Nightwish
Interview mit Marco Hietala zu "Once"

Interview

Morgen erscheint das neue, mit Spannung erwartete Nightwish-Album „Once“. Man muss wohl kein großer Prophet sein, um zu wissen, dass es in den Charts gut abgehen wird. Die erste Single „Nemo“ macht es ja seit Wochen vor. Mit diese Aussichten vor Augen war es kein Wunder, dass ich vor ein paar Wochen einen sehr gut gelaunten Marco Hietala an der Strippe hatte, der bereitwillig über das neue Werk Auskunft gab und auch ein paar private und familiäre Dinge ausplauderte.

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Nach der Veröffentlichung von „Century Child“ wolltet ihr euch als Band eine längere Pause gönnen, um ein wenig runter zu kommen. Tarja wollte ihr Gesangssstudium abschließen. Was ist daraus geworden?

Das hat alles wunderbar geklappt. Tarja hat ihre Ausbildung abgeschlossen und ist jetzt von Karlsruhe zurück nach Finnland gezogen. Wir haben unsere kleine Pause auch genossen, in der wir nur ein paar Liveshows im letzten Sommer gespielt haben. Danach haben wir uns noch einen Monat intensiv um unsere Familien und Freunde gekümmert. So waren wir frisch und ausgeruht, als es an die Arbeiten zum neuen Album ging.

Wurden während dieser Zeit auch ein paar Sideprojects angeschoben?

Eigentlich eher, nachdem der Hauptteil der „Century Child“-Tour vorbei war. Im letzten Winter gab es allerdings keine Möglichkeit, etwas in diese Richtung zu unternehmen. Die Studioarbeit samt den Rehearsals und Arrangements hat viel Zeit in Anspruch genommen.

Habt ihr in dieser Zeit an euch selbst gezweifelt, ein Doppel-Platin-Album übertreffen zu können?

Darüber haben wir eigentlich gar nicht nachgedacht. Es war einfach ein gutes Gefühl, dass unser letztes Album in unserem Heimatland zwei Mal Platin eingefahren hat, weil dies auch für eine Metal-Band bei uns schwer ist. Aber deswegen haben wir im Entstehungsprozess vom „Once“ keinen größeren Druck als sonst auch verspürt. Natürlich haben wir diesmal einen viel größeren Aufwand gefahren, aber wir haben immer das gemacht, was wir auch tun wollten. Zuerst müssen wir selbst mit dem Material zufrieden sein, dann erst kommen die anderen.

Wie zufrieden seid ihr? Ist schon genug Distanz zum neuen Werk da, um es kritisch zu beäugen?

Nein, denke ich nicht. Aber trotzdem kann ich sagen, dass es unser bisher ambitioniertestes Werk geworden ist.

Wie sieht es mit „Century Child“ aus. Würdest du dort jetzt etwas verändern wollen?

(denkt etwas länger nach) Nein, da fällt mir wirklich nicht viel ein. Vielleicht hätten ein paar der Basic Recordings besser ausfallen können und der Bass-Sound ist ein wenig zu sehr der Distortion zum Opfer gefallen. Da habe ich diesmal besser aufgepasst, zumal ich jetzt auch stärker in die Band integriert bin. Während der Aufnahmen zum letzten Album war ich noch der „Neue“ und hatte nicht wirklich viel Kontrolle über das ganze. Jetzt ist meine Position gefestigter. Das sieht man auch meinen Vocal-Parts. Auf „Century Child“ habe ich mich ständig nach von Tuomas (Holopainen, Keyboards und Hauptsongwriter – Anm. d. Verf.) vorgegebenen Gesangslinien richten müssen. Auf „Once“ konnte ich mich mehr selbst einbringen und alles auf meinen Stil besser zuschneiden.

Stimmt. Dein Gesang hat jetzt eine wesentlich tragendere Rolle inne als noch auf dem Vorgänger?

Hmm…die Häufigkeit meiner Gesangseinsätze hat sich eigentlich nicht verändert. Sie sind aber zweifellos selbstbewusster und auch heavier geworden. Aber das gilt für des gesamte Album. Drums, Bass, Gitarren, alles klingt härter und grooviger. Das hat sich natürlich auf meine Vocals ausgewirkt.

„Century Child“ brezelte ja mit ein paar Songs schon härter um die Ecke als die Alben davor. Jetzt setzt ihr mit Songs wie „Dark Chest Of Wonders“ oder „Wish I Had An Angel“ härtetechnisch nochmals einen drauf. Wo geht die Reise hin?

Schwer zu sagen. Begründet liegt diese gesteigerte Härte darin, dass Tuomas, während er erste Ideen als 8-Spur-Demos aufnahm, diese auf Gitarre einspielte und nicht wie früher auf Klavier oder Keyboard. Das verändert den Charakter der Musik unausweichlich.

Kommen wir mal auf den Titel zu sprechen. Das Wort „Once“ bezieht sich stark auf die Vergangenheit. Was drückt es für euch aus?

Es gibt kein zugrunde liegendes Konzept, das sich ausschließlich auf die Vergangenheit bezieht. Alle Songs stehen für sich. Das Wort „Once“ steht in Verbindung mit einigen Lyrics, in denen es öfters vorkommt. Dabei ist seine Bedeutung jedes Mal eine andere. Wenn die Leute die Texte lesen, während sie parallel die Musik hören, werden sich ihnen die verschiedenen Aspekte dieses Titels erschließen.

Als erste Single habt ihr „Nemo“ ausgewählt. Der Titel hat aber nichts mit einem kleinen, orangen Fisch zu tun, oder?

(lacht) Nein, auf keinen Fall. Und mit Captain Nemo hat er auch nichts am Hut. „Nemo“ ist das lateinische Wort für „niemand“.

„Kuolema Tekee Taiteilijan“ ist ein finnischer Titel. Was bedeutet er?

Das heißt übersetzt „Death creates an artist“. Es ist ein sehr persönlicher Song von Tuomas. Ich kann nicht für ihn sprechen, aber ich glaube, es handelt von jemandem, der sehr viel kreieren MUSS. Einer solchen Person schwirren immer sehr viele Phantasien und verschiedenartige Welten im Kopf herum. Irgendwann fühlt man sich wie im Gefängnis, wenn man die richtige Welt wieder sieht.

Die indianisch anmutende Ballade „Creek Mary’s Blood“ endet ebenfalls mit einem fremdsprachigen Part. Indianisch?

Ja, richtig. Er wurde übersetzt und gesprochen von John Two-Hawks, einem indianischen Ureinwohner Amerikas, den wir unbedingt dabei haben wollten, um die Wirkung dieses Stückes noch zu verstärken.

Ein weit größeres Gastspiel hat das London Session Orchestra. Habt ihr es wegen seiner Arbeit auf den Soundtracks zu Herr der Ringe ausgewählt?

Nein, wir haben schon vorher mit dem Gedanken gespielt, dieses Orchester zu mieten, als wir noch gar nicht wussten, dass sie die Filme musikalisch untermalt haben. Das haben wir erst später herausgefunden. Irgendwie ein witziger Zufall.

Magst du, was Peter Jackson aus dem Tolkien-Buch gemacht hat?

Ja, auf jeden Fall. Ich bin ein Fan der Bücher seit meinem siebten Lebensjahr, als meine Eltern mir die Trilogie zum ersten Mal zum Lesen gegeben haben. Ich war sofort gefesselt und habe Herr der Ringe mittlerweile ca. 15 Mal verschlungen. Natürlich kann nichts an die Magie des Buches heranreichen, aber Jackson hat wirklich das Beste aus ihm heraus geholt. Das wird vor allem in den extra-langen DVD-Versionen deutlich.

Zurück zur Musik: Ihr habt die Plattenfirma gewechselt.

Ja, unser alter Vertrag ist ausgelaufen. Im letzten Winter hat es deswegen einen richtigen Plattenfirma-Wettkampf um uns gegeben. Uns flatterten reihenweise Angebote ins Haus. Nuclear Blast haben von allen bei weitem das beste abgegeben. Und jetzt, wo ich seit ein paar Tagen hier bin, um die Promotion zu machen, kann ich nur sagen, dass alle dort einen absolut großartigen Job machen.

Haben auch Major Labels bei euch angeklopft?

(zögert etwas) Ja, wir haben auch einige Angebote von weltweiten Major Labels erhalten, aber deren Vertragslaufzeiten wären einfach zu lang gewesen und sie waren teilweise nicht ganz so fair.

Meistens ist es auch besser, bei einem Label zu bleiben, das Ahnung von der Materie hat.

Ja, Nuclear Blast sind immer noch unabhängig und haben ein gewichtiges Wort mitzureden. Ich denke, die Größe des Labels passt wunderbar zur Größe unserer Band.

Freust du dich schon auf Shows wie Top Of The Pops? „Nemo“ wird unter Garantie hoch charten.

Das müssen wir wohl oder übel tun. Ein paar dieser Sachen sind auch schon aufgenommen und mitgeschnitten worden.

Was fühlst du, wenn du auf die letzten beiden Jahre zurückschaust. Ein rieseiger Wachstumsschritt für dich weg von Sinergy hin zu Nightwish, oder?

Eigentlich nicht. Als ich vor 2 ½ Jahren den Anruf vom Manager bekam, dass Tuomas mich gerne als Basser in der Band hätte, musste ich nur meinen Kaffee fertig trinken und 100 Meter über die Strasse gehen. Ich kannte Tuomas schon vorher. Sinergy haben Nightwish im Jahre 2000 supportet. Da konnte ich schon sehen, wie professionell diese Band arbeitet. Das hat mich natürlich interessiert. Als Tuomas mir dann die neuen Ideen für „Century Child“ mit seiner härteren Ausrichtung präsentiert hat, hat es mir gleich gefallen, dass er auch männliche Vocals einbauen möchte. So konnte er direkt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Danach erbat ich mir zwei Wochen Bedenkzeit, aber ich war mir abends auf dem Heimweg schon im Klaren darüber, dass ich einsteigen würde. Nicht vorbereitet war ich hingegen auf den rieseigen Erfolg und die monströse Größe ihrer Liveshows im Vergleich zu Sinergy. Das ist aber nicht negativ zu sehen. Jetzt, wo ich mich daran gewöhnt habe und das neue Album am Start ist, bin ich noch glücklicher, als ich es nach dem Einstieg sowieso schon war.

Wärst du auch noch so glücklich, wenn du deinen Kleiderschrank einem Girlie-Magazin präsentieren müsstest. In Finnland wäre das bei eurer Größe doch denkbar, oder?

(lacht) Nein, ich muss zum Glück meinen Kleiderschrank gar niemandem zeigen. Trotz unseres Doppel-Platin-Status in Finnland haben wir eigentlich doch weitestgehend unsere Ruhe, was die Medien angeht. Natürlich wird man auf der Straße oder in der Kneipe erkannt, aber zu Hause bedeutet für uns immer noch Frieden.

Wieviel Zeit bleibt euch eigentlich, um in Kneipen zu gehen oder ganz normalen Freizeitaktivitäten nach zu gehen?

Im Prinzip noch ausreichend. Ich bin ein riesiger Bücherwurm und Science-Fiction-Freak. Und ein wenig Zeit für Filme und Computer Games bleibt auch noch. Den größten Teil meiner Freizeit und der Zeit zu Hause verbringe ich jedoch als Vollzeit-Vater. Ich habe Zwillinge, die mittlerweile 2 ½ Jahre alt sind. Sie beanspruchen viel meiner Zeit und halten mich jung. Einerseits können sie einen richtig auf die Palme bringen, aber andererseits würde ich ohne sie auch nur halb so viel lachen.

Hören die beiden denn schon Metal?

Aber hallo! Die beiden sind schon richtig Metal. Als ich für die Aufnahmen zu „Once“ weg war, war meine Freundin mit ihnen immer auf dem Spielplatz. Dort sind sie dann die Rutsche hinunter gerutscht und haben lauthals „I rule!“ geschrieen. Ihr Lieblingssong. Ich habe es über das Handy gehört und nur stolz gedacht: „Yeah, das sind meine Söhne!“

So muss das sein! 🙂

Galerie mit 15 Bildern: Nightwish - An Evening with Nightwish 2023
06.06.2004

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