Wave-Gotik-Treffen 2019
Der große Festivalbericht

Freitag, 07. Juni 2019

Nach einer Anfahrt, die buchstäblich in vollen Zügen genossen werden konnte, kann das WAVE-GOTIK-TREFFEN 2019 für uns beginnen. Erster Halt ist wie so oft das Heidnische Dorf, der große Mittelaltermarkt des WGT. Neben einem enorm starken Line-up 2019 finden sich die in Strömen eintreffenden Besucher auch aufgrund der vielfältigen Stände und dem reichlichen kulinarischen Angebot ein. Durch ein offenbar gelungenes Timing, können wir den Klängen der Folk-Formation GANAIM lauschen. Mal melancholisch, mal tanzbar und vergnügt bieten die Lieder einen perfekten Einstand in das diesjährige WGT. Zu Liedern wie “Mairis Wedding“ oder Irish-Folk-Klassikern wie “Follow Me Up To Carlow“ tanzt das Publikum beschwingt und belohnt die Band zurecht mit reichlich Beifall. Nebenbei wird von unserer Seite ein herrlicher Rhabarber-Federweißer verköstigt, den man nur empfehlen kann.

COPPELIUS

Coppelius – Wave Gotik Treffen 2019

Gut gelaunt geht es also zum ersten Highlight des Festivals – COPPELIUS spielen auf! Nach einer viel zu langen Konzertpause gastiert die Kapelle, die seit über 200 Jahren auf Tournee ist, mit frischem Mut und neuem Schlagzeuger “Linus von Doppelschlag“ in Leipzig. Der erste Auftritt des neuen Trommlers beginnt klassisch mit dem „Tanz der Zuckerfee“ aus Tschaikowskys “Nussknacker“, das von COPPELIUS gern als Intro genutzt wird. Butler Bastille betritt die Bühne und bereitet selbige für das Konzert der sechs Herren vor. Sobald sich diese dann einmal nach vorn haben bitten lassen, erfreuen sie das zahlreich erschienene Auditorium an Liedern wie “Risiko“ und “Der Luftschiffharpunist“. COPPELIUS gehören zweifelsohne zu einer der stärksten Live-Bands des Genres, was sie nicht nur ihrer abwechslungsreichen Musik, dargeboten auf Cello, Klarinetten, Kontrabass und Schlagzeug, zu verdanken haben, sondern auch ihrer famosen Show, in dessen Zentrum stets Bastille steht, wirbelt, hüpft und rennt. Dieser bringt mit seiner gespielten Unsicherheit, dem raschen Übergang zur Headbang-Extase und seinen verschmitzten Ansagen das Publikum in die richtige Stimmung. Zusätzliches Amüsement verschafft das spontane Sekt-Dinner zweier Verliebter auf der Bühne, die sich “Schöne Augen“ machen sowie abenteuerliches Instrumentarium wie die Stopschildgitarre, die Le Comte Caspar zu “Bitten, Danken, Petitieren“ spielt. COPPELIUS machen Spaß, haben musikalisch einiges drauf und sind spätestens mit diesem Konzert jedem zu empfehlen.

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JUNGSTÖTTER

Während COPPELIUS ihre Fans im Heidnischen Dorf im Ekstase versetzen, werden im Schauspielhaus ruhigere Töne angeschlagen. JUNGSTÖTTER, ein Musikprojekt um den Sänger und Pianisten Fabian Altstötter, spielen das erste Mal auf dem WGT und es hätte wohl keine passendere Location für diese Art von Musik gegeben als das Schauspielhaus. Sphärische Klänge wabern durch den gut gefüllten Saal, die durchdringende und an einen jungen NICK CAVE erinnernde Stimme erledigt den Rest. Diese Musik lädt zum Träumen, zum Nachdenken ein, ebenso wie zum schlichten Genuss, zum Abschalten. JUNGSTÖTTER spielen hauptsächlich Lieder aus ihrem Debüt „Love Is“, wie den eingängigen Titeltrack oder das gänsehauterregende „I Wonder Why“. Fabian Altstötter driftet bei der Präsentation seiner Stücke offenbar selbst in eine andere Welt ab, tanz er doch dazu wie in Trance. Sobald ein Lied verklungen ist, wirkt er stets dankbar und die Freude über die Wirkung seiner Musik ist ihm anzusehen. Es bleibt nur zu hoffen, dass JUNGSTÖTTER ihren Weg zurück in das WGT-Line-up kommender Jahre finden werden, damit man diese melancholische und doch kraftvolle Performance erneut genießen kann!

IN EXTREMO

In Extremo – Wave Gotik Treffen 2019

Der Platz vor der Bühne im Heidnischen Dorf wird sichtlich voller. Und voller. Und noch voller! Schlussendlich wird ein Einlassstopp verhängt. Woran liegt das? Ganz klar, IN EXTREMO sind der Headliner am Freitagabend! Ohne Pyros und Spezialeffekte präsentieren die Sieben einen spannenden Querschnitt durch ihr Schaffen, der es endlich auch mal auf das WGT geschafft hat. Von “Sängerkrieg“ bis “Rasend Herz“, von “Störtebeker“ bis “Vollmond“ ist alles dabei, was das Fanherz begehrt. IN EXTREMO haben dabei sichtlich Spaß, nur kommt es einem auf Dauer doch seltsam vor, eine derart große und populäre Band auf eine relativ kleine Bühne zu packen. Nichtsdestotrotz zeigen die WGT-Besucherinnen und –Besucher, was in ihnen steckt und singen lauthals zu Songs wie “Feuertaufe“ mit. Besondere Euphorie ist beim Mittelalterklassiker “Herr Mannelig“ spürbar, was noch einmal verdeutlicht, warum es trotz Platzschwierigkeiten absolut richtig war, IN EXTREMO ins Heidnische Dorf zu holen. Das Finale mit “Liam“, “Sternhagelvoll“ und “Pikse Palve“ wird ebenso ekstatisch mitgefeiert und so dürften sowohl Band als auch Publikum zufrieden den Schauplatz verlassen.

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WHITE LIES

Doch für uns endet der Abend noch lange nicht, schließlich stehen noch WHITE LIES auf dem Programm, die in der nicht allzu fernen Agra auftreten. Die Wartezeit kann auf dem Gelände vortrefflich überbrückt werden, schließlich bietet die angrenzende Shopping-Meile alles, was das schwarze Herz begehrt. Nach ausreichendem Gestöber und Verköstigung des neuen WGT-Bieres (bislang Braustolz, dieses Jahr Mönchshof) geht es um halb eins in die Konzerthalle. Die WHITE LIES kreieren eine Mischung aus Alternative und Indie Rock, die man dem Genre nach nicht sofort mit dem WAVE-GOTIK-TREFFEN assoziieren würde. Die gelegentlichen Post-Punk- und Wave-Einflüsse sowie die grundlegende Melancholie der Lieder sprechen jedoch deutlich für die WHITE LIES als Headliner in der Agra. Auch wenn zu später Stunde die Halle maximal zu Drei Vierteln gefüllt ist, kommt dennoch perfekte WGT-Stimmung auf. Verträumtes Tanzen zu sphärischen Melodien untermalt von mal mehr, mal weniger präsenten Gitarren, tanzbaren Beats und der packenden Stimme Harry McVeighs machen den Auftritt zu einem besonderen Erlebnis. Songs wie “Big TV“, “Death“ oder “Tokyo“ bilden ein einheitliches und dennoch energiegeladenes Klangbild, das seines Gleichen sucht. Müde aber glücklich verlassen wir das Geschehen und sind gespannt, was Tag 2 für uns bereit hält.