Die Apokalyptischen Reiter
Die Apokalyptischen Reiter
Interview
DIE APOKALYPTISCHEN REITER, ein Garant für einen abwechslungsreichen Genre-Cocktail, haben vor kurzem zu einer Listening Session im Herzen Thüringens geladen und so nutzte ich die Chance einen nachdenklichen, aber auch witzigen Sänger Fuchs zu interviewen. Da die neue Platte bereits in wenigen Wochen erscheint, gab es auch viel zu bereden und so erzählte mir die Stimme der Band in dem sympathischen Thüringer/Weimarer Dialekt von Gott und der Welt.
Fangen wir das Interview am Besten mit einem „Sprung ins kalte Wasser“ an! Spontan – dein erster Gedanke zur eurer neuen Platte?!
Hahaha. Wahnsinn! …Wir sind sehr zufrieden, wenn nicht gar glücklich. „Riders On The Storm“ – das sind zehn Jahre REITER. Zehn Jahre und kein bisschen weiter, hahaha. Die REITER sind eine schöne Räuberbande. Bis jetzt hatten wir viel Spaß im Leben und wer weiß schon, was noch kommt!?
Hat sich in den zehn Jahren irgendwas Entscheidendes an eurer gemeinsamen Arbeit verändert?
Nein, eigentlich nicht. Wir sind eine sehr probeintensive Band und haben viel Interaktion untereinander. Wir sind keine Band, die sich hinsetzt und sagt: „So, wir machen jetzt ein neues Album!“, die sich für drei Monate nach Schweden verzieht in irgendeine Berghütte – bei uns passiert es im Laufe der Zeit. Im Prinzip arbeitet man immer an neuen Material. Und wenn man genug Songs hat, macht man eine Platte. So läuft es bei uns ab und auf der neuen Platte ist alles enthalten, was uns in den letzten zwei Jahren über den Weg gelaufen ist. Das Leben schreibt im Grunde die Lieder und so kommt es, dass die behandelten Themen wieder sehr unterschiedlich sind. Wobei die neue Platte sicherlich mehr Bodenhaftung hat und realitätsbezogener ist – vielleicht auch ein wenig politisch. Das ist der Wandel, der sich bei uns vollzogen hat.
Und wenn man sich so die Texte durchliest, sieht man eine Art Fernweh darin – allein das asiatisch wirkende Frontcover-Motiv, dass du gemalt hast …
Sieht super aus, nicht wahr? .. Ich habe es geschnitzt!
… geschnitzt hast du es? Respekt! War es eigentlich schwer eurer eigenen Marschrichtung zu folgen? Ihr bietet ja dem Hörer ein Genre-Allerlei.
Das war keine Herausforderung. Das sind Sachen die passieren. Und wenn ich eine Thema, wie Liebe, behandle, werde ich es nicht mit Blastbeats unterlegen – wenn ich über die Apokalypse singe, ist das natürlich eine ganz andere Sache! Genau so, wie ich als Sänger versuche die passende Stimmung zu einem Text zu finden, ist es musikalisch auch nicht anders. Wenn ich zum Beispiel in Portugal mit einer Flasche Wein einen Sonnenuntergang beobachte, wird mir sicherlich kein Black Metal dazu einfallen. Zumal die REITER ja sowieso für Unverkrampftheit im Umgang mit Musik stehen. Wir haben keine Scheuklappen und lassen unserer Kreativität stets freien Lauf – das birgt zwar immer ein kommerzielles Risiko, aber so sind wir und so machen wir es. Was es bei uns auf keinen Fall gibt, ist, dass jemand von uns in den Proberaum kommt und sagt: „Ich habe hier einen Riff“ und die anderen sagen: „Das passt aber nicht zu den REITERn!“.
Inwieweit dient eigentlich Weimar für euch als Inspiration? Immerhin ist sie die Stadt der Dichter und Denker. Betrachtet ich euch auch als „Dichter und Denker“?
Kann ich dir so nicht beantworten, weil ich schon eine Weile in dieser Stadt wohne. Doch was ich zu Weimer sagen kann, ist, dass Weimar eine offene und sehr tolerante Stadt ist – sicherlich auch dadurch, dass hier viele Dichter und Philosophen gelebt haben. Es gibt viele Künstler aller Art hier, das prägt eine Stadt natürlich und ermöglicht ein sehr gutes Arbeiten. Eine Band, wie DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind in Weimar sehr bekannt und anerkannt – und das auch in anderen Kreisen, die mit der eigentlichen Metalszene jetzt nichts zu tun haben. Ich wage mal zu behaupten, dass selbst der Bürgermeister uns mittlerweile kennt. Gemessen an der Einwohnerzahl ist in Weimar unendlich viel am Start und das schlägt sich bei uns nieder.
Muss man dieser kulturellen Riesenhaftigkeit dieser Stadt gerecht werden?
Nein, auf keinen Fall.
Oder vielleicht anders: Muss hier die Musik künstlerisch wertvoll sein? Ist eure Musik künstlerisch wertvoll?
Ja, ich denke schon. Und es hat einmal jemand gesagt: „Ein Künstler, der nicht versucht die Welt zu verändern, ist kein Künstler!“ und deswegen bin ich der Meinung, dass unsere Musik ein wenig wertvoll ist.
Das denke ich auch! Aber im Grunde ist es egal, was ein Dutzend Musikredakteure über eure Musik sagen, wichtig ist nur das, was eure Familien und Freunde dazu sagen, oder?
Da war eine witzige Sache mit meinen Eltern … also, ich habe die Platte Freunden von mir vorgespielt, alles normalen Leuten mit Kindern und Arbeit und so weiter, da setzte man sich hin, hörte drei Songs und redete über was Anderes. Meine Eltern haben sich vor die Stereoanlage gesetzt, haben eine dreiviertel Stunde geschwiegen und es sich konzentriert angehört. Und sie finden es tatsächlich gut!!
Und ist dir so etwas mehr wert als die Meinung der Fachpresse?
Was heißt mehr wert? In erster Linie muss man selber damit zufrieden sein, man muss dazu stehen und sagen können: „Jungs, wir haben eine geile Platte gemacht!“. Außerdem sind die Redakteure eh Nebensache! In erster Linie zählt der Fan – er ist es, der die Platte kauft.
Ja, aber glaubst du nicht, dass wir Redakteure auch gleichzeitig Fans sind?
Ich weiß doch wie es ist! So ein Redakteur kriegt pro Monat so dreißig Platten und soll zu jeder eine Rezension schreiben. Da ist es unmöglich, eine objektive Meinung zu einer Platte abzugeben!
Überhaupt ist es schwer eine „objektive“ Meinung zu Platten abzugeben! Es kommt auf die innere Gestimmtheit an, auf die Umstände, in denen man eine Platte hört, auf die Gefühlslage, auf die eigenen Erfahrungen, an denen sich eine Platte messen muss und natürlich auf das Erwartungsbild, dass man von einer Platte im Vorhinein hat. Da ist es schwer auch nur über eine einzige Platte „objektiv“ zu urteilen!
Ja, aber dann hast du wenigstens die Zeit, die Platte fünf bis acht mal anzuhören!
Na gut, hast auch wieder recht! Fühlt man sich nach zehn gemeinsamen Jahren eigentlich „reifer“? Ich könnte mir vorstellen, dass eine Band, wie die REITER jung hält!
Das glaube ich auf jeden Fall! Aber es bleibt nicht aus, dass man sich älter fühlt, wenn man mit 22 eine Band gründet und mit 32 immer noch bei ist. Die Platten sind ja auch eine Art Tagebuch. Wir haben in einem Keller angefangen rumzulärmen, hatten keine Texte und wenig bis gar kein Equipment und trotzdem hat es Spaß gemacht. Es war eine unbefangene, freie Zeit. Da war man seiner Verantwortung auch nicht so bewusst. Jetzt hat man ja eine Art Verantwortung und ich möchte den Leuten da draußen nichts von Satan und irgendwelche Grütze erzählen. Ich möchte Texte machen, aus denen sich die Leute was rausziehen können, von denen sie was mitnehmen.
Wenn wir schon bei Texten sind, zitiere ich mal eine Textstelle aus einem der neuen Songs: „Kämpfe für eine Welt, die das Leben verdient…“ – das klingt für mich so, als ob die Welt dermaßen schlecht ist, dass…
Nein, die Welt ist nicht schlecht. Aber es gibt immer die Möglichkeit alles etwas besser zu machen. Was ich mit dieser Textzeile bei dem Song „Friede Sei Mit Dir“ sagen möchte, ist, dass die Welt nicht aus „Friede, Freude, Eierkuchen“ besteht, und dass heutzutage in unserer sehr materiellen, individualisierten Welt viele Leute oft allein sind. Stichwort: „Soziale Armut“. Ich sage, dass die Leute sich solidarisieren sollen und verdammt noch mal ihre Ärsche bewegen, wenn ihnen irgendwas nicht passt! Ich hasse diese, ich sage mal, Kneipenmentalität „Die da öben…“ und „Mich hat ja keener gefracht!“ (sagt es im Thüringer Dialekt). Das ist eine Sache mit der ich nicht mehr klar komme. Jeder ist seinen Glückes Schmied und da sind wir wieder bei den Philosophen. Irgendeiner hat mal gesagt: „Es ist nicht wichtig, wie weit das Feuer der Wahrheit leuchtet, wichtig ist nur, dass es leuchtet!“. Vieles muss man halt mit sich selbst ausmachen – man sollte immer bei sich anfangen und man sollte sich fragen, ob man dem Nachbarn gegenüber freundlich sein will, obwohl er dir einen Apfel geklaut hat – geht man rüber und redet mit ihm oder schlägt man ihm die Fresse ein. Es fängt immer bei solch kleinen Sachen an.
Deswegen der Song „Revolution“? Wäre da „Evolution“ nicht angebrachter? Weil „Revolution“ hört sich nach Umsturz und Gewalt an.
Aus diesem Grund die Textzeile: „Wir nehmen uns bei der Hand und mit kindlichem Gemüt und mit einer Illusion fangen wir an mit der Revolution“. Um bei dem Urschleim anzufangen – der Song handelt eigentlich genau davon, was ich grad gesagt habe – also: „Beweg dich!“, „Mach was und such dein Glück!“ oder „Folge dir selbst!“. Es zieht sich durch das ganze Album, wie ein roter Faden. Bei „Revolution“ ist es so, dass es von einem Typen handelt, der sich irgendwann kriegen lassen hat vom Materialismus. Er sucht sein Glück in der Flasche und sucht zu viel, merkt es, aber findet den richtigen Weg nicht. Er weiß nicht, was er machen soll, weil man es ihm so vorlebt und die Gesellschaft sagt: „Genau das brauchst du, genau das ist es!“.
Ist es auch ein bisschen autobiografisch?
Ist es immer!
Ist es nicht ein wenig zu selbstkritisch?
… ich will mich natürlich mitteilen.
Aber du bist jetzt nicht „Das lyrische Ich“ oder?
Nein, bin ich nicht. Sicherlich bin ich das zum Teil, aber das sind auch Menschen aus meinem Bekanntenkreis. Deswegen sag ich, dass die neue Platte mehr Bodenhaftung hat, als zum Beispiel „Samurai“.
Wie kommt es zu dieser Widersprüchlichkeit zwischen Fröhlichkeit und dieser abgrundtiefen Traurigkeit auf der Platte? Macht das eine Platte aus? Muss das so sein?
Nein, muss nicht. Aber eine Platte entsteht im Laufe von zwei Jahren und niemand ist den ganzen Tag fröhlich und wie bereits gesagt, es wird nichts im Vorhinein abgelehnt. Wenn man gestresst nach Hause kommt, schreibt man einen härteren Song, als wenn man den ganzen Tag am Strand sitzt.
Kommen wir mal kurz zu dem besagten „Roten Faden“ zurück, der sich durch die gesamte Platte zieht. Könntest du vielleicht noch mehr zum lyrischen Konzept sagen?
Die Hauptaussage der Platte ist: „Beweg dich, komm aus dem Arsch!“ … (überlegt) … Gerade wenn wir im Osten spielen, gibt es einfach Sachen, die mir auffallen. Ich nenne es immer „Die Glocke der Depression“. Die Leute jammern, die Leute beschweren sich, aber sie tun auch nichts dagegen, sind unflexibel, verharren in alten Strukturen und kommen nicht aus dem Arsch!
Ich merke, das Schlimmste für dich ist Stagnation/Stillstand.
Ja, Stillstand. Wenn Leute in einen Gleichmut verfallen, dann finde ich das ganz schlimm. Das geht über die Jahre an die Substanz. Das sehe ich bei vielen Leuten, bei Freunden von mir. Ich finde das traurig. Wie gesagt, das ist diese Kneipenmentalität.
So kommen wir zu eurer Mucke zurück. Ich habe beobachtet, dass du während der Listening Session die ganze Zeit gegrinst hast. Was war da los?
Hahaha. Ich habe mich natürlich gefreut – was ein geiles Album! Ich dachte: „Geil! Es rockt aber wirklich!“
Ich könnte mir vorstellen das einige der neuen Songs besonders live rocken. Habt ihr den einen oder andren Song schon live ausprobiert?
Ja und sie kamen gut an, denke ich.
Habt ihr in Weimar eine größere Fanbase, als sonst wo?
Kann ich dir nicht sagen. Die Fans in Weimar sind auf jeden Fall jung! Wir haben auf dem großen Thüringer Volksfest gespielt und vor der Bühne standen komplett alle Achtklässler aus Weimar hahaha.
Übrigens ich finde „Riders On The Storm“ wesentlich besser als „Samurai“. Und ich hab diesbezüglich auch eine Theorie warum. „Have A Nice Trip“ war ein Überalbum, so groß, dass „Samurai” in dessen Schatten einfach verschwand. Was habt ihr beim neuen Album anders gemacht? Warum ist „Riders On The Storm“ so geil und „Samurai” … ähm nicht?
Kann ich dir nicht sagen, ich finde beide Alben geil!
Ok, falsche Frage! Du bist ja auch betriebsblind hahaha.
Wie gesagt, so ein Album ist ein musikalisches Tagebuch und was dem einen oder anderen gefällt ist halt Geschmackssache. Ich weiß nicht woran es liegt, dass sich eine Platte besser oder schlechter anhört als eine andere, aber wir würden nichts aufnehmen, wenn wir davon nicht überzeugt wären. Aber es ist ja auch egal, wa?
… Hauptsache im Kasten!
Richtig! Und ich habe viele neue Ideen, die ich endlich um setzen kann.
Warum dann eigentlich kein Nebenprojekt starten? Euer Schlagzeuger SirG macht ja auch eins.
Na ja, entweder die Musiker fühlen sich wohl und aufgehoben in der Band oder eben nicht. Die meisten Musiker starten nur deshalb Projekte, weil sie sich in einer Schiene gefangen fühlen.
Fühlt sich SirG etwa nicht gut aufgehoben bei euch?
Nein, SirG ist einfach ein virtuoser Musiker!
Ok, runden wir das ganze Ding mal ab. Was bedeutet Metal für dich?
Ausdruck von Gefühl!
Dann danke ich dir für das Interview und überlasse die berüchtigten letzten Worte dir!
Puhhh … Das ist immer das Allerschlimmste bei einem Interview: „Willst du noch was sagen?“. Ok, dann möchte ich sagen, dass das neue Album am 24.08. erscheint und die Single im Mai, und dass es dazu noch eine DVD-Single geben wird, mit der kompletten Summer Breeze-Show, einem Studioreport und allen Videos, die wir jemals gedreht haben. Und ich hoffe wir sehen uns im September auf der „Riders On The Storm“-Tour!
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