The Kovenant
"SETI" - Moderne Kunst oder Kitsch? Symbiose oder Kompromiss?

Special

Nach dreijähriger Abstinenz melden sich THE KOVENANT mit ihrem vierten Album „Seti“ zurück. Noch einmal schaffen es die Norweger, den Zuhörer zu schockieren. Schockieren entweder im positiven, oder im negativen Sinne. So traf auch in unserer Redaktion dieses Scheibchen auf zwei verschiedene Reaktionen. Während Metalgreg seine Enttäuschung zum Ausdruck bringt, wird Karolina um die Ehre dieser Veröffentlichung kämpfen und beginnt.

The Kovenant

„SETI“, diese Abkürzung steht für „Search for extra-terrestrial intelligence“, welch provozierender Titel und auch sehr zutreffend gewählt, denn lyrisch beschäftigen sich die Musiker mit existenziellen Fragen, die unter anderem den Ursprung der Menschheit erforschen. Die Suche nach der Wahrheit, Fragen, die sich bestimmt jeder von uns schonmal gestellt hat und die nie an Aktualität verlieren. Qualitativ hochwertige Texte sind also zweifellos ein positiver Aspekt dieser Veröffentlichung. Der erdige und zum Nachdenken bringende Inhalt steht in einem interessanten Kontext zur spacigen, abgedrehten aber weiterhin menschlichen, musikalischen Umsetzung. Musik, die mit ihren abwechslungsreichen, tanzbaren, bubblegumpoppigen, irgendwie lustigen, aber auch einfach nur schönen Klängen sofort ins Ohr und … ins Genick geht.

Das nenne ich mal eine Steilvorlage! Also, ins Genick geht bei mir auf dieser CD nicht viel. Ständig navigiert man im Midtempo und verlässt dies kaum, um mal ein wenig mit treibenden Riffs oder der Double Bass zu Potte zu kommen. Es ist also bezeichnend, dass mit „Via Negativa“ und „Hollow Earth“, das übrigens auch anstelle von „The Human Abstract“ auf „Animatronic“ hätte stehen können, die beiden schnellsten Stücke auch gleichzeitig die besten sind. Ok, abwechslungsreich ist diese CD. Aber eben nur, was die elektronischen Spielereien angeht. Die Gitarrenarbeit ist doch sehr eingeschränkt, weil man ohne Geschwindigkeitsvariation mit Rammstein-lastigem Riffing noch mehr limitiert ist als ohnehin schon. Tja, und zum Thema „Bubblegumpop“ (ein recht treffend gewählter Ausdruck) kann ich nur sagen, dass es nur so ausgehen konnte, wenn man sich vom 80er Pop der Marke A-Ha und Konsorten beeinflussen lässt. Aber was mir auf „SETI“ am sauersten aufstösst, ist Lex Icons Gesang. Kaum noch krank verzerrte Vocals und stattdessen vermehrt pseudocleanes Elektro-Goth-Gesäusel. Das hätte wirklich nicht sein müssen.

Ich finde es gut, dass nicht nur Nummern geboten werden, die ins Genick gehen! „SETI“ ist meiner Meinung nach anspruchsvoller als alles, was THE KOVENANT bisher rausgebracht haben. Die Jungs präsentieren uns eben nicht nur Stücke, bei denen abgebangt wird, sondern vor allem auch einige, die man wirklich geniessen kann und bei denen man über das technische Niveau im positiven Sinne überrascht sein kann. Sowohl futuristische Klänge, die genug Atmosphäre ausatmen, als auch variable Drumarbeit und für mich weiterhin fett genug rüberkommende Gitarrenriffs von Psy Coma sorgen für positive Aspekte. Auch die Einflüsse vom 80er Pop empfinde ich als ein weiteres Plus. Dessen Mischung mit elektronischen Elementen macht einen originellen und verrückten Eindruck, ohne aber den nötigen „Erdegrad“ zu missen. Ist mal was anderes, als das übliche, was man heutzutage zum Hören bekommt und weil es noch musikalisch im grünen Bereich umgesetzt wird, kann ich hier wirklich nicht meckern. Auch der Gesang wurde sehr passend zu dem musikalischen Background gewählt und untermauert die Atmosphäre. Lex Icon hat sich nun endlich als ein guter Sänger bewiesen, der nicht nur kreischen kann. Und das tut diesem Scheibchen gut. Abgespacte Musik und cybermässige Vocals verschmelzen zur einer Ganzheit und lassen „SETI“ als SCI-FI Metal glänzen. Die majestischen Refrains, die schnell ins Ohr gehen und bei denen einfach das Tanzbein juckt, sorgen für weitere Pluspunkte. Ruhigere Liedchen wie vor allem „Stillborn Universe“, oder „Perfect End“ entfalten dafür eine entspannende Wirkung und wissen durch sehr angnehme Melodien zu gefallen.

Es kann ja sein, dass sie entspannend wirken. Aber ist THE KOVENANT eine Band, zu deren Musik ich entspannen will? Ich denke eher nicht und deswegen finde ich ebendiese langsamen Stücke einfach nur langweilig. Dabei kommt es wohl auf die Erwartungshaltung an, mit der man an „SETI“ herangeht. Ich muss sagen, dass ich „Animatronic“ wirklich gelungen fand. Dieses Album war eine perfekt funktionierende Symbiose aus maschineller Technik, KOVENANTs bekannter, „kosmischer Ausrichtung“ und Aggression, die z.B. auch durch Lex Icons krank verzerrten Gesang getragen wurde. Diese Aggression ist jetzt fast vollends weggefallen, weswegen übrigens Leute, die „Animatronic“ schon verteufelt haben, „SETI“ erst gar nicht anzufassen brauchen. Und mit dem Anspruch verhält es sich so wie mit der Abwechslung: bei den elektrischen Parts ja, beim Riffing und dem musikalischen Rest nein. Wenn man mal nachzählt, fallen einem nicht viele Parts auf, in denen die Melodien von den Gitarren getragen werden. Dafür sind immer der verunglückte, weil nicht zu Lex Icon passende Gesang und die Keyboards zuständig. Dass die Melodien, die dabei herauskommen, recht gefällig sind, möchte ich nicht abstreiten. Aber sie sind auch einfach zu beliebig gleich und bleiben deswegen nicht lange im Gehörgang haften. Und wenn mir dann auch noch der Kitsch einer Nummer wie z.B. „Star By Star“ (erste Singleauskopplung) die Nackenhaare zu Berge stellt, kann ich meine Enttäuschung nicht mehr verbergen. Ich bin kein Mensch, der gegen Kommerz wettert. Aber das hier ist doch eine Nummer zu offensichtlich. Alles, was momentan zwischen Gothic, EBM und Rammstein „in“ ist, wird zu einer schwülstigen Elektroballade zusammengeklebt. Muss nicht sein. Dann doch lieber Nummern wie „The Human Abstract“ oder „New World Order“.

Ich bin ohne große Erwartungen und Vorstellungen an dieses Album rangegangen. Ich ließ es einfach auf mich zukommen. Gut ist gut, und ob es gut zum Tanzen, gut zum Bangen, oder eben gut zum Entspannen ist, ändert es nichts an der Qualität der „Ware“. Ansonsten, wer hat denn das Entspannen im Überschuß?! Darüber hinaus gewinnt bei „SETI“ das Entspannen ein anderes Gesicht. Nicht nur, dass man bei dieser Musik abschalten kann, es macht vor allem Spaß, sich dieses Scheibchen anzuhören. Dieses Album hat auch einen hohen Wiedererkennungswert. Die Musik entführt den Hörer in eine andere Welt, die irgendwo zwischen der Erde und den Sternen ist und die einem als unbekannt erscheint, so dass man einfach die Lust hat, diese Welt zu entdecken und gespannt weiter lauscht. Eine Reise ins Unbekannte, die uns viele Abenteuer und Überraschungen parat legt. THE KOVENANT haben sich entschieden, einen neuen Weg zu gehen, der sicherlich manchen alten Fan vertreibt, dafür aber ganz bestimmt genug neue gewinnt. Die Musik klingt sehr innovativ, verspielt, experimentell und ich würde sie gar als moderne Kunst bezeichnen. Das ist Musik, die Zukunft hat. Amüsiert, überrascht, entspannt, regt zum Tanzen an, überzeugt auch vom technischen Niveau her und brennt sich schon beim ersten Anhören in die Gehörgänge ein, was will man mehr?! Noch mal zu dem Gesang, er soll nicht zu dem Sänger passen, sondern zu der Musik und der von ihr erzeugten Atmosphäre und in diesem Fall war die Entscheidung auf das Kreischen zu verzichten absolut richtig und die halbhohe, teilweise an Depressive Age erinnernde Tonanlage weiß zu gefallen! Du misst hier Symbiose? – „SETI“ verinnerlicht und verbindet so viele Elemente zu einer eingängigen Ganzheit, dass es hier zweifellos eine Rede von Symbiose sein kann. Harmonie, der gewisse Härtegrad, futuristische Melancholie und der abgedrehte Sound erschaffen eine interessante Symbiose des Irdischen und Außerirdischen, was im Endeffekt durch Originalität glänzt. Auch das Keyboardspiel lässt nicht viel zu wünschen übrig und hat schon fast einen soundtrackartigen Charakter. Es mag sein, dass sich „SETI“ stellenweise kitschig anhört, aber der Kitsch wird gut genug verpackt und gesegnet mit intelligenten Lyrics und feinem Rhythmus macht er dieses Scheibchen irgendwie einfach nur menschlicher.

Wenn man die Weiterentwicklungen gut findet, mag das so sein. Überrascht hat mich nur der Gesang und das negativ. Und zum „gespannt weiter Lauschen“ hat mich „SETI“ auch nicht animiert. Nehmen wir mal „Perfect End“ als Beispiel. Dieses Lied ist einfach nur künstlich in die Länge gezogen, keinen Meter zupackend und aus diesem Grunde einfach nur langweilig. Dasselbe gilt für „Stillborn Universe“ oder „Neon“. Und ob diese CD innovativ klingt, wage ich auch zu bezweifeln, denn eigentlich biedert sie sich nur an. Was auf „Animatronic“ noch extrem war, ist hier irgendwie eingeschlafen. Die Gothic-Szene wird an den Vocals Gefallen finden, die Elektro-Fraktion an den Keys und Samples, die Metal-Rammstein-Ecke ist durch das ab und an sehr Neo Thrash-lastige Riffing angesprochen und die Popper haben viele schöne Kaugummimelodien. Genau das kann aber auch nach hinten los gehen, denn wenn man es alles Recht machen will, ist dies eine Form von Kompromiss und eben keine Symbiose. Und Kompromisse sollten Musiker nicht eingehen, da dies der Anfang vom Ende ist. Somit halte ich „SETI“ ganz klar für einen Rückschritt in THE KOVENANTs Karriere. Gerade mal „Hollow Earth“ und mit kleinen Abstrichen „Via Negativa“ (schön zum Abgehen, aber etwas in die Länge gezogen), „Cybertrash“ (Musik gut, Gesang mies) und „Industrial Twilight“ (Bombast pur, aber immer noch einen Tick zu wenig zupackend) können überzeugen, weswegen ich mir hier schon fast schwer tue, durchschnittliche fünf Punkte zu vergeben. Im Hoffen auf baldige „Genesung“ des ehemaligen Cosmic-Space-Metal-Flaggschiffs THE KOVENANT und dank der fetten Produktion aus den Hagener Woodhouse Studios drücke ich aber dann doch noch mal beide Augen zu und erspare „SETI“ ein Abrutschen in den roten Bereich. Ihren Bonus haben Lex Icon und Co. bei mir jetzt allerdings verspielt. Diese CD ist für mich bisher die Enttäuschung des Jahres, weswegen ich auch den allerorts stattfindenen Hype nicht nachvollziehen kann. Zum Einschlafen höre ich sie gerne, aber dies darf nicht THE KOVENANTs Anspruch an eine neue CD sein. Knapp 5/10. Damit wäre von meiner Seite alles gesagt.

Psy Coma hat „SETI“ folgendermaßen beschrieben: „It should be like a hybrid, a bastard-creation“ und so hört sich auch diese Veröffentlichung an. Gewöhnungsbedürftig, aber gut! Nach paar Durchlaufen zieht einen die Musik in ihren Bann und man muss einfach die Repeat Taste betätigen, um noch einmal tief ins All zu starten. THE KOVENANT gehen keine Kompromisse ein, sondern entwickeln ihren eigenen Stil, in dem verschiedene Musikeinflüsse geschickt zu einer Ganzheit verschmelzen. Dafür Hut ab! Sie wissen die Technik gut zu nutzen und produzieren ein abgefahrenes und wirres Album, dem es aber an Eigenständigkeit nicht fehlt. Verspielt, experimentierfreudig, lustig, kitschig (hier gebe ich meinem Kollegen recht!), aber auch einfach schön und anders. Lasst der Scheibe etwas Zeit und sie wird Euch das Universum inklusive aller Außerirdischer zu Füßen legen. Es lohnt sich! Von mir 8 Punkte.

08.04.2003

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