De Mortem et Diabolum 2016
Der große Festivalbericht

Konzertbericht

Billing: Winterfylleth, Archgoat, Batushka, Bölzer, Dead Congregation, Darvaza, Obscure Sphinx, Valkyrja, Albez Duz, Deathrow, One Tail, One Head, Outre, Thorybos und Witch Ritual
Konzert vom 16.12.2017 | Postbahnhof, Berlin

De Mortem et Diabolum – Samstag, 17.12.2016

THORYBOS

Der zweite Tag des De Mortem et Diabolum fängt erstmal mit Verspätungen an, denn aus technischen Gründen muss sich der Einlass um eine Stunde verzögern. Das führt jedoch dazu, dass die mecklenburgischen War Metaller THORYBOS schon als erste Band des Tages gleich vor einer ordentlichen Meute an Menschen spielen – und dafür sind sie dankbar. Zumindest hauen sie einen Wahnsinnsauftritt in gleich mehrerlei Hinsicht hin: Technisch wahnsinnig präzise, musikalisch wahnsinnig krass, die Bühnenperformance wahnsinnig abgefuckt. Sänger, Achtung, V. Tyrant of Necrocracy and Clandestine Blood Cult Inauguration gibt sich als des Wahnsinns fette Beute und zerdeppert bei „Blood Libation“ sogar seinen Mikroständer. Drummer, nochmal Achtung, Deathpriest Goatcommander of Black Abyss and Morbid Bestiality hat einen tighteren Tag erwischt als vor anderthalb Monaten auf dem Warm-up-Abend des Nuclear War Now! Fests. Und auch ansonsten rappelts ordentlich im Karton, Songs wie „Conqueror Of God’s Dominion“ oder „Darkness Attack“ gehen halt einfach ab. Heute sowieso, denn heute ist der knüppeligere Tag des DMED 2016, und so gönnt sich das Publikum THORYBOS auch schon mal in Vorfreude auf die stilistisch ähnlich ausgerichteten ARCHGOAT später. Ein verdammt fetter, dreckiger, wuchtiger, brutaler Auftritt – schade nur, dass es vorerst der letzte gewesen sein wird, da der Sänger mit dem langen Namen (siehe oben) die nächsten Jahre im Ausland verweilen wird.

(Stephan Möller)

DEATHROW

DEATHROW (letztes Studioalbum von 2014: „The Eerie Sound Of The Slow Awakening“) liefern ungewollt einen Special-Gig ab. Rotation ist meist im Mannschaftssport ein Thema, doch auch die Italiener würfeln kräftig durch: Gut, der Drum-Hocker ist wie gewohnt besetzt, aber der eigentliche Bassist, seines Zeichens auch Sänger von KULT, steht hinterm Mikro, und insgesamt gibt es heute nur eine Gitarre, weil einer der Gitarristen den Bass bedienen muss. Warum das alles? Weil sich der DEATHROW-Bandkopf beide Arme beim Skaten gebrochen hat. Zusätzlich sollte erwähnt werden, dass DEATHROW als Ersatz für CULT OF ERINYES ins Billing gerutscht sind und nach dem Unfall zunächst sogar ihren Auftritt abgesagt hatten.

Puh, erst mal durchatmen. Und eine verdammt geile Show genießen! Denn von all diesen Umständen ist auf der Bühne wirklich so gar nichts zu sehen. Ohne Ankündigung geht der Hebel auf Dauerfeuer, das Schlagzeug zeigt Dominanz … und verschluckt dabei leider das eine oder andere Riff. Es geht vor, zurück, in die Knie, die Haare fliegen: Alle Musiker haben regen Bewegungsdrang. Während draußen – und zwar direkt neben der Halle – übrigens eine Art Weihnachtsmarkt fürs zuckersüße Kontrastprogramm sorgt. Tja, wenn kein Schnee liegt, kommen die Black Metaller im Winter auch nicht raus, so einfach ist das.

Zurück in die Halle: Schon beim zweiten Song gewinnen die Gitarren an Präsenz – der Sound ist jetzt richtig gut. Und DEATHROW nutzen ihn, um ein angenehm abwechslungsreiches Set zu spielen: von rasend schnell auf Midtempo, zwischendurch plötzliche Explosionen, die noch schneller sind als die rasend schnellen Passagen, immer wieder diese niederringende Doublebass – hach, da muss doch jedem Anwesenden das verfaulte Herz aufgehen. Trotzdem nicken die meisten nur, aber auch das ist ja eine Bekundung von Zustimmung. „As above so below“, heißt es im dritten Song, während der vierte eine neue Seite zeigt: Black ’n‘ Roll in feinster ISVIND-Manier. Und noch mal: Die Burschen präsentierten sich ungeachtet der Umstellungen unentwegt als Einheit. Oder gerade deshalb. Es wird kollektiv gebangt, man klopft sich gegenseitig auf die Schulter und Sänger Tumulash haut mal eben auf die Becken – Gemeinschaftsarbeit. Was für ein Inferno! Nur mit dem Publikum wird nicht kommuniziert. Nötig? Die ersten zwei Buchstaben beantworten es schon: Nö. Faust hoch, Ende und weg.

(André Gabriel)

ALBEZ DUZ

Da soll noch mal einer was von Exotenstatus im Billing erzählen. Sicherlich musizieren ALBEZ DUZ ein wenig nebenher – gerade im Vergleich zu den mindestens am War Metal orientierten Kapellen des zweiten Festivaltages. Die Frage ist nur: Wen stört’s? Der Publikumsbereich zeigt keine Abnutzungserscheinungen, die Leute haben auch auf den okkulten Doom Metal der Berliner Bock. Der gar nicht so rein traditionell doomig daherdröhnt, wie man meinen würde. Vielleicht ist das der Grund, warum ALBEZ DUZ, die erst kürzlich ihr drittes Album „Wings Of Tzinacan“ auf den Markt geworfen haben, bei den härter Veranlagten ebenso ankommen. Trotz Schlaghose am Gitarristen winken die Songs in gewissen Momenten immer mal wieder zum Nachbarn Death Metal rüber: Hey, hallo, Grenzen sind doch was für Scheuklappenträger! Denkt sich auch Fronter Alfonso Brito Lopez, der clean gut kann, dem punktuellen Krächzen nicht abgeneigt ist, Growls einfließen lässt und – ja, doch, wirklich – kurzzeitig sogar in Pig-Squeals-Gefilde abdriftet. Der Vielfalt nicht genug verteilt er gen Ende noch ein überraschendes „Määääh“, das doch tatsächlich und genau in diesem Augenblick als Liedelement prächtig funktioniert. So erlangt man Aufmerksamkeit und nachgelagertes Gerede.

Widmen wir uns also der fetten Gitarrenwand, die ALBEZ DUZ hochziehen. Das deutet auf einen guten Sound, und genau den dürfen wir auch genießen. Und die Nummern? Verweilen meist auf einem ähnlichen Tempo, brechen aber auch aus, wenn es angebracht ist – die Geschwindigkeit erreicht nie das Level „schnell“, geht dann und wann aber hoch zu „treibend“. Riffs und Songstrukturen sind vielleicht nicht aufs Headbangen ausgelegt, animieren aber deutlich dazu (auch die Band selbst, teilweise sogar alle vier in einer Reihe) – kein allzu schlechter Live-Effekt. Die Dame an der Gitarre, Julia Neuman, steuert noch ein paar klassische Soli bei und fertig ist ein stilistisch spannendes Potpourri, das von vorne bis hinten unterhält. Und was passiert hinten beziehungsweise am Ende? Man hört eifriges Klatschen und sieht allerhand gehobene Fäuste.

(André Gabriel)

DARVAZA

Wieder zurück zum extremen Metal. Wie war das noch mit dem DEATHROW-Mischmasch? DARVAZA bestehen live aus der kompletten DEATHROW-Truppe plus dem Sänger von ONE TAIL ONE HEAD (die am Vortag bereits gespielt haben), der wiederum und unter anderem als Gitarrist von BEHEXEN tätig ist. Vetternwirtschaft im Black Metal! Das erklärt auch, warum die DEATHROWer im Backstage noch mit Corpsepaint rumgelaufen sind. Vor der Bühne wird es plötzlich deutlich voller, trotzdem fällt der Gig eher in die Kategorie „ordentlich, aber nicht besonders“. Einen Tupfer Abwechslung erreicht man durch die zweiten Vocals, wobei eine cleane Stimme zwischen Dunkelheit, vertonter Missgunst, wem auch immer gegenüber, und Teufelsanbetung keineswegs neu ist. Zwei EPs haben DARVAZA draußen: „The Downward Descent“ (2015) und „The Silver Chalice“ (2016). Irgendwie funktionieren die live nicht ganz so prächtig – zumindest am heutigen Abend. Die Songs verschmelzen eher zu einem Ganzen, dem es an echten Höhepunkten fehlt. Auf der anderen Seite hört man auch Stimmen, die den Gig von DARVAZA als einen der stärksten des gesamten Tages eingestuft haben – so unterschiedlich sind sie eben, die Meinungen und Geschmäcker.

(André Gabriel)

DEAD CONGREGATION

Soundcheck oder nicht? Noch ist es zu hell in der Halle … ah, schau an, es wird dunkler – da waren wohl selbst die Techniker nicht ganz im Bilde, wann es richtig losgeht. Und mit „richtig“ ist „voll auf die Fresse“ gemeint. Danach sehnen sich so einige, denn mit dem ersten Ton setzt sich die Masse in Bewegung und pilgert gemeinsam vom Nebenraum gen DEAD CONGREGATION. Fronter A. V. und seine ebenso durchweg mit Initialen versehenen Bandkumpanen werden von zwei Bannern mit der Aufschrift „Pray for total death“ flankiert. Na, dann mal los! Es bleibt dabei: Der Sound ist mächtig. Am mächtigsten ist allerdings das extrem tiefe Organ von A. V. – da reichen lediglich die Stimmbänder von ARCHGOAT-Fronter Lord Angelslayer heran, doch dazu später mehr. Möchte man doch ein klein wenig am Sound nörgeln, kann man den Gitarren den Hang zur Rumpeligkeit attestieren, ansonsten tönt alles sehr gut. Bewegen können sich die Burschen auch, das zeugt von Spiellust. Regelrecht simultan wippen Körper und Köpfe im Takt des facettenreichen Todesbleis, der sich in allen relevanten Geschwindigkeiten zeigt … bis runter zum sphärischen Downtempo – noch langsamer und die Musik wäre aus. Dem gegenüber stehen Ausbrüche ausgeprägter Brutalität. Apropos Musik: Hier liegt auch ganz klar der Fokus. Vorm letzten Song gibt es die erste – natürlich nur sehr kurze – Ansage. Zusammengefasst: Die Griechen priorisieren vortrefflich und überzeugen mit einem Auftritt, über den vor allem positiv gesprochen wird. Kurzum: Alles richtig gemacht.

(André Gabriel)

ARCHGOAT

DEAD CONGREGATION, das soll tiefer Gesang gewesen sein, Herr Kollege? Ohne den großartigen Auftritt der Band schmälern zu wollen, aber ARCHGOAT-Sänger und -Bassist Lord Angelslayer legt da nochmal ’ne Schippe drauf. So tief kann doch keiner? Doch, er kann! Und wie! Auch heute gilt: Wenn die Mucke basslastig ist, dann kann der Sound richtig was, und das nutzen die finnischen Bestial-Black-Metal-Pioniere aus. Sie spielen einen fetten, fetten, FETTEN Auftritt voller Hits, voller fetter Grooves und noch fetterer Blasts. ARCHGOAT können alles! Außer live Soli spielen – zwar greift Ritual Butcherer an der Sechssaitigen nicht daneben, aber komisch klingts schon, wenn er mitten im Riff den Gitarristen-Egoboost aufdreht, um sein Solo zu spielen. Die Crux, wenn man nur mit einer Gitarre spielt.

Aber das sind Kleinigkeiten, und ARCHGOAT mit Kleinigkeiten zu kommen, ist ungerecht. Denn das Trio aus Turku spielt eine grandiose Setlist, das hauptsächlich um das aktuelle 2015er-Album „The Apocalyptic Triumphator“ aufgebaut ist, aber auch von den beiden anderen Alben und sogar der guten alten „Heavenly Vulva“-EP mindestens je ein Stück bietet. Höhepunkt! Klimax des Festivals! Ohrgasmus! Cooler wirds nur noch, wenn Lord Angelslayer zur Zugabe mit Kippe im Mundwinkel auf der Bühne steht – und dabei so trotzdem grunzt, als wär nix. Geübt, geübt – mein Respekt! Zum Abschluss wird dann noch der obligatorische „Hammer Of Satan“ ausgepackt, bevor ARCHGOAT wieder von der Bühne verschwinden … übrigens in jenes unpassende grün-blaue Licht gehüllt, das schon das ganze Konzert über zu sehen war. Ähm, ja, kalter Black Metal klingt anders, liebe Technik. ARCHGOAT sind eher infernalisch heiß. Aber passt schon, auch wenn die Fotografen kotzen.

(Stephan Möller)

WINTERFYLLETH

Und zum Abschluss des Knüppeltages gibt es … WINTERFYLLETH. Das ist zwar cool, da die Band gern gesehene Gäste auf der Bühne sind, wo ihre Songs meist noch besser zünden, als auf Platte, aber irgendwie auch unpassend. Sänger Chris Naughton weiß das übrigens: Als die Band beim Soundcheck „Whisper Of The Elements“ anspielen, murmelt er: „Funny that we play this song after ARCHGOAT.“ Jopp, funny. Findet auch das Publikum, denn als WINTERFYLLETH dann anfangen, ist es erschreckend leer. Alle nach den Ziegenköppen nach Hause gegangen? Keiner mehr Bock auf Melodie? Zwar füllt es sich nach einer Weile noch, aber wirklich voll wirds nicht mehr. Schade für die Band, die einen hervorragenden Auftritt hinlegt – und übrigens ihren eigenen Soundmann dabei hat, der zum Abschluss auch einen klassischeren Black-Metal-Sound hervorragend hinbekommt. Tonmenschen aller vorherigen Bands mit kaltem Sound und wenig Bass: Schämen Sie sich! Es liegt nicht an der Halle!

Ansonsten passiert bei WINTERFYLLETH nicht viel auf der Bühne – außer eben klasse Songs, die heute hauptsächlich von den beiden überragenden letzten Alben „The Divination Of Antiquity“ und „The Dark Hereafter“ stammen. Mit „Warrior Herd“ gibt es eine Livepremiere für einen Song, die übrigens super funktioniert. Und dann, zum Abschluss, die Crowd ist mittlerweile leider wieder kleiner geworden: WINTERFYLLETH tun es. Sie wagen es. „Whisper Of The Elements“. Nachdem ARCHGOAT gespielt haben. Klappt aber, denn jeder, der noch da ist, erlebt einen intensiven Gänsehautmoment. So schön, so gut kann atmosphärisch-melodischer Black Metal sein, wenn Könner und nicht GHOST BATH das Ganze veranstalten. Toller Abschluss eines tollen Festivals, das nicht ganz an die Erstauflage von 2015 herankommt, sich aber trotz Soundprobleme gelohnt hat. Mit Dank an die Veranstalter, wir geben zurück ins Funkhaus!

(Stephan Möller)

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17.04.2017

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