Simon Hawemann
Enemy Of The Music Business

Interview

Simon und ich haben schon ein halbes Dutzend Interviews geführt. Das erste war schon 45 Minuten lang und WAR FROM A HARLOTS MOUTH hatten noch nicht mal ihr Debüt veröffentlicht. Über die Zeit wurde der gebürtige Berliner zu einem gern gesehenen Gesprächspartner, der mehr zu sagen hat als die Standard-Floskeln über das neue Album. Am Pfingstmontag war es dann mal wieder Zeit zu einem Videointerview mit Simon, der mittlerweile in Florida wohnt.

Sitzt du noch gar nicht in deinem Bunker wie dein Präsident? Auch wenn es eigentlich nicht dein Präsident ist.

Leider waren die Bunker ausverkauft.

Gehört doch aber zu so einer Kalter-Krieg-Ausstattung dazu.

Das ist richtig, aber leider waren die Bunker im Frühlingsschlußverkauf so schnell weg.

Da kann man doch eigentlich nur noch Witze machen, oder?

Leider nicht. Mir fehlt die ironische Distanz dazu mittlerweile. Es ist nur noch belastend hier zu sein.

Ist es denn in Deutschland so viel besser? Stichwort AfD, Stichwort Hanau. Es gibt auch genug Beispiele, dass es hier nicht unbedingt besser läuft.

In so global beschissenen Zuständen ist es schwierig, qualitative Unterschiede zu machen. Der Punkt für mich ist aber, das ich hier Migrant bin und nicht viel Einfluss darauf habe, was um mich herum passiert. Auch sind im Vergleich zu Deutschland weder die Wahlrechte noch die Arbeitnehmerrechte gesichert. Die Krankenversicherung ist nicht auf dem gleichen Niveau und die AfD ist in Deutschland auch noch nicht vier Jahre an der Regierung. Die Spaltung, die die AfD in Deutschland verursacht, wirkt hier in den Staaten schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten.

Ich muss in dieser Zeit immer BODY COUNT hören, vor allem das album „Bloodlust“ mit dem Song „No Lives Matter“ und der Zeile „When it comes to the poor, no lives matter.“ Es gibt ja nicht nur die Spaltung zwischen Weiß und Schwarz, sondern auch zwischen Arm und Reich. BODY COUNT haben das in dem Song so beschrieben, dass es den Reichen sowieso egal ist welche Hautfarbe ihr habt, Hauptsache sie können auf euch rumtrampeln.

Das ist auf jeden Fall Teil des Problems, denn man hat so eine Art Klassenkrieg. Eigentlich sollte die Demokratie den Kapitalismus regulieren, aber der Kapitalismus reguliert leider die Demokratie. Unbegrenztes Wachstum geht mit dem Blick auf den eigenen Vorteil zusammen und so ist „Black Lives Matter“ genauso richtig, wenn man auf die Situation der Afro-Amerikaner schaut, wie „No Lives Matter“, wenn man auf das große Ganze schaut. Weder das eine noch das andere ist die ultimative Wahrheit. Es gibt da die verschiedenen Ebene, wie ein verschissener Burger aus Unrecht.

Für mich hört sich die „Bloodlust“ wie 90% Kapitalismuskritik an ohne eine Schlussfolgerung zu ziehen. Man kritisiert und kritisiert, kommt aber nicht zu der Idee, dass das Wirtschaftssystem daran Schuld sein könnte. Haben diesen Schritt im Denken in den USA bisher wenige Leute gemacht oder ist das jetzt gerade geschehen, wenn man zum Beispiel an die Vorwahlen und Bernie Sanders denkt. Ist das bei den jungen Leuten anders oder wie nimmst du das wahr?

Die Leute, mit denen ich mich so abgebe und eher links von der Mitte geprägt sind, sind eher sehr progressiv und haben ein großes Bewusstsein dafür entwickelt, dass wirtschaftliche Ungleichheit eines der größten Probleme ist. Davon entspringen viele Probleme und Rassismus wird dadurch noch gefördert. Das bedingt sich und der Rassismus in den USA hat natürlich auch ökonomische Hintergründe.

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Quelle: Interview mit Simon Hawemann am 01.06.2020
11.08.2020

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