Simon Hawemann
Enemy Of The Music Business

Interview

Mich interessiert die Business-Seite in dem Zusammenhang, dass jedes Jahr die Konzerte teurer werden. T-Shirts werden teurer und kosten doch manchmal auf Konzerten schon 30 Euro, wobei die Herstellungskosten maximal bei 5 Euro liegen. Und am nächsten Tag im gleichen Club kostet dann das Shirt mit der gleichen Qualität von einer anderen Band 15 Euro. Diese Business-Scheiße geht mir als Fan aber auch auf den Sack.

Ich bin da recht pragmatisch und wenn ich so ein teures Shirt auf einem Konzert sehe, dann zuck ich mit den Schultern und denke mir, dann eben nicht. Vielleicht kann ich da auch nicht richtig mitreden, denn Bands, die mich komplett abholen, auf Tour zu sehen, ist sowieso verschwindend gering. Ich stehe eher auf weirden Underground-Shit und da läuft dann auch viel über Vinyl. Da hast du dann Kleinstlabels, die einen enormen Aufwand in die Vinyl-Veröffentlichungen stecken, aber ob du dann die Bands irgendwann mal live siehst, steht auf einem ganz anderen Blatt. Da wirst du dann wenigstens nicht auf Konzerten abgezockt und kannst die Bands dann wirklich nur mit dem Kauf des Albums oder Merchandise direkt bei ihnen unterstützen. Aber dann hoffe ich, dass die Bands vom dem Kuchen etwas abbekommen und nicht alles abgegeben haben und 150 Shows im Jahr spielen müssen.

Aber du trägst gerade ein Shirt von CROWBAR und die sind das beste Beispiel. Als sie hier mit OVERKILL in Stuttgart waren stand Kirk Windsteins Frau am Merchandise und hat sich entschuldigt, dass sie die Shirts für 25 Euro verkaufen, weil sie sich an den Preisen vom Headliner anpassen müssen. Ein Jahr vorher waren sie hier vor 200 Leuten und da hat das Shirt 15 Euro gekostet. Das ist auch der Business-Krams, der einen so ankotzt.

Auf jeden Fall.

Oder bei den großen Hallen. Hier in Stuttgart in der Schleyerhalle haben jetzt einige Bands angefangen kein Merch mehr zu verkaufen, weil die Halle jetzt mit einer gewissen Prozentzahl an den Verkäufen beteiligt werden will. Dann stehen die teilweise auf dem Parkplatz und verkaufen aus dem Bus heraus offizielles Merchandise. Sowas kotzt mich an.

Natürlich kotzt es dich an, weil du auch den Einblick hast, dass es für die Musiker nicht sonderlich fair ist. Wenn man es aber auf die oberflächigsten Fakten runterbricht, dann gibt es den Merch noch und ob der nun draußen oder drinnen ist, kann dem Fan ja egal sein. Es schadet mir als Fan ja nun aber nicht, ob ich die Scheiße drinnen oder draußen kaufen kann. Das ist ja aber auch nicht neu, denn ich hab als Band schon öfter Merch-Cuts an Clubs abgeben müssen auf Tour. Das ist natürlich ätzend und was macht man als Band? Man gibt falsche Zahlen raus und bescheißt. Das ist ätzend, weil man immer über jeden Dollar oder Euro kämpfen muss, aber desto mehr man sich autonom aufstellt, desto besser. Wir können jetzt als Band alles alleine aufnehmen und müssen in kein Studio gehen. Das hat man sich über die Jahre alles alleine beigebracht und aus der Not eine Tugend gemacht. Die einzigen Schulden, die entstehen, sind die, wenn man externe Leute engagiert. Ich will auch nicht von DIY-Klischees labern, aber einiges kann man sich da schon abschauen. Das ist auch für größere Bands nützlich darüber nachzudenken, denn braucht man zum Beispiel wirklich ein Management. Wenn man ein Management hat, muss ja gleich auch wieder mehr Geld reinkommen und jedes Mal, wenn ich den Versuch mit einem Management unternommen hatte, hatte ich danach weniger Geld. Und unsere Verträge mit Managements waren auch nicht unfair, denn die Leute haben schon richtig versucht zu arbeiten und das war greifbar. Nur hat es nicht dazu geführt, dass mehr Kohle am Start war. Wie viel ist man bereit als Band abzugeben, um mehr Leute zu erreichen und heißt mehr Leute zu erreichen auch mehr Einnahmen zu erzielen?

Zum Abschluss des Interviews, kannst du zu den jetzigen Zeiten irgendwas musikalisch empfehlen? Zu der Situation in den USA oder der Corona-Pandemie? Ich fang einfach mal an mit der „Bloodlust“ von BODY COUNT zu der Situation in den USA und „Death Atlas“ von CATTLE DECAPITATION zu Corona. Hast du Empfehlungen oder was hörst du gerade, dass dich an diese Zeit erinnern wird?

Ich neige oft dazu Industrial Metal zu hören, GODFLESH hab ich jetzt in den letzten Wochen oft gehört. Ganz einfach, weil Industrial Metal immer dazu tendiert hat dystopische Szenarien zu skizzieren und heraufzubeschwören. Ich hab das Gefühl, dass die frühen GODFLESH-Alben aus den Neunzigern in den heutigen Zeitgeist vielleicht besser passen, weil sie jetzt weniger Fantasy als mehr Realität geworden sind. Was ich auch viel höre, ist die Band KHANATE. Die gibt es schon seit langer Zeit nicht mehr, mit Mitgliedern von SUNN O))) und das ist Drone mit so einer komplett abgedrehten Stimme. Die Musik klingt wie Foltermusik und trifft dementsprechend auch den Zeitgeist. Den Sänger Alan Dubin hatten wir auf unserem NIGHTMARER-Debüt „Cacaphony Of Terror“ auf dem letzten Song als Gast und dieser ganze Musikerkreis um SUNN O))) ist ja immer so undurchdringbar. Anfang 2017 hab ich den einfach mal auf Facebook angehauen und der Typ war zum Glück ganz cool und nicht unnahbar und hab ihm das Konzept des Songs und der Band nahe gebracht und er hatte da Lust etwas zu machen. KHANATE ist für mich eine Band, wenn alles katastrophal erscheint, dann kram ich die raus und eigentlich geht es mir nach dem Hören noch beschissener, es hat aber auch etwas kathartisches.

Was für die Leser mit Spotify noch interessant ist, ich mach monatlich eine Playlist, die „Total Dissonance Worship“ heißt. Auf diese Playlist packe ich immer dissonanten Death und Black Metal aus dem Underground rauf, jedenfalls was man davon auf Spotify findet. Einmal im Monat oder alle zwei oder drei Woche gibt es ein Update. Das sind dann so zwei Stunden dissonanter Underground-Extrem-Metal-Kram. Da findet man viel von dem Kram, den ich aktiv höre und ganz spannend finde. Das wäre vielleicht auch eine gute Empfehlung.

Dann danke ich dir für das Interview.

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Quelle: Interview mit Simon Hawemann am 01.06.2020
11.08.2020

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