segelroute für den 28. August 2015 vorgelegt.

Denn dann wird die Glen Carrig zur See gelassen. Dann sind drei Jahre seit dem letztem Studioalbum „The Giant“ vergangen, mit dem sich AHAB sich ein Stück weit von der trägen Stimmung schwermütiger Funeral-Doom-Fluten entfernte. Abebbende, ruhigere Clean-Passagen wurden in den Sound verwoben, sodass der regelmäßige Gezeitenwechsel die Scheibe wohl zur bisher abwechslungsreichsten der Bandkarriere avancieren ließ. Die heutige Listening Session macht jedoch schnell klar, dass AHAB diesen Weg mit der Vertonung des Romans von William Hope Hodgson nicht nur kontinuierlich fortsetzen, sondern auf „The Boats Of The Glen Carrig“ auch immer wieder zahlreiche kleinere und größere Kurskorrekturen vornehmen.

The Boats Of The Glen Carrig

The Isle:

AhabEs ist der klassische AHAB-Songaufbau, wie man ihn sich anders eigentlich gar nicht wünscht: Zärtliches Clean-Gitarren-Intro mit ätherischeren Klargesangsschichten denn je, ein gefährliches Aufbrausen der Rhythmusfraktion und der Sturm bricht los. Die niederschmetternden Doom-Parts werden nicht nur von gewohnt tiefen Grunzern, sondern auch immer wieder von Daniel Drostes und Christian Hectors Twin-Guitar-Riffing überlagert. Doch schon nach wenigen Minuten wiegt man sich schon wieder seicht in den Winden der cleanen Spielereien, deren Klangfarbe nicht selten an den „The Giant“-Opener „Further South“ erinnert. More Jazz, less Post-Rock – oder so ähnlich. Stark!

The Thing That Made Search:

Exponentiell steigende Dynamik – dasselbe Spiel, möchte man meinen. Würde da nicht plötzlich ein E-Bow über den hauchzarten Anfangsklängen ertönen. Das Magnetfeld für die Hosentasche erfreut sich halt zunehmender Beliebtheit und wurde in der Vergangenheit nicht zuletzt von AHABs ex-Tourkollegen OMEGA MASSIF verwendet. Eine versteckte Reminiszenz an die jüngst aufgelöste Band also? Offensichtlich. Der Effekt erweist sich als gelungene Unterstützung für Drostes klagenden Gesang, der zwar in mehreren Overdub-Schichten arrangiert ist, hierfür aber von bedeutend weniger Reverb als noch auf „The Giant“ getragen werden muss. In der Folge gibt Drummer Cornelius Althammer den schleppenden Death-Doom-Marsch vor, wobei vor weiteren Sludge-Anleihen keineswegs zurückgescheut wird.

Like Red Foam (The Great Storm):

Ja, ist ja gut, Sludge, Sludge, Sludge, definitiv! Dieses Etikett kriegt die Truppe jetzt so schnell nicht mehr weg, denn die BPM-Zahlen nehmen langsam überhand – sind das noch AHAB? Jawohl, sie sind es und sie beweisen, dass ihr im Laufe vierer Alben zu makelloser Eigenständigkeit herangereifter Stil auch im schnelleren musikalischen Kontext funktioniert. Ein fettes Riff, vier sich austobende Musiker, ein knackig-kurzer Hit – da darf der Schiffsheizer gerne nachladen.

The Weedmen:

Es folgt: Die endgültige Zelebrierung der Langatmigkeit. Kalkül? Denn bei „The Weedmen“ handelt es in der Tat sich um den langsamsten und längsten Track, den AHAB je auf Tonband verewigt haben. Wenngleich die glasklare Produktion ein grenzenloses Schwelgen in Debütalbums-Nostalgie verhindert, wird hier doch einiges niedergewalzt. Der perfekte Mix aus „Old Thunder“ von „The Call Of The Wretched Sea“ und dem Titelstück der „Giant“-Platte. Nach kurzer Standard-Funeral-Doom-Kost zieht einen das akustische Floß dann aber auch schon wieder unter Wasser. Was den Verdacht aufkommen lässt, dass hier jemand sein Pedalboard ordentlich nachgerüstet hat.

To Mourn Job:

Here we go again! Kurzes Trauerintro, massive Unruhestiftung durch versiertes Tomspiel und: Dreckige Sludge-Einwürfe. Bevor sich jedoch Ähnlichkeiten in den Songstrukturen abzeichnen können, drehen AHAB den Spieß um und es geht es über psychedelische Gesangslinien und Streicher-imitierende Effektwogen zurück zu den angejazzten Akkorden einer einsamen Sechssaiter. Doch der Schein trügt: Knappe drei Minuten vor Ende des regulären Album kehrt die volle Mannschaft dann noch mal zurück – und hinterlässt nichts als das trostlose Rauschen des Ozeans.

Bonus Tracks:

The Light In The Weed (Mary Madison):

Was jedoch zurückbleibt, ist Mary Madison, die verloren geglaubte Seele der Glen Carrig. Ein wenig an die erste Hälfte des „Nickerson’s Theme“ von „The Divinity Of Oceans“ erinnernd, erzählt man ein weiteres Kapitel der „Boats Of The Glen Carrig“. Zwischen behäbiger Schlagzeugarbeit und sanften Bass-Arpeggios stellt Droste seine ausgebauten Gesangsfähigkeiten einmal mehr zur Schau – und kommt dabei erstmals in der Bandgeschichte ohne gutturale Laute aus. Einen wirklichen Spannungsbogen sucht man vergebens, aber weniger ist eben einfach mehr. Ein paar letzte seichte Anschläge und dann steht seine Stimme fast gänzlich alleine da. The Tide Is Turning. Hypnotisch.

The Turn Of A Friendly Card (THE ALAN PARSONS PROJECT Cover)

Das Konzept norwegischer Gastsänger im Hause AHAB ist kein neues, Coversongs sind es hingegen schon. Doch dass man sich gemeinsam mit SAHG-Sänger Olav Iversen ausgerechnet an ein poppiges ALAN-PARSONS-Stück wagt, ist ein überraschender und zugleich kluger Schachzug. Produktionstechnisch aus einem Guss agieren AHAB hier musikalisch jedoch wesentlich zurückhaltender und beschränken sich in erster Linie auf schwere Begleitakkorde. Dass Iversen dem Song jedoch nicht nur neue Schwermut verleiht, sondern zugleich Originalsänger Chris Rainbow vollständig an die Wand singt – geschenkt.


 

„The Boats Of The Glen Carrig“ erscheint am 28. August via Napalm Records.

Ein großes Interview zur Platte folgt selbstverständlich schon bald auf metal.de. Weitere Infos zu den einzelnen Songs gibt es bis dahin hier zu bestaunen:

Außerdem gibt es bereits ein Musikvideo zu „Like Red Foam (The Great Storm)“:

Galerie mit 15 Bildern: Ahab - Soulcrusher Festival 2023
29.07.2015

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