Anathema - Serenades

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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ANATHEMA werden ja manchmal zu den sogenannten „Peaceville Three“ gerechnet, also als Mitglied in der illustren Runde von PARADISE LOST und MY DYING BRIDE. Drei Bands aus dem United Kingdom, die in ihrer Frühphase den allseits grassierenden Death Metal mit einer ordentlichen Prise Doom Metal gewürzt haben. Bemerkenswert ist dabei Folgendes: Als ANATHEMA Ende Februar 1993 ihr Debütalbum „Serenades“ veröffentlichten, hatten PARADISE LOST bereits drei Longplayer draußen – und waren längst zum größeren Player Music For Nation abgewandert. Somit scheint dieses Etikett doch allzu willkürlich gewählt.

ANATHEMA und die „Peaceville Three“

Was alle drei Bands in dieser Phase allerdings eint, sind zwei Dinge: Erstens die Academy Music Studios in West Yorkshire als Tonstudio des Vertrauens. Dorthin ziehen sich ANATHEMA im Sommer 1992 zurück, um neue Musik aufzunehmen. Der erste Teil erscheint alsbald im November 1992 als „The Crestfallen EP“. Allerdings haben die Jungs zu diesem Zeitpunkt schon die restlichen Songs im Kasten, die schließlich auf „Serenades“ stehen sollen.

Der zweite Punkt ist die Verarbeitung morbider Elemente und eine Faszination für Friedhöfe. Gerade in dieser Hinsicht sind sich MY DYING BRIDE und ANATHEMA sogar noch näher: Krankheit, Tränen und Zerfall werden lyrisch überhöht und lustvoll in Szene gesetzt. Klar, dass das nicht mit einschmeichelnden Melodien und gefälligen Harmonien umgesetzt werden kann.

Krankheit, süße Tränen und Zerfall

Und so beginnt „Serenades“ mit einem Ausschrei der Verzweiflung: „Lovelorn Rhapsody“ verbindet dissonante Gitarrengriffe mit dem brünftigen Gebell von Shouter Darren White, bevor zweistimmige Gitarrenharmonien einsetzen, die ein wenig Hoffnung vermitteln. Der Rhythmus ist langsam und umständlich, bevor Drummer John Douglas straightere Schläge einsetzt. Das sind auch die Zutaten von „Sweet Tears“, zu dem sogar ein Promovideo gedreht wird. Zu Recht, denn das Riffing, bei dem die Cavanagh-Brüder auf den Saiten hochsliden, ist hoch originell.

Aber nach so viel Abgrund ist nach zwei Songs ein guter Zeitpunkt, um etwas lieblichere Klänge anzustimmen: „J’ai Fait Une Promesse“ setzt über sanften Arpeggien auf der Akustikgitarren die schöne Stimme von Gastsängerin Ruth Wilson in Szene – um danach in „They (Will Always) Die“ wieder die harschen Töne auszupacken. Beziehungsweise ist es gerade so, dass die beiden Gitarristen es nicht nur wunderbar verstehen, sich gegenseitig zu ergänzen, sondern auch aus Riffs Melodien zu schälen.

Seite zwei – gehen wir von der LP aus – beginnt mit dem vergleichsweise düster-beschwingten „Sleepless“, bei dem Darren White ausnahmsweise mal nicht grunzt und die Gitarrenarpeggien unverzerrt bleiben. Vielleicht waren es FIELDS OF THE NEPHILIM zu ihrer „Elizium“-Phase, deren Einfluss sich hier zeigt – ein Einfluss, der allerdings mit „Sleep In Sanity“ wieder hinweggefegt wird und wo sich die Briten wieder in Verzweiflung winden. „Under A Veil (Of Black Lace)“ legt den Fokus dagegen fast schon auf den Lichtstrahl, der sich am Horizont zeigt. Vielleicht zeigt sich unter dem schwarzen Spitzenschleier ja doch noch Leben und Liebe.

„Serenades“ und das Winden in Verzweiflung

Abgerundet wird „Serenades“ durch das teilweise flottere Outro „Where Shadows Dance“, wodurch der direkte Eindruck des Albums doch vielseitiger als mit einigem Abstand ist. Vielleicht haben ANATHEMA auf den anschließenden Werken (und dazu gehört schon die „Pentecost III“-EP) die noch stärkeren Songs geschrieben, aber das heißt nicht, dass die Serenaden nicht überzeugen würden. Einzig der Gesang klingt mit einigem Abstand seltsam harsch, ja fast schon brutal – ein vielseitigerer Sänger hätte mit gezielterem Einsatz seiner Stimme die Songs noch besser abrunden können. Vielleicht war es da kein Wunder, dass sich die Wege von Darren White und ANATHEMA im Entstehungsprozess des Nachfolgealbums „The Silent Enigma“ trennen würden.

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3 Kommentare zu Anathema - Serenades

  1. Seppelhutura sagt:

    Es gibt ja diese Platten, die genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind. Oder vielleicht auch zum falschen Zeitpunkt – je nachdem, wie man es sieht.
    Ich habe sie mit 16 gekauft, als mein Vater gestorben ist … und ab diesem Moment war sie für lange Zeit die wichtigste Platte überhaupt für mich.

    Diese Texte, die Trauer in unglaublich passende Worte kleiden. Diese wunderschöne, traurige Musik.
    Ich kann eigentlich gar nicht wirklich beschreiben, was mir dieses Album damals alles gegeben hat – und wie sehr es mir geholfen hat.

    Für mich – zusammen mit Eternity – das beste Album von Anathema. Ich habe gerade nochmal reingehört. Und sie ist immer noch magisch … jedes Lied.

    10/10
  2. zircular sagt:

    „Somit scheint dieses Etikett doch allzu willkürlich gewählt“. Gilt wohl nicht für die heutige Kopiererei? Ein zeitloser Klassiker, dem mehr innewohnt als der heutige Scheiss.

    10/10
  3. blackthrash sagt:

    wurde ja bereits alles gesagt/getippt!

    10/10