Heilung, The Hu und Alcest
Von Transzendenz und kollektiver Grenzüberschreitung

Konzertbericht

Billing: Heilung, The Hu und Alcest
Konzert vom 08.06.2025 | Maimarktgelände, Mannheim

Es ist der 8. Juni, ein warmer Nachmittag im großen Palastzelt des Rhein-Neckar Zeltfestivals in Mannheim. Vorausgesetzt, man reist frühzeitig an, denn bis zu 60 Minuten Wartezeit für den Maimarkt-Parkplatz sind keine Seltenheit. In den nächsten Stunden geht es um drei Bands, drei Welten – und mindestens eine davon verändert das Erlebte nachhaltig.

Vor dem Gelände bilden sich zwei Schlangen, die sich nur langsam bewegen. Die heutige Security hat offensichtlich keine Erfahrung mit alternativem Publikum. Der Start ist holprig und eine Garderobe sucht man vergebens. Draußen ist der Boden noch nass vom Regen, drinnen herrscht tropisches, feucht-warmes Klima. Die Sonne brennt inzwischen aufs Zeltdach und ein Blick auf die weinlastige Getränkekarte lässt erahnen, dass hier üblicherweise keine Metal-Konzerte stattfinden.

Wer einen der limitierten Tribünenplätze ergattern möchte, kann vor Ort fünf Euro Aufpreis bezahlen und muss sich beeilen. Doch kaum rückt das Ende der Warteschlange vor, sind die Plätze vergeben. Inzwischen hört man schon ALCEST spielen und beim Weg zum Zelteingang mischt sich der Geruch von nasser Kleidung mit stickiger Luft. Regen, Schweiß und Vorfreude dringen durch die Menschen und die Reise beginnt.

ALCEST – sphärischer Post-Black-Metal als Einstimmung

Den Auftakt des Abends übernehmen ALCEST. Auf der Bühne: Nebel, Zurückhaltung, atmosphärischer Sound und ein überraschend gesprächiger Neige. Im Publikum: Stille. Fast ehrfürchtig beobachten die Menschen das Geschehen. Es herrscht kaum Bewegung, so als wolle niemand die Stimmung stören und man hat Zeit, um im Moment anzukommen.

THE HU reiten gen Sonnenuntergang

Mit The HU ändert sich die Dynamik spürbar. Ihr Sound ist eigen, mit hohem Wiedererkennungswert und lädt dabei stellenweise schon zum Mitsingen ein. Die Texte sind größtenteils mongolisch und zeichnen sich durch die Kunst des Khöömii aus, einen berühmten Kehlkopfgesang, der ebenso faszinierend wie transzendent ist. Wuchtige Rhythmen dominieren und der Einsatz der erhabenen „Morin Khuur“, der traditionellen Pferdekopfgeige, sticht hervor. THE HU locken das Publikum aus der Reserve. Bei „Yuve Yuve Yu“ beginnt die Menge, sich zu bewegen, und als „This Is Mongol“ erklingt, ist das Zelt nicht mehr wiederzuerkennen. Die Energie fließt jetzt spürbar.

Galerie mit 30 Bildern: The Hu - Anda Fardha Tour 2025 in Saarbrücken

Dann folgt der Höhepunkt des Abends: HEILUNG

Zum Glück kann metal.de-Kollegin Angela, die tiefer in der Materie steckt, ein wenig Einblick in das Geschehen geben: Alles beginnt mit einer Eröffnungszeremonie. Die Protagonist:innen stehen im Kreis auf der Bühne, die Handys im Publikum gehen hoch und fast jedes Gesicht wird vom bläulichen Schein eines Displays beleuchtet.

Es folgen 90 Minuten Schauspiel, Ritual und Gänsehaut. Erst hallen Trommeln durch das Zelt, dann langsame Chants und Kriegsschreie. Rituelle Abläufe wiederholen sich, werden schneller und intensiver. Das Bühnenbild ist archaisch, mystisch und voller Details. Mal stehen zwei Menschen im Fokus, mal füllen mindestens 15 Personen die Bühne (z. B. bei „Urbani“). Rauch steigt auf, anfangs kaum wahrnehmbar, später deutlich stärker. Der Geruch und die Musik durchziehen nach und nach das ganze Zelt. Sie erden und durchdringen. Die Setlist enthält Stücke wie „Anoana“ und „Seidh“ – wobei Letzteres bei „Hellblade II“-Fans für einen besonderen Gänsehautmoment sorgt. Der Gesang von Maria Franz scheint von einer anderen Welt, fast überirdisch, zu sein.

Manche verlassen die Halle – vielleicht ist es zu viel für den Kreislauf. Oder den Kopf? Denn HEILUNG machen etwas mit einem. Wer bleibt, wird Teil eines Rituals. Die Show ist kein gewöhnliches Konzert und der kürzlich abgegebene Leser:innen-Kommentar „WARDRUNA auf Pilzen“ könnte überspitzter, aber treffender nicht formuliert sein.

Diese Musik packt von innen und der letzte Tanz, das 15-minütige „Hamrer Hippyer“, statuiert ein Exempel. Er baut sich langsam auf, Worte wiederholen sich, Klangwellen steigern sich, stampfen sich fest. Immer mehr Menschen sprechen, singen, kreischen. Alles arbeitet auf den Höhepunkt hin. Die Darstellenden auf der Bühne wirken wie in Trance, ihre Bewegungen sind kraftvoll und kontrolliert. Bei HEILUNG fühlt sich nichts zufällig an. Danach gibt einen Moment, den man fast schon fast mit den Händen greifen kann – einen Shift. Und dann tanzen alle, wirklich alle. Als hätten sie eine kollektive Grenze überschritten und als gäbe es nur noch ein Ganzes. Als hätten wir sen Punkt erreicht, an dem wir Musik nicht mehr nur hören, sondern durchleben.

Mit der darauffolgenden Abschlusszeremonie kehrt wieder Ruhe ein – mit dem Gefühl, als ob man nach einem mitreißenden Film aus dem Kinosaal wieder auf die triste Straße tritt. Der Kreis schließt sich. Wieder Handys, wieder Jubel und Staunen und dazwischen liegt ein Hauch von Fremdscham bei den „Zugabe!“-Rufen, die hier gänzlich fehl am Platz wirken. Doch etwas ist anders. Als hätte das Zelt einen anderen Atem bekommen. Als hätten HEILUNG nicht nur Musik gespielt, sondern Raum geschaffen – für etwas Tieferes.

Galerie mit 32 Bildern: Heilung - Anda Fardha Tour 2025 in Saarbrücken

Text: Tamara Deibler, Mannheim

Fotos: Andreas Schieler, Saarbrücken

02.07.2025

The world is indeed comic, but the joke is on mankind.

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 38101 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

Heilung, The Hu und Alcest auf Tour

12.08. - 15.08.26metal.de präsentiertSummer Breeze Open Air 2026 (Festival)In Flames, Arch Enemy, Helloween, Lamb Of God, Airbourne, Alestorm, Versengold, The Ghost Inside, Testament, Amorphis, Imminence, Paleface Swiss, Alcest, The Butcher Sisters, Orbit Culture, Deicide, Brothers Of Metal, Northlane, dArtagnan, Terror, Deafheaven, Betontod, Future Palace, Soen, Der Weg Einer Freiheit, Miracle Of Sound, Mushroomhead, Municipal Waste, Trollfest, Saor, Nanowar Of Steel, From Fall to Spring, Unprocessed, Misery Index, Cryptopsy, Brainstorm, Parasite Inc., ten56., Groza, 200 Stab Wounds, Manntra, Blood Command, Cabal, Haggefugg, Excrementory Grindfuckers, Illdisposed und Our PromiseSummer Breeze Open Air, Dinkelsbühl, Dinkelsbühl

Kommentare