Hanzel und Gretyl - Über Alles

Review

Man sieht sich bekanntlich immer zweimal im Leben. Das amerikanische Duo HANZEL UND GRETYL war Mitte/Ende der Neunziger eine Band im Electro/Industrial-Sektor, und hatte durchaus das Potential zu höheren Weihen. Ihre beiden Alben „Ausgeflippt“ (1995) und „Transmissions From Uranus“ (1997) erschienen zunächst auf dem kleinen, aber mäßig betriebenen Label Energy Records. Sie wurden vor allem von ihrer elektronischen Seite beherrscht und zeigten sich ziemlich vielseitig, was den Umgang mit Effekten, Samples und Elementen aus anderen, benachbarten Stilen betrifft. Offenherzig waren sie, zweifelsohne mit Talent für coole Songs gesegnet und einem heiteren Hang zur deutschen Sprache.

Dann aber ließen Energy Records ihre Geschäftstätigkeiten im Sande verlaufen, erklärten sich aber (bis heute) nicht offiziell für aufgelöst. Damit waren Loopy und die griechisch-stämmige Vas Kallas erst einmal zum Nichtstun verdammt. Gefangen in den Vertragsklauen war es ihnen jahrelang nicht möglich, woanders Musik zu veröffentlichen. Dieser ganze Ärger, die Wut über diese Zeit staute sich an, und entlud sich dann 2003 exorbitant in „Über Alles“. Neues Label, neuer Look, brachialer und kontroverser als je zuvor präsentierte sich das Duo. Im martialischen Outfit kokettieren sie mit der Ästhetik des Dritten Reiches, und was an der Oberfläche noch vielleicht wie einfache Provokation aussieht, entpuppt sich als wirkungsvolle und ironisch gewürzte Karikatur von Totalitarismus und das bis tief ins Klischee überzeichnete Bild des stereotypen Deutschen im Ausland. Ze Krauts, mein Herr!

Musikalisch gibt’s auf einem der besten Industrial-Metal-Alben von 2003 richtig was auf die Mütze! „Über Alles“, die „misplaced Wagnerian space-metal opera lost in time“ startet bombastisch mit Sirenen, Fanfaren und einer frenetisch jubelnden Masse, danach bricht das Inferno über uns hernieder. Seien es Thrash-infizierte Brecher mit stampfenden Riffs, groovy beats und evil-disco-Feeling, Samples und Synthesizer, Bomben und Granaten – auf dem schweinegeilen Album reiht sich ein Hit an den anderen. Hier glüht das Tanzparkett, da steppt der Berliner Bär im Sportpalast, da wird alles niedergebrannt und plattgewalzt. Und dank der „deutschen“ Texte bleibt bei dieser Party kein Auge trocken.

Ich dachte ja immer, KMFDM wären der einzige große Außenposten Deutschlands in Amerika. Käpt’n Sascha Konietzko ist ja seit Jahrzehnten für seine bissige Ironie und seinen Humor bekannt. Mit HANZEL UND GRETYL schlug eine amerikanische Band die Brücken der D.A.F. und trifft damit voll ins Schwarze, ins Zentrum von Weißwürschtln, Sauerkraut, Bier und Lederhosen. Wenn das der Kaiser noch erlebt hätte!

HANZEL UND GRETYL sind schon im Vorprogramm für MARILYN MANSON gewesen, waren in den Alternative Charts vertreten, ihre Musik spielte man bei den MTV Music Awards 1997 – und sie waren es, die als Support RAMMSTEIN bei ihrer ersten USA-Tournee den Weg ebneten. Mit „Über Alles“ meldeten sie sich grandios und fulminant, und viel grösser als bisher zurück – mit einem Album, das einfach „fukken uber“ ist!

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22.02.2008

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