Fear Factory
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Interview

Fear Factory

Auch der letzte hat mitbekommen, was die Spatzen von den Dächern gepfiffen haben und ein Album namens „Archetype“ in jedem CD-Regal beweist. Fear Factory sind wieder da … und auf Tour. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn ursprünglich sollte Gitarrist Christian Olde Wolbers mein Gesprächspartner sein. Jener war jedoch nach dem Soundcheck in der Kölner Live Music Hall absolut unauffindbar. So setzte ich mich mit Raymond Herrera zusammen, um ein wenig die letzten Monate aufzuarbeiten. Die Antworten des während des kompletten Interviews Hanuta mampfenden Schlagzeugers wirkten sehr routiniert, aber man merkte ihm trotzdem an, dass er froh ist, dass FF wieder dabei sind. Aber sind wir das nicht alle?

Hi Raymond! Was ist es für ein Gefühl, wieder back in business zu sein?

Ein gutes! (lacht)

Was hast du zwischen dem Split und der Wiederauferstehung von Fear Factory getrieben?

Die meiste Zeit haben Christian (Olde Wolbers, Gitarre; Anm. d. Verf.) und ich die neue Platte geschrieben. Ich habe daneben noch eine Produktionsfirma und arbeite viel an Video Games. Ich konnte also nicht über Langeweile klagen.

Sind FF für dich jemals wirklich gestorben?

Es gab vielleicht vier oder fünf Monate, in denen die Band komplett auf Eis lag, etwa zu der Zeit, als wir Roadrunner Records mitgeteilt haben, dass es FF nicht mehr gibt. Sie haben natürlich direkt darauf hingewiesen, dass wir vertraglich noch ein paar Alben abzuliefern hätten, weswegen sich bei uns aber trotzdem nichts gerührt hat.

Was war der Auslöser für die Wiederbelebung?

Roadrunner haben die Auflösung einfach nicht akzeptiert, obwohl es klar war, dass man Dino (Cazares, ex-Gitarrist; Anm. d. Verf.) und Burton (C. Bell, Sänger; Anm. d. Verf.) nie wieder an einen Tisch bekommen würde. Aber bisher hatten ja nur Christian und ich an Songs gefeilt. Daraufhin habe ich Burton angerufen und ihm mitgeteilt, dass nur wir drei mit von der Partie wären. Ich habe ihn gefragt, ob er dabei wäre, weil wir sonst vertragliche Probleme mit Roadrunner bekommen würden. Burton mochte die neuen Songs. Ohne Roadrunner gäbe es FF demnach jetzt wirklich nicht mehr. Wir haben die Band aber nicht nur zurück ins Leben geholt, um unseren Vertrag zu erfüllen. Wir waren wirklich von den Songs überzeugt. Sechs Monate später sind wir dann von Roadrunner gedroppt worden und bekamen viele Angebote von anderen Labels. Hätten wir zu diesem Zeitpunkt wieder aufhören sollen? Nein, wir haben einen Deal bei Liquid 8 Records unterschrieben. Das Lustige dabei ist, dass sie in Europa mit Roadrunner zusammenarbeiten. Irgendwie ist dieses Ineinandergreifen der Rädchen sehr interessant.

Wie hast du dich gefühlt, als dieser Neubeginn in trockenen Tüchern war?

Irgendwie hatte ich das Gefühl, ein neues Spielzeug bekommen zu haben. Es handelt sich zwar immer noch um FF, aber die Arbeit mit Christian war anders als die mit Dino. Alles funktionierte einwandfrei, zumal wir alle diesmal mehr mitentscheiden konnten. Wir haben die Platte sogar selbst produziert. Deswegen ist es umso schöner, wenn wir sehen, dass die Fans das Album lieben.

Inwieweit hat sich die Stimmung innerhalb der Band verändert?

Sie ist viel besser geworden. Wir hatten diese Band fast verloren, weswegen wir ihr jetzt mit einer neuen Form von Respekt gegenüber treten. Vor dem Split haben wir zwar nie an selbigen gedacht, aber als wir an diesem Punkt angekommen waren, war alles scheiße. Das jetzt überstanden zu haben, veranlasst dich, alles ein wenig mehr zu respektieren.

Wie sind kurz nach Bekanntgabe des Neustarts die ersten Fanreaktionen ausgefallen? Skeptisch oder fröhlich?

Fast alle waren verdammt skeptisch, besonders die Reaktionen aus dem Internet. Deswegen hat Burton auch den Song „Cyberwaste“ geschrieben. Keine hatte irgendetwas des neuen Materials gehört. Keiner wusste also, was Sache ist und wie gut Christian an der Gitarre wirklich war (vor dem Split spielte er Bass, Anm. d. Verf.). Aber die Leute schlugen trotzdem munter auf uns ein. Irgendwie fanden wir das lustig, denn Christian und ich schrieben ja schon die Songs und wussten, dass sie verdammt gut waren, nicht der von den Fans erwartete verweichlichte und langsame Hip-Hop-Krempel. Uns war klar, dass sich alle auf die Zunge beißen würden, wenn sie die neue Platte hören. Deswegen haben uns diese ganzen Skeptiker sogar in gewisser Weise angespornt und motiviert.

Was war das Abgefahrenste, was ein Fan geschrieben oder gemacht hat?

Ich persönlich habe keine e-Mails bekommen, aber ich habe online viel gelesen, was sich Leute auf diversen Boards zugepostet haben. Das Witzigste war eigentlich Blabbermouth. Wenn sie etwas über Fear Factory geschrieben haben, gab es innerhalb kürzester Zeit 30 oder 40 Kommentare, während andere Bands vielleicht gerade mal zehn abbekamen. Es war cool zu sehen, dass die Leute, selbst wenn sie uns hassten, sich noch um uns kümmerten und wir eine Bedeutung hatten. Jetzt die überaus guten Reaktionen auf das Album einzufahren und zu sehen, dass die Fans sich darüber freuen, ist natürlich unbeschreiblich.

Denkst du, dass „Archetype“ das stärkste Werk seit „Demanufacture“ ist?

Ja, denke ich. Manche Leute sagen sogar, es sei das beste Album, das wir je gemacht haben. Andere halten es wie ich und sortieren es hinter „Demanufacture“ ein, andere wiederum hinter „Obsolete“. Eine genaue Beurteilung abzugeben, fällt mir natürlich schwer, weil ich hautnah in das Projekt involviert bin. Ich persönlich kann nur sagen, dass ich extrem glücklich über das Ergebnis bin.

Also enthält „Archetype“ die Essenz von FF, wenn es so schwer einzuordnen ist?

Im Prinzip schon. Uns ging es bei diesem Album um folgendes: Die harten Songs sollten richtig hart sein, die melodischen richtig melodisch, quasi die reinste Form eines jeden Stils. Eines unserer größten Probleme auf den letzten Alben war, dass wir probiert haben, zu viele potentielle Singles zu schreiben. Wir haben versucht, in einen von Natur aus sehr langsamen und epischen Song noch beinharte Riffs reinzupacken. Das konnte nicht funktionieren. Diesmal haben wir strikter getrennt in Heavy Songs und Single-Mainstream.

Das einzige, was mich gewundert hat, wenn wir hier gerade über die Essenz von FF sprechen: Warum wurde das Album nicht von eurem quasi sechsten Bandmitglied Rhys Fulber produziert?

In der Vergangenheit hätten wir es nicht selbst produzieren dürfen. Roadrunner hätten niemals ihr OK dazu gegeben. Während „Soul Of A New Machine“ und „Demanufacture“ konnte ich noch einsehen, warum jemand anders an den Reglern sitzen sollte. Wir hatten von Recording einfach keine Ahnung. Ab „Obsolete“ bis jetzt hätten wir aber auch durchaus selbst produzieren können. Nicht, weil wir etwas gegen andere haben, sondern nur aus dem Grund, dass du einen fremden Produzenten erst „anlernen“ musst, worum es in deiner Band eigentlich geht und für was sie steht. Keiner kennt unsere individuellen Stile besser als wir selbst. Also war es logisch, dass wir bei einem neuen Label auch selbst produzieren. Erstens ist es billiger und zweitens macht es, wie gesagt, keinen Sinn, jemandem erst etwas beibringen zu müssen, was wir selbst schon wissen.

Auch euer Line-up wurde ein wenig durchgewürfelt. Warum wechselte Christian vom Bass an die Gitarre?

Als alles den Bach runter ging und Dino ausstieg, wollten wir keinen Neuen in die Band integrieren. Ich sagte zu Christian: „Mann, Du bist doch ein vollwertiger Gitarrist!“ Er hat mit Gitarre angefangen und ist erst später an den Bass gewechselt. Also machte es für mich mehr Sinn, ihn an die sechs Saiten zu lassen. Außerdem war für mich klar, dass man mit dem, der für die Riffs zuständig ist, besser Songs schreiben kann als mit allen anderen. Ich selbst habe immer nur den Sound im Kopf. Es klappte perfekt. Für Christian war es etwas härter, denn er hatte jetzt wahrscheinlich seinen richtigen Bassstil mit dem richtigen Equipment gefunden, musste aber alles sofort wieder aufgeben und zurück an die Gitarre. Aber er hat einen großartigen Job gemacht. Alle Gitarren und alle Basslinien auf der Platte stammen von ihm.

Live unterstützt euch Byron Stroud von Strapping Young Lad am Bass. Wird er irgendwann festes Bandmitglied?

Ich weiß es nicht. Das wird man sehen. Er macht noch sein Zeug mit SYL und um ehrlich zu sein, können Christian und ich auch alles selbst schreiben. Vielleicht steuert er zur nächsten Scheibe aber auch etwas bei. We’ll see.

Und jetzt noch ein paar Stichwörter, zu denen du mir spontan sagst, was dir einfällt. Los geht es mit Touring.

Oh mein Gott! (lacht) Geh heim!

Dino.

Ganz alt!

Neid.

Hmm…ich bin verwirrt. Trifft auf mich auf jeden Fall nicht zu.

Concrete.

Soul Of A New Machine.

Hatefiles.

Re-Issue.

Business.

Fear Factory.

Geld.

Kraft.

Freundschaft.

Feindschaft.

Politik.

Bush! I fuckin‘ hate Bush!

Fear.

Factory! (lacht sich scheckig)

Fußball-EM.

Beckham verschießt den Elfmeter.

Zukunft.

Fear Factory.

Wenn es so weiter geht, auf jeden Fall!

Galerie mit 15 Bildern: Fear Factory - DisrupTour 2023 in Köln
12.07.2004

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