ZweiTon - Form

Review

Ich hau jetzt mal einen Vergleich raus, den es hier auf metal.de wohl bisher nicht gegeben hat: SQUAREPUSHER. Ich weiß, ich finde das auch seltsam, aber irgendwie erinnert mich die Atmosphäre des gesamten ZWEITON-Erstlings „Form“ an die Stimmung, die der abgedrehte Brite in seiner Musik so erzeugt. Und auch musikalisch gibt es tatsächlich einige Berührungspunkte zwischen dem Berliner Projekt und Thomas „SQUAREPUSHER“ Jenkinson.

Ich sollte vielleicht weiter vorn beginnen: Bei ZWEITON handelt es sich um das ‚NeoProg‘-Projekt des Gitarristen Alexander Dowerk, der auf „Form“ seiner achtsaitigen Gitarre die unterschiedlichsten Klänge entlockt. Unterstützt wird er dabei im Wesentlichen von Alexis Paulus am Schlagzeug, aber auch von drei Gastmusikern an Akustik-Gitarre, Tuba und Bratsche. Die im Booklet angegebenen Zeiträume der Aufnahmen (2009 und 2010) deuten einen Hang zum Perfektionismus und eine enorme Detailverliebtheit an, die man den gut 43 Minuten auch zu jeder Sekunde anhört. Manchmal würde ich mir so viel Mühe von der einen oder anderen Underground-Band wünschen, aber das nur am Rande.

Was gibt es auf „Form“ jetzt zu hören? Die Bezeichnung ‚NeoProg‘ trifft es schon ziemlich gut, denn ‚Prog‘ ist das Gebotene angesichts der technischen Fähigkeiten der beiden Hauptdarsteller ohne Zweifel, aber im Gesamtbild dann irgendwie doch nicht. Warum nicht? Habe ich bei ‚klassischen‘ Prog-Veröffentlichungen meistens das Gefühl, dass instrumentales Dickstrahlpissen mindestens zur Hälfte Selbstzweck ist, bleibt dieses Gefühl in den sechs Songs auf „Form“ aus. Das war ein Kompliment. Atmosphäre wird bei ZWEITON äußerst groß geschrieben und in meinen Ohren ist alles, was in den Klanglandschaften auftaucht, genau dort, wo es die Atmosphäre bestmöglich unterstützt.

Was hat das ganze Gequatsche jetzt mit SQUAREPUSHER zu tun? Wer die Veröffentlichungen des umtriebigen Musikers ein wenig kennt, wird mir zustimmen, dass SQUAREPUSHER in seinen Stücken eine ganz eigene, kalte, fremdartige Atmosphäre erzeugt (man höre sich nur einmal „The Exploding Psychology„, „Tundra“ oder „Tundra 4“ an) – ganz ähnlich empfinde ich die Atmosphäre auf „Form“. Kalt, geradezu steril arbeiten sich Dowerk und Paulus durch ihre Konstrukte, zeigen dabei ein beachtliches Gespür für Dramaturgie und Dynamik – und das ist beileibe kein einfacher Balance-Akt in diesem musikalischen Ansatz!

Jetzt fehlt – wie mir gerade auffällt – aber immer noch eine nachvollziehbare musikalische Beschreibung der Musik ZWEITONs… Das ist auch wirklich nicht so trivial. Man stelle sich vielleicht EPHEL DUATHs letzte Veröffentlichungen vor, die auf SIEGES EVENs „The Art Of Navigating By The Stars“ treffen, dabei jegliche Vocals und außerdem alle Wärme verlieren und zu guter Letzt von einem Jazzmusiker und dem Musikproduzenten der Space Night durch den Wolf gedreht werden. Oder so. Einige Anleihen aus Intelligent Dance Music / Trip Hop / Drum’n’Bass sind ebenfalls auszumachen (der Breakbeat in „Eis“ – großartig!). Dabei ist „Form“ doch stets kohärent, musikalisch integer und über weite Strecken sehr spannend.

Ich habe abschließend eigentlich nur einen Kritikpunkt an „Form“: Die beiden Musiker könnten – auch wenn das vielleicht nicht ihrem Naturell entspricht oder zum Konzept hinter ZWEITON vermeintlich im Widerspruch steht – öfter mal „Knüppel aus dem Sack“ spielen. Einfach mal ordentlich Zerre rein. Oder mal knackige Doublebass. Oder mal voll in Richtung Breakcore abdriften. Ich habe das Gefühl, dass solche Ausbrüche der Musik ZWEITONs noch eine zusätzliche Dimension verleihen könnten, ohne die künstlerische Integrität zu gefährden. Das wäre auch ein wirksames Mittel gegen die eine oder andere Länge, die sich – das muss ich leider sagen – dann doch eingeschlichen hat.

All diejenigen, die gern in sperriger Musik Herausforderungen suchen, intelligenter elektronischer Musik nicht abgeneigt sind und die atmosphärisch eher in kalten, kargen Gegenden daheim sind, sollten „Form“ mal eine Chance geben.

24.06.2012

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2 Kommentare zu ZweiTon - Form

  1. Milch sagt:

    Bei dem Teil bleibt mir (fast) die Spucke weg…

    9/10
  2. Querklang sagt:

    Kann Milch nur zustimmen, absolut unglaubliches instrumentales Progmeisterwerk! Entdecke immer wieder neue Details, selbst nach mehreren hunderten Durchläufen.

    10/10