Euroblast 2016
Prog-Meeting in Köln
Konzertbericht
Freitag, 30. September
Zum mittlerweile zwölften Mal machen sich Progressive-Liebhaber aus Deutschland und der ganzen Welt in die Essigfabrik auf nach Köln, um drei Tage lang ausgiebig ihre Helden zu feiern. Am Donnerstagnachmittag öffnet das Euroblast nun seine Pforten – und tausende Musikliebhaber folgen dem Ruf.
Den Auftakt in einer noch recht spärlich besuchten Halle geben allerdings nicht die ursprünglich eingeplanten Polen MATERIA – deren Van hatte irgendwo auf dem Weg in die Rheinmetropole den Dienst verweigert. So kommen die Ungarn OMEGA DIATRIBE, die eigentlich das Programm auf der kleineren Side Stage eröffnen sollten, zur unverhofften Ehre, als erster Act des Festivals die Hauptbühne zu bespielen. Und das tut der Fünfer standesgemäß. Mit Siebensaiter-Klampfen und einem guten Sound ausgestattet, wuchtet die Band ihre kantig-brachialen Kompositionen von der Bühne, und lockt stetig mehr Besucher in die Halle. Blickfang der Truppe ist dabei Frontmann Gergely Komáromi – dessen Hautschmuck ihn im Scheinwerferlicht gelegentlich wie ein Wesen aus einer anderen Galaxie wirken lässt. Musikalisch reißen die Ungarn derweil keine großen Bäume aus – bilden aber insgesamt einen überzeugenden und stimmigen Auftakt.
Frisch und bewegungsintensiv
Im Anschluss erkundet das Team das Gelände samt Merch- und Fressbuden. Dabei wird zufrieden festgestellt: Alles wieder an seinem angestammten Platz. Kurz einen Snack inhalieren, dann aber schnell wieder zurück. Denn auf der Hauptbühne macht sich bereits das Schweizer Haudrauf-Quintett PROMETHEE bereit. Ebenfalls mit viel Druck unterwegs, aber auch mit dem Gespür für Details lärmen die Eidgenossen daher. Die Reihen vor der Bühne sind nun schon etwas dichter und auch die Hosenbeine flattern ordentlich – Djenter-Herz, was willst du mehr?
ALIASES zum Beispiel. Die geben sich nämlich anschließend die Ehre auf der Main Stage und bieten eine frische und bewegungsintensive Show: Insbesondere Klampferin Leah scheint auf der Bühne überall zugleich aktiv zu sein, springt hin und her, grinst und grimassiert, und sorgt so für ein Gewusel auf den Brettern, das bestens zu den verspielten Kompositionen der Band aus Manchester passt. Der Sound ist diesmal nicht ganz so massig, und auch wenn die Truppe sich mit ihrem engagierten Auftritt einige neue Freunde gemacht haben dürfte, zieht es manch einen auch weiter.
Die Kraft des Downtunings
Spätestens zu MODERN DAY BABYLON ist es in der Essigfabrik dann aber wieder warm und eng wie in der Popcorn-Tüte. Und die Tschechen machen es dem Publikum angenehm leicht. Statt auf sperrigen Gesang setzt das Trio einzig und alleine auf die Kraft des Downtunings und zelebriert dabei die rhythmische Drahtseil-Artistik in Reinform. Atempausen gibt es in Form sphärischer Macbook-Interludien, ansonsten regiert der instrumentale Djent – mit der Durchschlagskraft eines einzelnen Gitarristen, von der sich hier manch einer etwas abschauen darf.
Zwar nicht ganz so vertrackt, aber nicht minder anstrengend gehen hingegen SHINING (NOR) zu Werke. Die Norweger um Multiinstrumentalist Jørgen Munkeby haben schon vor vielen Jahren Patent auf die Vokabel „Blackjazz“ angemeldet – und sich seitdem zu einer ziemlichen Live-Instanz entwickelt. Von dieser überzeugen sich dann auch zahlreiche EUROBLAST-Gäste, die dem neueren, eingängigeren Material zunächst noch zurückhaltend entgegentreten. Munkebys Performing-Künste inklusive energischer Saxofon-Einlagen überzeugen allerdings rasch auch den letzten Kritiker und unterstreichen, dass auch das Prog-Metal-Genre immer noch reichlich Rock’n’Roll atmet. The Madness And The Damage Done.
DEAD LETTER CIRCUS mit leichten Schwierigkeiten
Im prall gefüllten Keller bieten derweil die Spanier OBSIDIAN KINGDOM ihre Interpretation experimentell-verqueren Metals. Die Motivation, welche die Band auf der kleinen Bühne augenscheinlich an den Tag legt, springt schnell aufs Publikum über – ein starker Gig. Ein solcher war im Vorfeld auch von den Australiern DEAD LETTER CIRCUS zu erwarten, die bereits vor zwei Jahren in der Essigfabrik aufspielten und seinerzeit für viel Begeisterung sorgten. Auch diesmal bietet die Band einen stimmigen Querschnitt ihres Schaffens – allerdings werden Großteile des Gigs durch den doch sehr mäßigen Sound ruiniert. Folglich ist die Energie der Band erst gegen Ende der Show zu spüren. Die vorige halbe Stunde ist zwar für Fans sicherlich irgendwie zu genießen, hinterlässt am Ende aber doch einen mehr als durchwachsenen Eindruck. Schade.
Diesen korrigieren im Anschluss dann allerdings INTRONAUT – und wie! Ohne große Worte, dafür mit umso größeren Songs vereinnahmt der Vierer die Hauptbühne vom Start weg und zockt sich souverän durch seine sperrig-vertrackten Prog-Walzen. Vor der Bühne ist nun auch nur noch sehr wenig Platz, viele Besucher verfolgten das Set der US-Amerikaner begeistert über die volle Distanz. Ganz, ganz stark!
ANIMALS AS LEADERS – die gehobene Frickelkost
Viele bleiben direkt danach an Ort und Stelle, denn das nächste Spektakel bahnt sich bereits an: Zu ANIMALS AS LEADERS ist sicherlich nicht mehr viel zu sagen – das Trio um Gitarrenhexer Tosin Abasi ist eine der führenden Truppen, wenn es um die gehobene Frickelkost geht. Entsprechend voll ist die Halle – und die US-Amerikaner enttäuschen ihre Fans nicht: Mit großer Spielfreude, einem guten Sound und punktgenau dargebotenen Songs kreierte der Dreier schnell das, was gemeinhin wohl als „Prog-Messe“ zu bezeichnen ist: drei überragende Musiker auf der Bühne, unbändiger Spielwitz, eine beseelte Menge und Musik, die für Körper und Geist gleichermaßen fordernd ist.
Mit Ruhm bekleckert sich derweil wieder einmal die GEMA, deren YouTube-Politik offenbar auch bei Mr. Abasi angekommen ist: „Hey guys, today we released a brand new song! But we’re in Germany, so you can’t fucking listen to it, hahahaha.“ Und auch wenn „The Brain Dance“ aus dem im November erscheinenden Album „The Madness Of Many“ heute noch nicht live gespielt wird, lässt der Blick in die zufriedenen Gesichter nach der Show nur einen Schluss zu: Ein besseres Ende dieses ersten Tages könnten sich die meisten wohl nicht vorstellen.
Text: Anton Kostudis & Alex Klug
Fotos: Anton Kostudis | AKOS Livemomente
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