Sleep Token - Take Me Back To Eden

Review

Soundcheck Mai 2023# 11 Galerie mit 30 Bildern: Sleep Token - German Headline Rituals 2023 in München

Kaum eine aufstrebende Band wird online derzeit mehr gehyped als die nebulösen SLEEP TOKEN. Klar, der eine mag schon direkt die Augen verdrehen, noch so eine Band mit unnötigem Mummenschanz die unnötig über den grünen Klee gelobt wird!? Wer so schon über GHOST gedacht hat, wird an den anonymen Briten kaum Gefallen finden, obwohl deren Stil in eine völlig andere Richtung geht. Moderner Metal, Prog-Rock, Radio-Pop. Das kann nicht zusammen passen, schon gar nicht mit der selbstgewählten Düster-Optik? SLEEP TOKEN beweisen das Gegenteil. Sechs Songs wurden zum neuen Album „Take Me Back To Eden“ schon vorab veröffentlicht und gewannen bereits prominente Fans, allen voran Will Ramos von den Deathcore-Shooting-Stars LORNA SHORE. Steckt hinter all dem Hype wirklich so geniale Mucke?

SLEEP TOKEN – Vereinen Gegensätze

Hat eine Band die Eier, ein Album direkt mit einem Über-Knaller wie „Chokehold“ zu beginnen, kann die Antwort auf diese Frage eigentlich nur ein laut gebrülltes „JA!“ sein. Auch wenn die Identität des Fronters, der sich selbst „Vessel“ nennt, offiziell nicht geklärt ist, dürfte direkt auffallen, dass der Mann einen Pop-Hintergrund besitzt, klingen doch Phrasierung und Stimmfarbe ganz anders, als man es sonst aus dem Metal gewohnt ist. Insbesondere wenn der Maskenmann tief intoniert könnte man glauben, hier wurde nachträglich ein ganzer Effekt-Teppich auf die Vocals gelegt, aber Liveaufnahmen beweisen: Die Stimme klingt tatsächlich so.

Auch wenn „Chokehold“ ein absoluter Hit ist, versteht man vermutlich nach diesem einen Song noch nicht, was nun so besonders am Stil von SLEEP TOKEN sein soll, handelt es sich doch immer noch um zwar modernen, aber recht gewöhnlichen Prog-Rock. Das beste Beispiel dafür ist vermutlich „The Summoning“. Düster-vertrackter Metal, der ein wenig an TOOL erinnert, hoher Pop-Gesang, wütende Screams, Drum-Maschinengewehr-Salven, eigenwillige Prog-Gitarren-Licks, Piano-Untermalung und ein plötzlicher Bruch in Richtung groovender Funk. Ja, all diese Gegensätze finden sich in diesem einen Song, und das ist noch nicht einmal alles, was es in „The Summoning“ zu entdecken gibt. Dennoch passt all das irgendwie zusammen.

Liest man in Kommentarspalten der Musikvideos zum Album, möchten einige Fans daraus schon einen neuen Stil machen, den sie „Blue Metal“ taufen, nennen dafür auch andere Bands wie VOLA oder die aus IWRESTLEDABEARONCE entstandenen SPIRITBOX. Scheint es doch etwas übertrieben, hier gleich eine neue musikalische Revolution zu wittern, kann man den genannten Bands wie auch SLEEP TOKEN zumindest attestieren, dass sie alle wenig Scheuklappen besitzen, was die Verbindung scheinbar nicht zusammen passender Stile angeht – insbesondere in Richtung des bislang im Metal ziemlich verpönten Pop.

Erstmals deutlich wird das auf „Take Me Back To Eden“ im Doppel „Granite“ und „Aqua Regia“, wobei ersterer trotzdem noch im progressiven Rock bzw. Metal verwurzelt scheint. Das ist aber in den beiden lupenreinen Radio-Pop-Songs „Are You Really Okay?“ und „DYWTYLM“ endgültig vorbei. Wird das Fans der härteren Vorab-Singles möglicherweise vor den Kopf stoßen? SLEEP TOKEN interessiert’s nicht, sie machen worauf sie Bock haben. Generell ist der Pop-Anteil in der zweiten Albumhälfte höher, die härtesten Songs wurden entsprechend bereits vorab veröffentlicht.

Dennoch heißt das nicht, dass es dort nicht auch für aufgeschlossene Freunde härterer Klänge einiges zu entdecken gibt. Das melancholische „The Apparition“ klingt ein wenig nach KATATONIA oder auch nach den aktuelleren, poppigeren Werken von STEVEN WILSON, das emotionale „Rain“ dürfte ebenfalls bei Fans der melancholischen Schweden punkten können, bevor mit dem über acht Minuten langen epischen Titeltrack nochmal alle Stärken ausgespielt werden können – inklusive abschließendem Wutausbruch.

Setzt Maßstäbe – „Take Me Back To Eden“

Auch am dritten Album von SLEEP TOKEN werden sich die Geister scheiden. „Take Me Back To Eden“ fordert seinen Hörern einiges ab, vor allem in Sachen musikalischer Offenheit. Es wird vermutlich auch nur wenige Personen geben die, wenn sie ehrlich sind, jeden Song der Platte gleichermaßen abfeiern. Dennoch: Wer es schafft, sich auf die Scheibe einzulassen, dem eröffnet sich eine fantastische Welt, die einen nicht mehr los lässt.

Songs wie „Chokehold“ oder „The Summoning“, aber auch melancholische Großtaten wie „The Apparition“ oder „The Rain“ fräsen sich unaufhaltsam im Kopf fest und selbst wenn die beiden reinen Pop-Songs vielen zu zuckrig sein mögen, muss man selbst hier zugeben, dass sie verdammt starke Nummern sind, die auch auf einem Album von IMAGINE DRAGONS hervorragend funktionieren würden. SLEEP TOKEN toppen den Vorgänger „This Place Will Become Your Tomb“ mit „Take Me Back To Eden“ deutlich und erschaffen ein Werk, an dem sich sowohl sie selbst als auch andere Kapellen künftig messen lassen müssen.

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14.05.2023

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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1 Kommentar zu Sleep Token - Take Me Back To Eden

  1. Schraluk sagt:

    Wow. Die ganze Nacht gehört. Sleep Token setzen noch mal mächtig oben einen drauf und toppen ‚This Place….‘ um Längen. Krass, was die für eine Entwicklung machen. ‚Take Me Back To Eden‘ klingt leichtfüssiger als die Vorgänger, zusammenhängender. Und das, obwohl sie nichts gross an ihrem Sound geändert haben. Sie haben ihn perfektioniert. Es wird immer noch zwischen Post-Metal, Progressive und Pop gewandert, aber das Songwriting hat ne mächtige Schippe zugelegt. Was ich an artverwandten Bands wie Thornhill oder auch Karnivool oft nicht mag, ist deren neuerliches Abgleiten in pathetisch und schmierige Songstrukturen, Pop wird durch jedwede Dur-Akkord Phrasen- Kiste gescheucht. Sleep Token machen auch Pop, in 1-2 Stücken sogar ganz in echt, aber mit solch einer fragilen Leidenschaft, dass man daniederliegt. Und ihnen jede Note abnimmt. Was u.a. aber auch dem unfassbar guten Gesang geschuldet ist. Die ersten drei Stücke ‚Chokehold‘, ‚The Summoning‘ und vor allem ‚Granite‘, welches sich an ‚Atlantic‘ vom Vorgängeralbum anlehnt und Ähnlichkeiten mit Port Noir aufweist, gehören zu den besten Stücken, die die Band bisher gemacht hat. ‚Vore‘ verbinder perfekt den Stil des Debüts mit ‚The Place…‘. Und so weiter. Tolle Platte.

    9/10