Prophecy Fest 2019
Begraben unter Liedern

Konzertbericht

Billing: A Forest Of Stars, Sun Of The Sleepless, Farsot, ColdWorld, Katla, Disillusion, Alcest, Strid, Laster, Tchornobog, Fen, Year Of The Cobra, Vemod, Darkher, Empyrium, Bethlehem und Mortiis
Konzert vom 14.09.2019 | Balver Höhle, Balve

ZWISCHENSPIEL III

„Perfekt ist der Sound ja nicht“, teilt ein Festivalbesucher aus der Schweiz einem Helfer der Festival-Crew mit, der sich bei einer Zigarette vor den letzten Bands des Abends noch einmal entspannt. Der Angesprochene zuckt mit den Schultern, ist er doch nur als Bedienung am Bierwagen tätig. Der Schweizer räumt aber ein, dass sich die Fahrt trotzdem gelohnt habe. „Perfekt nicht, aber einzigartig“, ergänzt der Gast und die weiteren Gesprächsfetzen verschwinden wieder im Gemurmel der Anderen.

Der Vorplatz der Höhle ist dauerhaft gut gefüllt, ist Treffpunkt und lädt zum Versacken ein. Vor den letzten Bands des Abends deckt man sich noch einmal mit Wertmarken ein, genehmigt sich eine Currywurst aus sauerländischer Schlachtung oder veganes Dürüm. Das internationale Publikum ist entspannt und nicht aus der Ruhe zu bringen. Die ersten verabschieden sich, manche Bierleiche auch unfreiwillig und stumm auf der Rückbank eines Taxis. Doch noch ist der zweite Abend in der Höhle nicht vorbei. (MT)

DARKHER

Nicht zum ersten mal beim Prophecy Fest dabei waren DARKHER. Die Briten traten zu zweit auf und präsentierten eine romantische, traurige Doom-Interpretation mit einigen Post Rock- und Folk-Elementen. Markenzeichen ist der ausdrucksstarke Gesang der charismatischen Gründerin Jayn Hanna Wissenberg, die auch die tief gestimmte, dröhnende Gitarre bedient. Dies übrigens ab und zu auch mit einem Bogen, was den sehr eigenständigen Sound noch etwas genauer definiert.

Vielleicht noch ein wenig mehr als die vorherigen Acts spürte man bei DARKHER die sehr große Synergie mit der Konzertlocation. Der bedrohliche, mächtige Sound von Schlagzeug und Saiten baute sich eindrucksvoll auf und erfüllte jeden Winkel der Felsenhöhle mit dem fast greifbaren Schwermut.

Die Bühnenpräsenz fügt sich wunderbar ein. Geisterhaft und nicht ganz von dieser Welt wirkt die Sängerin, ebenso wie der Gesang, der sich über den Doomflächen erhebt und Gänsehaut beschert. Ein wenig folkig sind die Harmonien zweifelsohne, wirken aber eher wie eine dunkle Erzählung, wie eine folkloristische Schauergeschichte oder ein sinistres Schlaflied. Die Musik von DARKHER umarmt einen und trägt mich hinfort in ein verlassenes Dorf, an einer sturmgepeitschten, schwarzen Steilküste. Im Wind erklingt dann wieder der Gesang von DARKHER, ätherisch und wie aus der Ferne, dennoch kraftvoll und durchdringend. Ein elegisches Klagelied, reflektiert von kargem Fels.

Das Ganze wirkt faszinierend vereinnahmend, die andächtige Stille im Publikum spricht ihre eigene Sprache . Erst als Wissenberg sich den Anwesenden zuwendet und sich herzlich für den schönen Abend gelangt, bin ich wieder im Hier und Jetzt und das Prophecy Fest um einen Höhepunkt reicher. (MoG)

Konzertfoto von Darkher auf dem Prophecy-Fest 2019

EMPYRIUM

Mit dem, bereits aus Oberhausen bekannten Live-Setup, treten EMPYRIUM auch beim Prophecy Fest auf. Weitere Konzerte sind allerdings in diesem Jahr nicht mehr geplant, sodass der Glanz der Exklusivität auch hier auszumachen ist. Es ist jedenfalls schön zu sehen, dass sich auch junge Hörer enthusiastisch auf die Band freuen und die Halle zu den ersten Klängen dieser mühelos als Klassiker zu bezeichnenden Band gut gefüllt ist. Erfreulicherweise ist der Grundstock der Setlist prall gefüllt mit hervorragenden Songs vom Album „Songs Of Moors & Misty Fields“ (1997). „Heimwärts“ von „Weiland“ (2002) und „Where at Night the Wood Grouse Plays“ vom gleichnamigen Album (1999) runden die mit wenigen neueren Stücken besetzte Setlist ab. Nachdem es jahrelang als unmöglich galt die singulär-naturromantische Emotionalität von EMPYRIUM auf die Bühne zu bringen, kann dies spätestens nach dem Auftritt in Balve als Legende abgetan werden. (SW)

Konzertfoto von Empyrium auf dem Prophecy-Fest 2019

BETHLEHEM

Es ist eine Liebesheirat zwischen Sängerin Onielar und den Altmeistern BETHLEHEM. Wer sich dessen nicht bereits auf den beiden neusten Alben der Band „Bethlehem“ (2016) und „Lebe dich leer“ (2019) überzeugt hat, wird dies spätestens in Balve mit aller Brutalität erfahren haben. Es ist ein erstaunlicher Spagat, der Onielar gelingt, indem die alten Stücke wie „Schatten aus der Alexanderwelt“ im Spirit der Zeit und dennoch mit eigener Note auf die Bühne gebracht werden. Neben den verstörenden Bildern aus Irrenhäusern, Autopsien und Leichenprozessionen – noch heute rätseln Metalheads über die Herkunft der einzelnen Schnipsel – sorgt auch die Musik für Entsetzen, tiefste Abgründe und einem Verständnis dafür, was Menschen sich gegenseitig, und das Leben dem Menschen, antun kann. Nie war diese Musik authentischer, eindringlicher, verstörender. Alles nach BETHLEHEM sind nur Kopien, luftleere Nummern. Hau ab! (SW)

Konzertfoto von Bethlehem auf dem Prophecy-Fest 2019

MORTIIS

Am Ende der Reise setzt das Prophecy Fest den perfekten Ausklang. MORTIIS, der nach seiner Zeit bei EMPEROR nebenbei ein eigenes Genre definierte, welches sich, gut 25 Jahre nach dem Erscheinen des ersten MORTIIS-Album „Født til å herske“ (1994) hoher, aber durchaus nicht dauerhaft anhaltender, Popularität erfreut, steht allein, in Masken gefüllt auf der Bühne. Während sich ein Teil des Publikums nach 10 Minuten fragt, wann das Intro endlich endet und kopfschüttelnd die Höhle verlässt, kann sich der andere Teil ohne Vorbehalte auf diese epische Fantasy-Wanderung begeben, welche durch das liebevolle und eigenständige Artwork auf der Leinwand ein visuelles Gegenstück erfährt. Dungeon Synth in der größten offenen Hallenhöhle in Europa? Nie gab es einen besseren Ort für den einflussreichsten und vielleicht auch besten Künstler des Genres. Magie, wenn man den Zugang findet. (SW)

Konzertfoto von Mortiis auf dem Prophecy-Fest 2019

EPILOG

Das war es für dieses Jahr und auch das nächste Jahr. 2020 wird das Prophecy Fest in den USA stattfinden, nicht im beschaulichen Balve. Ob es dort eine beschauliche Dorf-Atmosphäre wie im Sauerland geben wird? Einen freundlichen Döner-Verkäufer, der seinen Stoff während des Festivals zu Dumping-Preisen dealt? Eine entspannte und entrückte Stimmung, fern von den Sorgen der post-modernen Welt? Wahrscheinlich gibt es sogar wirklich etwas ähnliches in den USA. Was aber nicht zu reproduzieren sein wird, ist die Balver Höhle und ihr eigentümliches Ambiente, irgendwo zwischen Naturdenkmal und Schützenhalle. Also ist es nur gut, dass auch ein anderer Termin bereits feststeht: 2021 wird das Prophecy Fest in die Höhle zurückkehren. Wir sehen uns dann dort, begraben unter Stein und Liedern. (MT)

 

Auf dem Prophecy Fest trotzten nächtlicher Kälte, schlugen sich durch dichte Wälder, schändeten verlassene Pfarrhäuser: Marc Thorbrügge (MT), Stefan Wolfsbrunn (SW), Moritz Gutscher (MoG) und Markus Hollenhorst (Fotos).

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25.09.2019

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