Monster Magnet - Powertrip

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Galerie mit 26 Bildern: Monster Magnet - Powertrip Tour 2020 in Berlin

Diesige Klangschwaden breiten sich im Äther aus, dem klischeebehafteten Drogennebel nicht unähnlich, mit einem Hauch Albtraum versehen dank nicht ganz klar auszumachender Stimmen, die fast wie aufjaulende, in der Hölle schmorender Seelen klingen. Aus dem Nebel erhebt sich staubtrocken eine Gitarre, fast irgendwie teilnahmslos, oder besser: unberührt, um mit einem schweinisch coolen Rocker eines der schweinisch coolsten Alben der neueren Rock-Geschichte zu eröffnen. Die Rede ist natürlich vom vierten Vollzeitalbum „Powertrip“ von MONSTER MAGNET, die mit dieser Platte endlich das vollendeten, was sich auf dem Vorgänger „Dopes To Infinity“ vorerst nur angedeutet hatte – den wohlverdienten, längst überfälligen Erfolg.

Nach dem Drogentrip folgte der „Powertrip“

Nachdem Dave Wyndorf und Co. den Vorgänger fertig betourt haben, zog sich Wyndorf für 21 Tage nach Las Vegas zurück, um vom dortigen Treiben inspiriert neues Songmaterial zu Papier zu bringen – offenbar im Akkord, da es heißt, er habe pro Tag einen Song geschrieben. Das Ziel war, Musik zu schreiben, die sich in den Staaten gut verkaufen lässt, was angesichts der Qualität von „Powertrip“ vor über 20 Jahren offenkundig was ganz anderes hieß als heute. Las Vegas hat ihm jedenfalls nach eigener Aussage offenbar durch die schiere Unmittelbarkeit der Stadt zu diesem geradezu unmenschlichen Arbeitsrhythmus gepusht, durch den am Ende seines dortigen Aufenthalts folgerichtig 21 Songs standen. Davon sind 13 Stück auf der finalen Trackliste gelandet, welche die Band in Kaliforniern mit Gitarrist Philip Caivano zum Quintett gewachsen aufgenommen hat.

Und was für eine Trackliste das geworden ist! Stilistisch bewegt sich „Powertrip“ nach dem trippigen „Dopes To Infinity“ ein gutes Stück in Richtung Erde zurück mit einem an der Vegas-Thematik durchaus angelehnten, noch dickeren Klöten-Sound, an dem Wyndorf selbst zusammen mit Produzent Matt Hyde gearbeitet hat, und insgesamt etwas eingängigerem, kontemporärem Songwriting, das einen weniger ausgeprägten Hang zum Spacigen oder jedweder Psychedelik inne hat. Unverändert blieben jedoch die grundlegenden Trademarks. Vor allem die breitbeinigen Riffs und Wyndorfs markante Stimmarbeit zwischen Gesang, Gekrächze und Geschrei drücken „Powertrip“ den MONSTER MAGNET-Stempel unmissverständlich auf.

MONSTER MAGNET ließen sich den Spirit von Las Vegas durch die Venen spülen …

Eingeleitet wird die Platte wie eingangs angedeutet durch den beispielhaft lässigen Rocker „Crop Circle“, der sich aus der in „Goliath And The Vampires“ erweiterten und auch zwischen „Temple Of Your Dreams“ und „Bummer“ auftauchenden Klangkulisse erhebend mit einer simplen aber effektiven Zwei-Akt-Struktur aufwartet und damit schon mal mächtig Eindruck schindet. Von hier an geht es Schlag auf Schlag! Der geradezu schon legendäre Titeltrack schließt sich dem vergleichsweise zurückgelehnten Opener wie ein Paukenschlag an und atmet selbstbewusst durch die Hose, während sich die Refrainzeile „I’m never gonna work another day in my life“ in den Hirnwindungen einnistet, ohne auch nur daran zu denken, Miete zu zahlen. Und er bringt gleich noch den nicht weniger berüchtigten, zum Synonym gewordenen „Space Lord“ mit, der es sich breitbeinig und mit Hand im Schritt ebenfalls im Kopf bequem macht.

„Temple Of Your Dreams“ klingt teilweise ein bisschen so, als würde es in der Sonne der Mojave-Wüste zu schmelzen beginnen, während das effektschwangere, ziemlich tief in der Psyche schürfende „Baby, Gotterdammerung“ wie eine Fata Morgana klingt, die einer falschen Oase gleich in der Distanz flackert und den Augen/Ohren einen Streich spielt. „Bummer“ ist einer der zäheren Tracks der Platte mit seinen kantigen, repetitiven Riffs. Doch Wyndorfs Gesang belebt das Geschehen über die gesamte Laufzeit, bevor ein waschechter Stoner-Doom-Part den Song in der Mitte regelrecht aufbricht. „17 Witches“ schießen sich MONSTER MAGNET dann wieder sagenhaft lässig aus der Hüfte, mittendrin schauen sogar mal ein paar Ufos vorbei. Und „See You In Hell“ gleitet ebenfalls geschmeidig und mit Sonnenbrand am linken Arm über den Asphalt.

… und hievten ein massives, breitbeiniges Rock-Album aus der Taufe

„Tractor“ brettert dann wie ein frisierter Trecker durch die Furche, die der Titeltrack schon vorher gezogen hat, nur um die aufgewühlte Erde noch einmal komplett umzupflügen. Obendrauf geht das Ding auch richtig heftig in die Nackenmuskulatur, während man nicht anders kann, als die Refrainzeile „I Am Driving A Tractor On The Drug Farm“ mit jeder ihrer Wiederholungen inbrünstig mitzugrölen. „Atomic Clock“ fühlt sich in der Mojave-Wüste pudelwohl und schnuppert hier und da ansatzweise etwas KYUSS-Luft, nur eben mit deutlich mehr Rotz in der Kehle. Der Rausschmeißer „Your Lies Become You“ dreht die Zeit dann zurück in die Siebziger und brilliert als atmosphärischer, gedämpfter und reflexiver Schlussakt für ein hitträchtiges Rock-Album.

Bei all der Euphorie, die unsereins dieser Platte entgegenbringt, muss zugestanden werden: Ganz perfekt ist die Trackliste von „Powertrip“ nicht. Denn bei all den Hits, die MONSTER MAGNET hier abfeuern, muss man den etwas arg generischen, nicht ganz so expressiven Rocker „3rd Eye Landslide“ mittendrin auch mal über sich ergehen lassen. Bedenkt man den Schreibprozess der Platte, ist es jedoch ein enormes Wunder, dass dies tatsächlich der einzige Durchhänger der Platte auf weiter Flur bleibt. Der Track ist aber nicht nutzlos, sondern demonstriert, wenn auch vermutlich nicht in erster Linie beabsichtigt, dass eine stringentere Songschreibweise nicht automatisch Hits produziert, sodass man wiederum die Energie der übrigen Stücke und das musikalische Geschick der Band hierhinter umso mehr zu schätzen lernt.

Damit ernteten MONSTER MAGNET den längst überfälligen Erfolg

All diese Qualitäten, ein erdigerer Sound, eine Wagenladung an großartigen Hooks und breitbeinigen Riffs sowie Grooves soweit das Ohr reicht machen „Powertrip“ auch heute noch zu einem exzellenten Begleiter für lange Autofahrten oder bierselige Herrenrunden. „Powertrip“ verkörpert natürlich ein testosteronschwangeren Klötensound par excellence, doch Tracks wie „Baby, Gotterdammerung“ und „Your Lies Become You“ zeigen auch eine gedämpftere Seite von MONSTER MAGNET, während die Lyrics rund um die Vegas-Thematik mit all ihren Ups und Downs hin und wieder tiefer schürfen als man angesichts der Unmittelbarkeit und Spontanität der Platte auf Anhieb annehmen würde.

Und der Erfolg gab MONSTER MAGNET recht: Es war vor allem der „Space Lord“ nebst dazugehörigem Musikvideo, der ihnen den bitter nötigen Charterfolg brachte und damit das erklärte Ziel dieser Platte erreichte. Der Titeltrack erfuhr in anderen Medien indes durch vielseitige Verwendung, auch noch lange nach Veröffentlichung von „Powertrip“ im Jahre 1998, einige Aufmerksamkeit. Unter anderem kam der Song bei einem Wrestling Event der No Way Out-Reihe oder in Videospiel-Soundtracks wie dem zu „Far Cry 5“ zum Einsatz. Doch wer hoch fliegt, kann auf entsprechend tief fallen, eine Geschichte, welche die Band auf dem Nachfolger „God Says No“ in gewisser Weise weiter erzählen …

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05.06.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Monster Magnet - Powertrip

  1. doktor von pain sagt:

    Bis heute meine Lieblingsplatte von Monster Magnet – und für mich gehört „3rd Eye Landslide“ zu den besten Songs auf dem Album.

    9/10