Blutmond - Thirteen Urban Ways 4 Groovy Bohemian Days

Review

BLUTMOND… ja, da war doch mal was. Es WAR. Diese Erinnerung bitte löschen. Ein Album, welches mit einem Titel wie „Mind Da Gap“ lautstark anfängt, nur um den Hörer dann ins Auto einzuladen, kann nicht gewöhnlich sein, und hat nichts mehr mit der einstigen Band zu tun, denen viele damals wegen „Endzeit“ keine Zukunft prophezeit haben. Die Lücke, „gap“, ist jetzt nicht nur Teil ihrer Biographie, sondern wird zum integralen Konzept eines Black Metal Albums, welches man in dieser Art weder in der Schweiz noch dem Rest der Welt gehört hat.

Der Lücke folgt ein Sturm namens „You Vs. The Modern Lifestyle Obsession“: rasend, modernes Riffing im Doublebass-Midtempo, bis hierher gewöhnlich. Dann nach 3 Minuten die harte Bassdrum, 4/4-Takt, die Vorbereitung auf das folgende, absolut tödliche Killerriff, welches den Song sofort Richtung Albumhit schießt. Ist es einfallslos, sich minutenlang darin zu aalen? Nein, es wäre eine absolute Verschwendung, dies nicht zu tun! Dieser Song ist die grande ouverture!

Ja, seit „Endzeit“ sind wirklich vier Jahre vergangen, und während manche Bands sich in so einer Zeitspanne keinen Millimeter vom Fleck bewegen, haben die Schweizer buchstäblich einen Quantensprung geschafft. „Working Poor, Yuppie Yeah! (A/a 3000)“ röhrt in den ersten Takten zunächst gnadenlos, mutiert plötzlich zum Hard Rocker, nur um gleich darauf wieder zu rasendem Black Metal zu schwenken. Sie haben noch viel zu sagen, schreien es neben hoch aufgetürmten Gitarrenwänden in die Großstadt hinaus.
„Rebellion“ schlägt sich dann plötzlich in die kleinen Gassen, Jazz dampft aus der Gosse, das Flair von Alternative Rock liegt in der Luft. Ein kurzes, bedeutungsschwangeres Intermezzo, gefolgt von „Friday – Trapped…“: Wieder ganz modern in Schwarz gekleidet, aber dieses Mal mit Saxophon und Kajal. Jazz, Gothic, Dark Rock – das hier ist eklektischer Black Metal ohne erzwungene Elementeschieberei. BLUTMOND zeigen eine generelle Vorliebe für sehr heftige Einschübe, die wie einzelne Straßenzüge im Augenwinkel vorbeiziehen, während man durch urbane Häuserschluchten rast. Die Akkorde, sie sind nichts für Wald und Wiesen, vereiste Berglandschaften oder postapokalyptische Ödländer – sie bedienen keine Stereotypen, und haben trotz ihrer Gewalt oft den Charme von Rock und bisweilen sogar Folk in sich.

„CRY.sys“ wandert mit elektronischen Beats und epischem Charisma auf Pfaden von Drummachine-Soloprojekt-Black Metal in der Art von EWIGKEIT und BENIGHTED LEAMS. „Good Morning World“ kehrt zurück zum wall-of-sound Rezept von „You…“, aber richtig überzeugend wird dann erst wieder „Martini Midnight Madness“, Hit Nr. 2, und wieder prägende Melodien, getragen auch durch unverzerrte Gitarrenlinien. Mittlerweile setzen sie weniger auf Worte, sondern durchschlagende Motive, der Stimmgewalt ist sozusagen die Bildgewalt ihrer Musik gefolgt.
„Metro Aesthetix“ bringt uns zurück auf die verregnete Straße, in die Nähe von dem Club, in dem auch BOHREN zuhause sind. Nachdenkliche Gitarren, Besen auf der Snare, Melancholie zum Anfassen, doch nicht für ewig. Der Bruch kommt schnell, „Suburbs…“ walzt die angenehmen Töne brutal nieder, fühlt sich aber dennoch im Jazz-Ambiente sehr wohl, in dem wohl auch Carl McCoy öfters einkehrt. BLUTMOND gelingt es auf vorzügliche Weise, dieses stilistische Gewitter so zu arrangieren, dass die Wechsel nicht zu krass sind, dass selbst harte Übergänge die Chemie zwischen einzelnen Passagen stimmig erscheinen lassen. Sie verschmelzen zu fließenden, harmonischen Verläufen, auch wenn die Scheuklappenlogik sagen würde: „WAS ZUR HÖLLE MACHEN DIE HIER EIGENTLICH???“

Die Songs, der Albumtitel, die Band scheinen hier genauso wenig zusammenzupassen, wie Trip-Hop Beats („The Party Is Over…“) und Black Metal. Doch sie schaffen es. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, dass hier planloses Haudrauf-Experimentieren der Vater des Gedanken war. Es ist eher ein ungewöhnliches, ungezwungenes Selbstverständnis von Metal, welches dieses Album in jeder Minute atmet. Urbaner Black Metal? Herzlich willkommen in der Großstadt, musikalische Guerillakrieger.

13.09.2010

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1 Kommentar zu Blutmond - Thirteen Urban Ways 4 Groovy Bohemian Days

  1. Anonymous sagt:

    Nachdem ich mir die CD aufgrund des durchwe g positiven Reviews und ein paar Samples auf MySpace gekauft habe, muss ich sagen, dass mir persönlich die CD absolut nicht das gegeben hat, was ich mir erwartet habe. Blutmond mag sich weiterentwickelt haben. Mir ist die Songstruktur dennoch zu \"zwanghaft\" avantgardistisch. Versteht mich nicht falsch, ich bin durchaus für Avantgarde zu haben, sonst hätte mich die CD nicht interessiert, aber es wirkt einfach nicht wie aus einem Guss.