Mekong Delta
Immer einen Schritt weiter hin zum Ziel

Interview

Wo wir gerade bei Konzerten sind: Lass uns doch mal über das eigentliche Thema unseres Gesprächs reden, das neue MEKONG DELTA-Album „Tales Of A Future Past“. Das ist ja jetzt so seit anderthalb bis zwei Monaten [zum Zietpunkt des Gesprächs] draußen.

Müsste so sein, ja. Ich muss dir ganz ehrlich sagen: Das ist so ein bisschen an mir vorbei gegangen. (lacht) Denn direkt danach habe ich mich – weil ich aufgrund der Platte grad so schön beim Orchestrieren war – auf die Re-Orchestrierung der Orchester-Titel gestürzt. (lacht) Sozusagen perfekt auf den zweiten Lockdown vorbereitet.

Was hat sich denn beim Schaffensprozess im Gegensatz zum Vorgänger „In A Mirror Darkly“ geändert, abgesehen vom Lineup?

Och… Eine ganze Menge. Zum Beispiel, dass die orchestralen Sachen diesmal deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen haben. Weil glücklicherweise habe ich jetzt endlich mal die Tools, die ich mir 1996 gewünscht hätte. Und darin kannst du dich ja vollständig verlieren. Wenn du da so einen Titel nimmst wie „When All Hope Is Gone“, da hat allein das Arrangement dieses großen Orchesters fast ein dreiviertel Jahr gedauert. Deswegen war der Zeitabstand auch so große gewesen. Dazu kommt nocht, dass ich versucht habe, die Sachen so zu gestalten, dass die heftigeren Sachen eher in den Hintergrund gehen vom Effekt und dass man der besseren Linie noch folgen kann. Das hat sich auch gelohnt, denn auf dem Album sind hervorragende Gesangslinien vorhanden.

Geändert hat sich der Schaffensprozess auch dahingehend, dass die Instrumentierung anders gesetzt war. Das kann man schwer erklären. Das musst du einfach hören. Das wird dir aber auch aufgefallen sein.

Mir gings beim ersten Hördurchgang von „Tales Of A Future Past“ wie mit jedem MEKONG DELTA-Album: Zunächst war ich etwas überfordert. (lacht) Oder zumindest überwältigt.

Das sagt meine Freundin auch immer, „erschlagen“. Sie fragt dann so: „Wen willst damit wieder erschlagen?“ (lacht)

Man erzählt sich ja von Bands wie KING CRIMSON, dass sie ihre Musik mit dem Taschenrechner komponieren. Trifft das auch auf MEKONG DELTA zu?

Nein. Das hängt aber vor allem damit zusammen, mit welcher Musik ich groß geworden bin. Bei mir ist das so, dass ich schon sehr früh mit Musiken konfrontiert worden bin, die mir einfach gefallen haben. Das hat meinen Weg deutlich beeinflusst. Das hat irgendwie damit angefangen, das ein Kollege und ich im Alter von so zehn Jahren aus den damaligen Kleiderbügeln mit Hosenhalter die Stangen raus brachen. Zu der Zeit gab es eine Gruppe namens NIAGARA, die bestand irgendwie in den Achtzigern, Siebzigern so um den Dreh, keine Ahnung mehr. Und die bestand nur aus Trommeln. Das fanden wir so geil, dass wir diese Querstangen aus den Bügeln gebrochen und überall auf Sofa, Tischen, allem rumgekloppt haben.

Und um mich ruhig zu stellen, damit ich das Mobilar in Ruhe lasse, wurde mir ein Bass geschenkt. Da habe ich dann angefangen so „Jau, Klasse!“, dann kam aber auch schon als ich ein bisschen spielen konnte der erste Punkt, der mich so ein bisschen aus der Umlaufbahn geworfen hat. Da war ich so um die 13 Jahre alt und im Urlaub mit meinen Eltern gewesen, das war in Spanien. Das war für den normalsterblichen Arbeiter der Standard-Urlaubsort. Und da bin ich erstmals mit einem richtigen Flamenco-Player konfrontiert worden. Da ging’s richtig zur Sache. Das hat mich richtig fasziniert, dass ich meine Eltern und Großeltern dazu beeinflusst habe, mir eine Konzertgitarre zu schenken.

Da war ich dann hin und weg gewesen. Ich habe locker so bis zu zehn Stunden am Tag geübt. Das war für mich überhaupt kein Ding. Und weil ich so intensiv geübt habe, bin ich auch schnell voran gekommen. Ich konnte so im Alter von 14-15 die schweren Bach-Suiten spielen, siehe auch „Landscape 4 – Pleasant Ground“ vom Album, auf welcher der Satz „Sevilla“ von Isaac Albeniz‘ „Suite Espanol“ adaptiert ist. Was du da mit der Band intoniert hörst, spielte ich allein auf der Konzertgitarre. Das habe ich mit 15 schon erreicht.

Und irgendwann habe ich dann umgeschwenkt auf zeitgenössische Musik. Dann kam das zweite, einschneidende Erlebnis für mich: Ich bin aufs Gymnasium gewechselt und wir hatten da auch so einen Pausenraum, wenn du Freistunden hattest. Der war nicht immer zwangsweise voll besetzt da die Leute in ihren Freistunden auch in die Stadt gegangen sind. Aber ich hatte an jenem Tag eine spontane Freistunde und auch keinen Bock, irgendwas zu machen. Und da habe ich meinen Lieblingssender zu der Zeit angemacht: WDR 3. Die haben klassische Musik gespielt um 10 Uhr morgens, 10 – 12.

Und da bin ich konfrontiert worden mit einer Nummer, die mich voll weggeblasen hat, nämlich mit Prokofiews zweiter Symphonie in D-moll. Die nennt er selbst die „Symphonie aus Stahl und Eisen“. Die hat er so um 1925 um die Zeit herum geschrieben. Und das, vor allem der erste Satz, lässt so ziemlich alles, was du kennst, wie ein Witz aussehen. Das ist so hart, da kann ich einfach auch nicht viel zu sagen, das musst du einfach mal gehört haben. Das Ding haut dich weg. Und das hat mich extrem beeinflusst. Und diese Kombination mit der klassischen Gitarre hat dazu geführt, dass ich Musik ganz anders fühle und ganz anders denke. Und deshalb wird hier nichts kalkuliert am Rechenschieber, ich denke die Musik einfach so.

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Quelle: Fotos: Mekong Delta
04.10.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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