Keep Of Kalessin
Interview mit Obsidian C. zu "Kolossus"

Special

Dass KEEP OF KALESSINs neues Album „Kolossus“ ein ziemlicher Abräumer ist, haben wir bereits im Review zur Scheibe festgestellt. Was es auf Bandebene darüber zu erzählen gibt, könnt Ihr im Interview mit Obsidian C. nachlesen – in diesem Special jedoch geht es um den Musiker dahinter, um Gitarren, Amps, Technik und Musikschulen. Warum SUGABABES-Hörer die besseren Metaller sind und erzeugte Reverbs nichts taugen? Schaut einfach mal nach, Obsidian C. gibt auf alles eine Antwort.

Keep Of Kalessin

Du hast augenscheinlich eine sehr spezielle Technik beim Gitarrespielen und beim Komponieren entwickelt. Mein Eindruck ist, dass Du gerade zwischen „Agnen“ und „Armada“ (bereits mit Anklängen auf „Reclaim“) den größten Sprung gemacht hast. Was ist in den Jahren dazwischen passiert, wieso ist es gerade da zu diesem einzigartigen Stil von „Armada“ gekommen?

Hm, für mich ist das nur eine natürliche Fortentwicklung. Ich denke, diesen Stil und diese Technik hatte ich schon immer präsent, ich habe aber vor „Armada“ nicht so sehr über Melodien nachgedacht, wenn ich Musik geschrieben habe. Wenn man „Agnen“ mal genau daraufhin anhört, spürt man schon, dass dieser Riffing-Stil auch da schon ausgebildet war – auch wenn die Produktion nicht so war wie sie sein sollte, was es schwierig macht, die Atmosphäre richtig aufzunehmen.
Aber, wie ich sagte, für mich ist die Entwicklung natürlich, auch wenn ich in den letzten Jahren durchaus probiert habe, diesen Stil voranzutreiben und eigenständiger in meiner Spielweise zu werden.

Hast Du eine klassische Ausbildung an einem Instrument genossen oder ist das Musikmachen innerhalb Deiner Familie Tradition? Würdest Du jungen Musikern empfehlen, Unterricht zu nehmen, oder lieber ihren eigenen Stil auszubilden? Wie viel ist Talent und wie viel ist harte Arbeit, wenn man ein Instrument spielen können will?

Musik war immer sehr präsent in meiner Familie. Mein Vater spielte in Bands und beherrscht sowohl das Gitarre- als auch das Klavierspielen. Ich habe mit etwa sieben angefangen, auf seiner Gibson Les Paul rumzuspielen. Mit neun bin ich in die Musikschule gekommen und lernte die ersten Basics des Gitarrespielens.
Ich denke, es ist gut für junge Musiker, Unterricht zu nehmen – andererseits denke ich aber auch, dass es zu viele schlechte Lehrer gibt. Ich dachte immer, üben und proben sei langweilig und kam grundsätzlich zum Unterricht, ohne meine Hausaufgaben geübt zu haben. Daher habe ich mich in jeder Stunde mies gefühlt, weil ich das Zeug nicht spielen konnte – fast so wie in der normalen Schule. Meiner Ansicht nach müsste es einfach viel mehr Spaß machen, Gitarrespielen zu lernen. Ich habe deshalb immer auch für mich selbst gespielt und fast sofort angefangen, eigene Songs zu schreiben. Mein Lehrer hat das niemals verstanden, statt mein Talent zu fördern und mich spielen zu lassen, was ich mochte, sollte ich den ganzen blöden Scheiß spielen, den man in der Musikschule eben spielen soll.
Ich meine, die Sache ist doch ganz einfach: wenn Du das liebst, was Du spielst, dann lernst Du es auch viel leichter. Ich denke nicht, dass MAIDEN-Soli oder METALLICA-Riffs weniger schwierig waren als der ganze Krempel, den sie mir beibringen wollten.
Davon abgesehen ist eine Musikschule zu sehr darauf fokussiert, dieselben Routinen für denselben Schüler zu wiederholen. Die größten Gitarrenhelden sind definitiv nicht die bestausgebildeten Musiker, zum Beispiel. Oft sind ausgebildete Instrumentalisten zwar technisch sehr gut an ihren Instrumenten, aber es fehlt dafür die Kombination mit Feeling und Songwriting-Fähigkeiten. Natürlich gibt es da auch Ausnahmen….

Wie lange spielst Du täglich Gitarre? Kannst Du spezielle Techniken und Übungen empfehlen, die die musikalische und technische Entwicklung fördern, wie z.B. zunächst Coversongs zu spielen, zu jammen, irgendwelche Übungen für schnelleres Picking, flexiblere Finger usw.?

Ich kann nur für mich sprechen, aber ich denke, der wichtigste Teil ist immer noch, einen eigenen Stil zu entwickeln. Ich habe das durch Jammen und Spielen mit anderen Leuten erreicht. Ich habe zwar Coversongs gelernt, mich aber nie lange hingesetzt und ein Solo eines anderen Gitarristen perfektioniert, zum Beispiel. Wenn ich versucht habe, Slashs Soli zu spielen, habe ich gespielt was ich heraushören konnte und was mich nicht mehr als fünf Minuten gekostet hat – wenn er anfing, schnelle Läufe zu spielen, habe ich einfach aufgegeben. Das Gleiche mit anderen Soli. Ich hatte nie die Geduld, das Zeug anderer Leute immer und immer wieder zu üben. Stattdessen habe ich mich auf meine eigenen Riffs und Songs konzentriert, und das ist vermutlich das, was mich dahin gebracht hat, wo ich heute bin. KEEP OF KALESSIN klingt wahrhaftig nicht wie irgendjemand anderes.

Meiner Ansicht nach bist Du ein exzellenter Gitarrist und vermutlich ein ernstzunehmender Einfluss für einige jüngere Musiker. Genauso wirst Du ebenfalls Einflüsse anderer Musiker in Deinem Stil verarbeitet haben. Wer sind Deine Gitarren- und Musikeridole?

Mir lag Komposition und Arrangement immer mehr als die eigentliche Gitarrentechnik. Ich bin mit IRON MAIDEN, GUNS’N’ROSES und METALLICA aufgewachsen. Das sind die drei Bands, die mich am meisten beeinflusst haben, und ich denke, KEEP OF KALESSIN hat mit diesen Bands mehr gemeinsam, als die meisten anderen Black-Metal-Bands. Wir bauen Songs in der Art und Weise dieser Bands, was in der Black-Metal-Szene durchaus selten ist, wo kaum noch jemand weiß, wie man einen wirklich guten Song arrangiert. Ich meine, es gibt zwar gute Riffs und Parts bei den meisten Black-Metal-Bands, aber nicht viele, die wirklich gute Songs haben. Ich hasse es wie die Pest, wenn Du gerade im Groove bist und darauf wartest, dass es richtig los geht, und dann springt die Band auf einmal zu etwas vollkommen Anderem und ruiniert den ganzen Song. Auch da gibt es natürlich Ausnahmen.

Du hast auf den letzten beiden Alben beispielsweise einige Einflüsse spanischer Gitarrenmusik und aus Filmsoundtracks verwendet, was für Metalbands durchaus ungewöhnlich ist (leider). Wie wichtig ist es Deiner Ansicht nach, sich vollkommen andere Genres anzuhören, um besseren Metal zu schreiben? Was sind Deine musikalischen Vorlieben?

Wenn Du Dir nur Metal anhörst und Zeug, was Metalbands vor Dir gemacht haben, wirst Du immer ein Nachahmer sein, keine Innovation. Ich höre viel Trancemusik und Rock, Pop sowie andere Metalstile als den, den ich selbst spiele.
Ich liebe Trancegruppen wie INFECTED MUSHROOM und ASTRAL PROJECTION, ich liebe Popgruppen wie SUGABABES und GIRLS ALOUD. Natürlich mag ich nicht alle ihre Songs, aber einige sind wirklich gut, und die kann ich mir auch immer und immer wieder anhören. Im Popgenre mag ich eher individuelle Songs, im Metal mag ich eher ganze Bands und Alben. Wenn eine Metalband Klasse hat, macht sie in der Regel ein gutes Album und nicht nur drei oder vier gute Songs, was bei Popbands anders ist. Auch da gibt es Ausnahmen, MUSE beispielsweise. Eine verdammt geniale Band!!!
Ich ziehe sehr viel Inspiration aus allem was ich höre und bringe es bei KEEP OF KALESSIN ein. Sehr wichtig ist allerdings, in der Herangehensweise an Songs nicht schizophren zu werden. Man muss es reflektieren, damit arbeiten, es verbinden, so dass es nicht im ersten Moment ein Trance- und im nächsten ein Black-Metal-Song ist. Ich benutze eher die Atmosphäre und Inspiration, um etwas Eigenes zu schaffen. „Kolossus“ hat eine Menge Thrash-, Black-, Death- und Power-Metal-Riffs und –Elemente, aber es klingt nicht wie ein Potpourri, weil es so geschrieben ist, dass sich die Riffs natürlich auseinander entwickeln.

Spielen ist eine Seite der Medaille, die andere ist Setup und Equipment. Könntest Du bitte Dein Gitarrensetup erklären, das Du im Studio und Live verwendest? Welche Amps, Effekte, Gitarren, Tonabnehmer, Saiten, Plektren, Kabel usw. nutzt Du?

Ich spiele ESP und LTD-Gitarren. Momentan spiele ich eine LTD M-1000, was eine wirklich unglaubliche Gitarre ist, aber trotzdem nicht die teuerste, die ESP hat. Ich kann das Instrument jedem empfehlen, der die ersten Schritte schon gegangen ist und eine sehr gute Gitarre möchte, aber gleichzeitig noch Geld für einen Verstärker übrig haben will. Außerdem sieht sie verdammt cool aus! Wir haben das Instrument übrigens auch in unserem neuen Video zu dem Song „Ascendant“ benutzt.
Was Amps angeht, spiele ich zwei Peavey 5150 II-Amps mit Peavey 4x12er Speakern. Ich splitte das Signal aus der Gitarre, nutze den einen Amp auf dem Distortion-Kanal mit sehr wenig Distortion, um das Picking herauszustellen und viel vom eigentlichen Ton zu behalten. Dazu schalte ich den anderen Amp auf den Leadkanal, das ergibt mehr Verzerrung und klingt mehr nach Metal Außerdem benutze ich einen G-Major-Effektprozessor, der den Leadamp konstant bei einem Delay von .26 Millisekunden hält, um Phasenprobleme zu vermeiden.
Für die wirklich fetten Parts wechsle ich auf ein sehr nasses Delay (d.h. sehr viel kurzes Echo – Anm. d. Verf.) auf dem Leadamp, belasse aber den Crunchamp immer 100% trocken, um den Bassbereich zusammen zu halten, und damit nicht alles wie ein einziges Chaos klingt.
Live spiele ich mit drei 4x12er Boxen, von denen zwei rechts und links stehen und den Leadamp abbilden, während der Crunchamp auf der Box in der Mitte läuft. So hat man auf jeder Seite sowohl Crunch als auch Lead. Der Crunch bläst Dir direkt ins Gesicht, während die Leads die Atmosphäre erzeugen und sehr „groß“ klingen.

Im Studio ist es prinzipiell dasselbe Setup, nur nehmen wir zusätzlich ein cleanes Signal direkt ins Mischpult, das später ge-re-amped (d.h. nachträglich verstärkt und mit veränderbaren Sounds versehen – Anm. d. Verf) wird, und zwar mit sansamp in ProTools. Außerdem haben wir ein Mikro ein Stück von den Boxen entfernt, um ein echtes Reverb zu erhalten und kein nachträglich errechnetes.
Für „Kolossus“ wollten wir eine organische Produktion ohne zu viel Editing und mit einem realistischen Sound. Man kann hören, dass eine Band spielt, es ist kein 120%ig perfektes Album, was ohnehin nur ein Copy-and-Paste-Job ist. Man wird auch eine bessere Liveband, wenn man das so handhabt, wir spielen das Zeug mittlerweile live zehnmal besser.

Ihr habt als Band Euer eigenes Studio aufgebaut, das unter ernsthaft arbeitenden Bands mittlerweile fast eine Art Trend geworden ist. Das ermöglicht Euch ein eigenständiges und entspanntes Arbeiten. Welches Equipment benutzt Ihr im Studio (Aufnahme, Mikros, Pre-Amps, Hard- und Softwareeffekte, Trigger usw.)?

Das System ist zunächst Mac ProTools. Wir nutzen Event Studiomonitore und die Onbard-Preamps eines Soundcraft-Mischpults. Was die Mikros anbelangt, haben wir sowohl Rode-, Sennheiser- als auch Shure-Mikros benutzt, je nachdem, welches Instrument wir aufnahmen und wie wir es klingen haben wollten. Die komplette Liste habe ich gerade nicht hier, da müsste ich mal unseren Soundmann Rune fragen.
Außerdem haben wir die Bassdrum getriggert – und auch die Snare, obwohl wir die im Mix fast nicht verwendet haben. Ich hasse alles außer Bassdrum-Triggern, hehe.

Was kannst Du jungen Bands empfehlen, was ist essentiell und wichtig, wenn man seine Musik selbst produziert? Kommt es eher auf das Equipment oder auf technisches Know-How bzw. Audioengineering-Kompetenzen an?

Lernt, Euer Zeug wirklich, wirklich gut zu spielen! Probt damit so oft es geht. Ich weiß, es ist seltsam, dass ausgerechnet ich das sage, weil ich grundsätzlich selbst mies auf Studiosessions vorbereitet bin. Allerdings haben wir eben unser eigenes Studio, in dem wir proben können, da habe ich auch die Möglichkeit, einfach mal eine Woche vor den Aufnahmen so lange selbst aufzunehmen, bis ich auf dem Level bin, auf dem ich sein sollte. Dann können wir die ernsthaften Takes machen. Für den Rest der Band ist das natürlich scheiße, weil es mit Vyl z.B. dasselbe ist – aber wir haben viel aus den letzten beiden Alben gelernt, das nächste wird der totale Wahnsinn, hehe.
Also, um es kurz zu machen: ich würde sagen, spielerische Fähigkeit und Equipment (Verstärker, Mikros) sind wichtiger als Soundengineering. Und, um das nochmal zu betonen, ich mag „echte“ Bands. Andere würden vermutlich behaupten, ein guter Soundengineer kann selbst die beschissenste Band gut klingen lassen.

01.06.2008

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