Vulture
"...und dann stehen die da in Jogginghosen"

Interview

Das Artwork zur „Sentinels“ ist euch diesmal hervorragend gelungen und erinnert mich ein wenig an die „Battalions Of Fear“, die im Speed Metal wohl einer meiner Alltime-Favorites bleiben wird. Wie wichtig ist das für euch, die Musik auch optisch zu untermalen?

Wir haben von vornherein mit VULTURE versucht, so konzeptionell zu denken, wie nur möglich. Wahrscheinlich ist das bei einer Band wie uns das falsche Wort, doch sich so etwas wie eine Corporate Identity schaffen. Dazu gehören natürlich Sound, Song, Look und Artworks. Für den ersten Eindruck gibt es darüber hinaus ja nichts Wichtigeres als das Plattencover.
Wir hatten zuletzt immer diese Messerhände, die überall aufgetaucht sind und jetzt ist es eben das Schachbrett. In Kombination mit dem letzten Song und Titeltrack benutzt Andreas die Metapher mit dem Schachspiel gegen unseren Killer, der einen mit seinem letzten Move für immer Schachmatt setzt. Das war eine super Vorlage, dieses Bild auch als Cover-Artwork zu verwenden.

Steht der Titeltrack wegen dieses Momentes auch am Schluss?

Der steht vor allen Dingen am Schluss, weil er so schwer und so lang ist. Da wäre es für uns nicht so einfach gewesen, den irgendwo dazwischen zu packen. Wir haben unsere Lehren gezogen und machen solche Sachen nicht mehr – die schweren und langsamen kommen mittlerweile ans Ende.

Du hast angedeutet, dass ihr nicht die große Tour-Band seid, aber wenn man euch dann eben Live zu Gesicht bekommt, dann strahlt ihr wirklich große Spielfreude aus, wie ich finde. War das für euch als Personen schon immer ein Traum, irgendwann mal auf der Bühne zu stehen?

Ich glaube jeder, der irgendwann mal ein Musikinstrument in die Hand nimmt, um etwas zu erschaffen, hat diese Vorstellung. Das gehört dazu. Die ganz große Ambition, Rockstars zu werden, haben wir als Band nicht, aber wir haben Bock auf Erfolg und Wachstum, gehen das Ganze aber sehr realistisch an. Uns ist bewusst, dass wir einerseits durchaus Nischenmusik machen und es auf der anderen Seite auch viele Bands gibt, die sich Live mehr den Arsch aufreißen als wir.

Aber es geht halt nicht. Wir kommen inzwischen alle in unsere Mittdreißiger und haben für unsere Leben schon die Entscheidungen getroffen, welche eine solche Entwicklung verhindern. Wir sind nicht die Studenten, die sich noch sehr viel Zeit nehmen können, sondern müssen, neben der Arbeit eben schauen, wie das funktioniert. Das ist aber vielleicht auch das Geheimnis, warum wir immer noch in Originalbesetzung sind. Wir versuchen in diesem Bereich nichts zu erzwingen und nehmen Rücksicht aufeinander.Demnach gibt es innerhalb der Band auch keine Bad Feelings und wir sind immer noch dieselben VULTURE, die wir vor fast zehn Jahren waren. Wenn es eben der Preis dafür ist, nicht etliche Touren im Jahr spielen zu können, dann zahle ich den gerne.

Vielleicht wirkt auch genau deshalb auf der Bühne so frisch, weil es für euch eben kein Tagesgeschäft ist.

Natürlich. Manchmal wäre man sicher froh, wenn man an der einen oder anderen Stelle noch etwas mehr Routine hätte, aber andererseits ist jedes Konzert ein Erlebnis, auf das man sich freut. Das spürt man und muss sich auch gar nicht verstellen, um Spaß zu haben.

„Dann stehen die da in Jogginghosen“

In dem Bezug nochmal zum eben angesprochenen Thema Corporate Identity: Ihr habt ja auf der Bühne auch eure Lederkluften an und versprüht optisch den Achtziger-Vibe. Ist das so ähnlich wie der Black-Metaller, der Corpsepaint trägt?

Das ist doch ziemlich wichtig, oder? Also ich persönlich finde das ganz schlimm, wenn ich vor der Bühne stehe und mich auf eine geile Band freue, ein Bild von deren Musik im Kopf habe und dann kommen die da in Jogginghosen um die Ecke. Das betrifft gefühlt jede zweite US-amerikanische Thrash-Reunion.

Da freust du dich drauf und dann hast du den Eindruck, es könnte ihnen nicht egaler sein. Vielleicht komme ich auch mal in das Alter, wo es mir wirklich egal ist, wie ich auf der Bühne aussehe, aber für mich gehört das schon dazu. Das ist jetzt keine Verkleidung, aber wir machen Heavy Metal und dann sehen wir auch nach Heavy Metal aus.

Nun gibt es ja unter anderem über Youtube einige Videos von euch zu sehen, in denen ihr Platten nennt, die euch musikalisch beeinflusst haben und die ihr favorisiert. Das betrifft praktisch ausnahmslos Alben aus den Siebzigern oder Achtzigern. Gibt es denn auch etwas aus der Neuzeit, was ihr für essentiell haltet?

Ja, auf jeden Fall. Wenn man so gefragt wird, dann denkt man natürlich nicht zuerst an die vergleichsweise neuen Alben. Das liegt wohl auch daran, dass ich ein ganz schöner Spießer bin, in dessen Autoradio selten etwas läuft, was über die Klassiker hinausgeht. Das heißt aber nicht, dass es noch viele andere Bands gibt, die eine ähnliche Sparte wie wir genauso gut oder besser fahren.

Wenn man an Bands denkt, dann würde ich ANTICHRIST, RANGER oder BLACK MAGIC nennen – die sind aber nun auch schon wieder gut zehn Jahre alt. Heutzutage denke ich dabei an den tollen Erfolg, den THE NIGHT ETERNAL derzeit mit ihrem Stil einfahren. Ich freue mich auf die neue ATTIC-Scheibe. Was BÜTCHER aus Belgien machen, ist ziemlich cool. CENTURY höre ich immer wieder ziemlich gerne.

Das sind nun auch größtenteils Bands, die sich im Großen und Ganzen in dem Rahmen bewegen, indem man auch VULTURE einordnen würde.

Ich muss aber zugeben, dass ich langsam drohe, diesbezüglich auf einsamem Posten zu stehen. Ich weiß nicht, was das mit mir ist, aber ich bin einfach ein Spießer. Mein Spotify-Ranking jedes Jahr ist ehrlich gesagt ziemlich traurig. Auf Platz Eins ist da immer SLAYER oder SODOM und danach wird es eng. Ich verbinde da unheimlich viel mit. Das ist meine Musik und dieser werde ich auch nicht müde – ich kann es gar nicht genau erklären.

Nun war ich im letzten Jahr unter anderem auch auf dem Nights Of The Possessed in Hirschaid, das am selben Standort wie das Braincrusher In Hell stattgefunden hat und war total überrascht, wie brechend voll es dort doch war. Hast Du den Eindruck, dass dieser klassische, etwas evil angehauchte Speed-/Thrash Metal dieser Tage eine Renaissance erfährt?

Schon, oder? Wir fanden das Treffen dort auch richtig gut. Auch wenn jetzt keiner von uns wirklich best Buddy mit Sigi war, so haben wir die besondere Atmosphäre schon wahrgenommen und auch mitgefühlt. Ansonsten war das fast schon eine Art Klassentreffen unserer Bagage – das war schon was ganz Besonderes.

Aber du hast natürlich Recht. Wenn man sich bei uns im Pott umschaut, dann entsteht da eine ganze Generation junger Musiker, die offenbar Bock auf Musik hat, die etwas gefährlicher klingt als der übliche Heavy Metal. Ich hatte zwischenzeitlich durchaus schonmal Bedenken bezüglich der Zukunftsfähigkeit des Ganzen, umso toller finde ich die Situation jetzt.

Galerie mit 6 Bildern: Vulture - Headbangers Open Air 2023

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Quelle: Zoom-Interview mit Stefan Castevet
03.04.2024

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